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Unser Glaube
04. August 2022
Wormbach

Für jeden die passende Wallfahrt

Das Dorf Wormbach im Sauerland ist klein – und doch ein großes Pilgerziel. Das liegt an zwei Dingen: einer zielgruppenorientierten Wallfahrtsseelsorge und an einer Heiligen, die besonders Trost spendet.

In Schiefergrau und strahlendem Weiß steht sie auf einem kleinen Hügel. Ihr Turm mit seiner barocken Haube prägt das Erscheinungsbild des Dorfes: Die Kirche St. Peter und Paul in Wormbach, einem Ortsteil von Schmallenberg im Sauerland. Die Kirche ist in der Region vielen Menschen ein Begriff – dass ihre beiden Patrone Peter und Paul sind, aber nicht unbedingt. Wenn Monika Winzenick, Gemeindereferentin im Pastoralverbund Schmallenberg, die Kinder in der Schule fragen würde, wem denn die Wormbacher Kirche gewidmet sei, „dann antworten die: Unsere Patronin ist Walburga“. Und wer sollte es ihnen verübeln, schließlich spielt diese Heilige hier eine viel größere Rolle als die beiden Apostelfürsten – und das schon seit Jahrhunderten.

Wie Walburga nach Wormbach kam

Die Gebeine der heiligen Walburga werden im oberbayerischen Eichstätt verwahrt, in der Benediktinerinnenabtei St. Walburg. Wie kommt diese Heilige nun aus Süddeutschland ins Sauerland? Die Antwort liefert ein Blick in die Geschichte: Das Sauerland gehörte früher zum Erzbistum Köln. Und Erzbischof Anno II. (um 1010-1075) war einer der größten Walburgaverehrer seiner Zeit. Deshalb könnte etwas von seiner Faszination für die Heilige im Zuge der Gründung des Klosters Grafschaft 1072 in der Region hängen geblieben sein. Die Betonung liegt aber auf dem „könnte“, denn so ganz genau weiß man es nicht.

Das Ganz-genau-Wissen in Sachen Walburga setzt in Wormbach erst 1771 ein. Da erbittet sich der Wormbacher Pfarrer Jodokus Kleine nämlich Reliquien aus Eichstätt. Die Nonnen sind einverstanden und schicken für den Transport einen Franziskanerpater nach Wormbach – und der hält schriftlich fest, dass die Heilige dort schon seit Jahrhunderten vor Ort verehrt wird. Er bekommt zum Beispiel eine alte Glocke gezeigt, die der heiligen Walburga geweiht ist und schon vor 1500 im Ort den alljährlichen Walburgafesttag eingeläutet haben soll.

Wer war Walburga?

Die christliche Überlieferung kennt Walburga als Tochter eines angelsächsischen Königs und Nichte des heiligen Bonifatius. Sie soll im 8. Jahrhundert gelebt haben und folgt ihren beiden Brüdern nach Germanien, wo Willibald das Bistum Eichstätt und Wunibald das Kloster Heidenheim gegründet hat. Nach Wunibalds Tod übernimmt Walburga die Klosterleitung, baut es zu einem wichtigen Missionszentrum und Doppelkloster aus – und wird damit zu einer der bedeutendsten Frauen ihrer Zeit.

Darstellungen zeigen sie im schwarz-weißen Ordensgewand der Benediktinerinnen. In der einen Hand hält sie den Krummstab, Zeichen ihrer Äbtissinnenwürde. Die andere Hand hält ein kleines Fläschchen. Das steht für das Walburgaöl, das seit 1042 alljährlich von Oktober bis Ende Februar unter dem Schrein mit den Gebeinen der Heiligen austritt. Bis heute füllen es die Benediktinerinnen von St. Walburg in kleine Fläschchen ab. Vor einigen Jahren ist die klare, geruchlose Flüssigkeit wissenschaftlich untersucht worden: Es handelt sich um reines Wasser, vermutlich Kondenswasser.

Walburga wurde insbesondere von Ordensfrauen verehrt – so zum Beispiel im Stift Meschede im Sauerland. Bis heute gibt es hier einen kleinen Schrein mit Reliquien der Heiligen.

Höhepunkt der Walburga-Verehrung seit 251 Jahren: Die Walburga-Woche

Im Zuge dieses Reliquientransports wird man auch in Köln wieder aufmerksam auf das kleine Dorf im Sauerland. Der Kölner Generalvikar genehmigt die Feier einer Walburga-Woche „nach Art eines Patronatsfestes als Hochfest mit Oktav“. Das ist insofern etwas Besonderes, da die Kirchenpatrone ja eigentlich Petrus und Paulus sind. Hier erkennt man, welchen Stellenwert Walburga damals schon gehabt haben musste. Und ganz nebenbei ist das Schreiben des Generalvikars der Beleg dafür, dass in Wormbach bereits seit 1771 jedes Jahr Anfang Mai eine Walburga-Woche gefeiert wird – also mittlerweile seit 251 Jahren.

Im Lauf der Zeit hat sich einiges geändert: „Im 18. und 19. Jahrhundert spielte der Ablass, der zu diesem Fest gewährt wurde, eine große Rolle“, sagt Gemeindereferentin Winzenick, die die Wallfahrtsseelsorge vor Ort übernimmt. Das ist heute nicht mehr so. Trotzdem kommen weiter Menschen Anfang Mai nach Wormbach, wenn hier alles im Zeichen der heiligen Walburga steht. Das sind Einzelbesucher, aber auch Gruppen und nach alter Tradition Pilgergruppen aus den umliegenden Orten.

Warum pilgert man heute zur Walburga?

„Grundsätzlich boomt das Pilgern seit mehreren Jahren“, sagt Winzenick. Das Unterwegs-Sein in der Gruppe vermittle dem Einzelnen, Teil einer Gemeinschaft zu sein. „Dafür nehme ich es auch auf mich, um zwei Uhr nachts aufzustehen und dem Sonnenaufgang entgegenzupilgern.“ Die Menschen haben dann laut der Gemeindereferentin nicht nur Proviant und Regenjacke im Rucksack: „Ich führe nie so viele seelsorgliche Gespräche wie zur Walburga-Woche.“ Die Menschen brächten ihre Themen mit, ihre Sorgen und Probleme, um sie vor der heiligen Walburga abzulegen.

Der Grund, weshalb viele Menschen herkommen – und teils schon seit Jahrzehnten wiederkommen – ist noch ein anderer: Der Augensegen, der im Anschluss an jede Wallfahrtsmesse gespendet wird. Den gibt es nach Winzenicks Kenntnis nur hier. Walburga gilt auch als Fürsprecherin bei Augenleiden. Und so ist es hier Brauch, dass den Menschen ein paar Tropfen Walburgaöl mit einer Vogelfeder auf die geschlossenen Augen aufgetragen wird. „Das ist etwas ganz Berührendes – im Wortsinne“, sagt Winzenick.

Die einzelnen Tage der Walburga-Woche richten sich an verschiedene Zielgruppen. Es gibt den Tag der Frauen mit seiner Lichterprozession. 2019 wurde der Tag der Männer eingeführt, bei dem das Wandern und Beten in der Gruppe im Fokus steht. Traditionell machen die Schulen der Umgebung einen Wandertag nach Wormbach. Und für die ganz Kleinen gibt es die „Wallfahrt der kleinen Füße“, die am Pfarrhaus beginnt und in der Kirche endet. In Wormbach versucht man, das ganze Spektrum abzudecken. Deshalb soll es in Zukunft auch Angebote für queere Menschen geben, da ist Monika Winzenick gerade dran.

Walburga ist nicht nur einmal im Jahr

Und was passiert nach der Walburga-Woche? Wer meint, dass das Dorf dann in einen Dornröschenschlaf verfällt, liegt falsch. „Die Walburga-Woche ist kein einzelnes Event, sondern der Höhepunkt der Verehrung, die hier das ganze Jahr über stattfindet“, sagt Winzenick. Einzelpersonen und Gruppen kämen das ganze Jahr über nach Wormbach. „In dieser Kirche bin ich nie allein.“ Es sei immer jemand da, der oder die vor der Walburgastatue im Seitenschiff betet oder einfach in einer der Bankreihen sitze und den Ort auf sich wirken lasse.

Das Heil im Kühlschrank

Dass dieser Ort eine Wirkung hat, haben neben Monika Winzenick auch die Veranstalter des Spirituellen Sommers erkannt. Und so ist Wormbach seit einigen Jahren einer von 80 Orten in der Region, die zu Veranstaltungen einladen, die das Thema Spiritualität immer wieder neu betrachten – durch die Augen der Kunst, der Wissenschaft oder religiöser Traditionen. Dieses Jahr steht alles unter dem Motto „Himmel und Erde“. Der Spirituelle Sommer läuft noch bis zum 4. September, hier geht es zum vollständigen Programm. Wer nicht mehr bis Mai 2023 warten möchte, kann die weiß-schiefergraue Kirche auf dem Hügel also auch jetzt schon besuchen.

Wenn Reinhard Hermes den Kühlschrank aufmachte, standen sie da: Kleine, bauchige Fläschchen, etwa zwei Zentimeter hoch. „Wie Bocksbeutel für Weißwein, aber im Miniaturformat“, erklärt der Elektroinstallateur aus Wormbach. Doch mit Alkohol hatte ihr Inhalt nichts zu tun. In Hermes‘ Kühlschrank lagerte Walburgaöl.

Der Grund dafür: Hermes‘ Ehefrau war lange Jahre Küsterin von St. Peter und Paul in Wormbach. Und als solche verwahrte sie das Walburgaöl, das beim Augensegen während der Walburga-Woche nicht aufgebraucht worden war. Damit die Flüssigkeit nicht verdunstete, lagerte sie die Fläschchen eben bei sich zuhause im Kühlschrank.

Warum das „Öl“ – so wird die Flüssigkeit seit alters genannt, obwohl es sich um Wasser handelt – überhaupt aufgehoben wird? Nicht etwa für die nächste Walburga-Woche. Dafür holt Gemeindereferentin Winzenick rechtzeitig Nachschub aus Eichstätt. Für wen ist es dann? Reinhard Hermes klärt auf: „Es gibt Menschen aus der Region, die immer mal wieder anrufen, wenn jemand in ihrem Umfeld krank ist oder im Sterben liegt. Die fragen dann nach dem Walburgaöl.“ Und immer wenn jemand fragte, nahm Hermes eins der Fläschchen aus dem Kühlschrank und brachte es ihnen. „Aus dem einfachen Grund: Die glauben daran, dass es ihnen guttut.“

Die Nonnen in Eichstätt und Gemeindereferentin Winzenick betonen, dass es sich beim Walburgaöl nicht um Medizin handelt. Vor einigen Jahren ist die Flüssigkeit untersucht worden und es kam heraus: Es handelt sich um reines Wasser. „Das Walburgaöl ist kein Medikament, das Heilung bewirkt. Ich kann es nicht auftragen wie eine schmerzstillende Salbe“, sagt Winzenick. „Ich würde das Öl als Heil-Mittel bezeichnen, denn letztlich ist es ein sichtbares Zeichen der Hilfe Gottes für uns Menschen.“

Auch Jesus habe durch Zeichen verdeutlicht, dass Gott das Heil der Menschen wolle, sagt sie. Zum Beispiel als er den Blindgeborenen heilt (Joh 9,1–41). „Jesus spuckt auf die Erde und macht aus Sand und Speichel einen Brei, den er dem Blinden auf die Augenlider aufträgt. Aber es ist nicht dieser Brei, der ihn sehend macht, sondern sein Glaube an die Liebe und Güte Gottes.“ Für Winzenick steht fest: Glaube braucht starke Zeichen und der Augensegen in Wormbach ist so eines.

Die kranken oder sterbenden Menschen, denen Reinhard Hermes früher das Walburgaöl brachte, werden sich wohl auch keine wundersame Heilung von der Flüssigkeit versprochen haben. Was das „Öl“ aber durchaus spenden kann, ist Trost. Dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde. Dass nach dem Tod noch etwas kommt. Dass da ein Gott ist, der durch Zeichen in diese Welt hineinwirkt, weil er seine Geschöpfe liebt. Und manchmal kommen diese Zeichen eben auch aus dem Kühlschrank.

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Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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