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Erzbistum Paderborn
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© Allard One / Shutterstock.com

Ausgetreten und abgeschrieben? - Gedanken zum Kirchenaustritt

Gehören ausgetretene Menschen nicht mehr zur Kirche? Sind die Kirchentüren für sie verschlossen? Wann gehört man überhaupt zur Kirche? Keine einfachen Fragen. Hier finden Sie Informationen und Gedanken dazu.

Wer getauft ist, gehört zur Kirche

Theologisch gesehen gehören alle Getauften zur Kirche. Mit und ohne Kirchenaustritt. Durch die Taufe empfängt der Mensch ein „unauslöschliches, geistliches Siegel“, das nicht rückgängig gemacht oder ausgelöscht werden kann. Einmal getauft – für immer getauft.
Das soll keine Vereinnahmung derer bedeuten, die sich bewusst von der Kirche abwenden wollen.
Doch diejenigen, die aus Ärger oder mit Schmerz ausgetreten sind, sich der Kirche  aber weiterhin verbunden fühlen, dürfen wissen: Durch die Taufe gehören wir zur Kirche.

Wer oder was ist eigentlich Kirche?

Bei dem Begriff „Kirche“ muss man bei uns in Deutschland unterscheiden zwischen der Kirche als „Glaubensgemeinschaft“ und der Kirche als „Körperschaft öffentlichen Rechts“.  Denn es gibt von kirchlicher und staatlicher Seite unterschiedliche Definitionen davon, was Kirche ist. Man kann die beiden Definitionen nicht scharf  voneinander trennen, sie müssen aber unterschieden werden.

 

Kirche als Glaubensgemeinschaft

Nach kirchlichem Recht und kirchlicher Auffassung ist die Kirche die „Gemeinschaft der Gläubigen“.
Durch die Taufe wird man in die Kirche aufgenommen und wird dadurch „Glied der Kirche“. Aus rein theologischer Sicht ist ein Kirchenaustritt nicht möglich. Katholiken können streng genommen die Kirche nicht verlassen, denn niemand kann ihre Taufe ungültig machen, nicht einmal der Papst.

 

Kirche als „Körperschaft öffentlichen Rechts“

Nach staatlichem Recht ist die katholische Kirche in Deutschland eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“.
Kirchenmitglied dieser Körperschaft wird man auch aus staatlicher Sicht durch die Taufe. Hier hält sich der Staat an das innerkirchliche Verständnis: Wer katholisch getauft ist, gehört zur katholischen Kirche.

Die theologische Unmöglichkeit, die Kirche zu verlassen, kann der Staat natürlich nicht mittragen. Er garantiert Religionsfreiheit und muss eine Möglichkeit bieten, die Mitgliedschaft zu beenden. So kann man selbstverständlich aus der „Körperschaft Kirche“ austreten.

Man kann es auch so ausdrücken: In der Kirche ist Mitgliedschaft kündbar, Gliedschaft nicht.

 

Eine Kündigung der Kirchenmitgliedschaft ist also zuallererst ein Akt gegenüber dem Staat, er betrifft aber auch die Glaubensgemeinschaft: In den allermeisten Fällen bedeutet ein Kirchenaustritt, dass sich die Ausgetretenen gleichfalls von der Glaubensgemeinschaft distanzieren, weil der Glaube für sie keine Bedeutung mehr hat.

In einigen Fällen treten aber auch Menschen aus rein finanziellen Gründen aus oder aus Enttäuschung darüber, was in der Kirche falsch läuft, möchten sich jedoch nicht von der Kirche als Glaubensgemeinschaft distanzieren. Dann wird es etwas komplizierter. Warum, das können Sie im nächsten Abschnitt lesen.

Kirchensteuer und Kirchenaustritt in Deutschland

Innerhalb der katholischen Weltkirche gibt es länderabhängig unterschiedliche Weisen, wie sich die Kirchen vor Ort finanzieren.

In Deutschland hat die Kirche als öffentliche Körperschaft das Recht, von ihren Mitgliedern finanzielle Beiträge einzufordern. Der Staat zieht diese Beiträge für die Kirche per Steuer ein. Durch diese Kirchensteuer kann die Kirche ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finanzieren, aber auch karitativ, sozial und durch Bildung in die Gesellschaft hineinwirken. Die Kirchensteuer macht möglich, dass viele kirchliche Dienste unentgeldlich angeboten werden können, für die in anderen Ländern gezahlt werden muss, und ist somit eine nützliche Einrichtung.

Eine Problematik entsteht dann, wenn man in Deutschland – z.B. aus finanzielle Gründen, aus Ärger über die Verwendung der Kirchensteuer oder aufgrund des Missbrauchsskandals – keine Kirchensteuer mehr zahlen, aber dennoch weiter der Glaubensgemeinschaft zugehören möchte, weil Glaube, Sakramente und kirchliche Leitung wichtig bleiben.

Wer keine Kirchensteuer mehr zahlen möchte, muss offiziell aus der Kirche austreten, egal ob er weiterhin gläubig ist oder nicht. Denn in Deutschland ist das Zahlen der Kirchensteuer direkt mit der offiziellen Kirchenmitgliedschaft verknüpft.

 

Im Jahr 2012 haben die deutschen Bischöfe ein Dekret zum Kirchenaustritt erlassen. Hierin wird der staatliche Kirchenaustritt vor der zivilen Behörde als „eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche“ * und „eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft“ * gewertet. Die Bischöfe legen fest, dass Menschen, die aus „welchen Gründen auch immer“ * aus der Körperschaft Kirche austreten, gegen zwei Pflichten verstoßen:
1. „gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren“ * und
2. „gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann“ *.

Aufgrund dieser festgelegten Pflichtverstöße dürfen laut der deutschen Bischöfe Ausgetretene (außer in seltensten Ausnahmefällen) keine Sakramenten mehr empfangen und verlieren weitere kirchliche Rechte.* Eine Befragung der Ausgetretenen nach ihrem Austrittsgrund oder nach ihrem Glauben findet nicht statt.

* Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt, 2012

Individuelle Austrittsgründe in den Blick nehmen

Der Verlust der kirchlichen Rechte bei Kirchenaustritt ist bei der großen Mehrheit der Ausgetretenen berechtigt. Denn sie kündigen ihre Kirchenmitgliedschaft, weil Kirche und Glaube in ihrem Leben schon lange keine Rolle mehr spielen oder nie eine Bedeutung hatten. Sie distanzieren sich von ihrem Glauben gleichwohl wie von der Kirche und verlieren somit berechtigter Weise ihre kirchlichen Rechte.

Nun treten aber auch Gläubige aus, denen die Kirche etwas bedeutet. Für sie ist der Kirchenaustritt oft Ergebnis eines langen Ringens. Sie behalten ihren Glauben und geben ihr Geld meist weiterhin an kirchliche Einrichtungen, wollen aber keine Kirchensteuern mehr zahlen. Sie treten aus Ärger oder mit Schmerz aus der Kirche aus, wissen sich jedoch ihren Gemeinden, ihrem Glauben und auch der Kirche weiterhin verbunden. Missstände in der Kirche haben sie zum Austritt veranlasst.
Diese Ausgetretenen machen nur einen kleinen Anteil der Kirchenaustritte aus. Doch gerade diese Gläubigen, die aus Enttäuschung und Ärger ausgetreten sind, dürfen der Kirche nicht egal sein. Es gab und gibt in der Kirche viele offensichtliche Gründe, die Menschen zu einem Austritt veranlassen können.

 

Aus dem Vatikan kommen immer wieder Stimmen, die darauf hinweisen, dass bei den Menschen, die vor einer staatlichen Behörde ihren Kirchenaustritt vollziehen, auf die individuelle Austrittsgründe geschaut werden muss. Denn, so der Vatikan, es könne die Möglichkeit bestehen, dass ausgetretene Menschen ihren Glauben behalten und weiterhin zur Kirche gehören möchten.  Auch viele Theologen halten es für angebracht, auf individuelle Austrittsgründe zu schauen, anstatt für alle Ausgetretenen pauschal anzunehmen, dass bei ihnen eine „Distanzierung von der Kirche“ und eine „schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft“ vorliegt.

Die Bereitschaft, die Kirche durch die Kirchensteuer zu unterstützen kann nicht hoch genug angerechnet werden. Es gibt viele gute Gründe, die für die Kirche sprechen und die Leistung der Kirchensteuer mehr als berechtigen. Doch muss in unserer Kirche auch Platz für diejenigen sein, die für sich eine offizielle Kirchenmitgliedschaft (gerade) nicht verantwoten können.

Die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen

Die Kirche ist die Kirche Jesu Christi und kein Verein, bei dem man nicht mehr dabei sein kann, wenn man nicht mehr zahlt.

Jesus Christus hat die Kirche als Gemeinschaft derer gegründet, die ihm nachfolgen wollen. Die Kirche ist die sichtbare Gemeinschaft der Gläubigen, die durch Taufe, Sakramente, Glaube und kirchliche Leitung mit Christus verbunden sind.

Alle, die sich so der Kirche zugehörig wissen, sind Glieder der Kirche. Sie müssen in allen Bereichen als katholische Gläubige gelten, selbst wenn sie keine offizielle Kirchenmitgliedschaft besitzen.

Natürlich sind die Gläubigen verpflichtet, ihren Beitrag für die Kirche zu leisten. Die Institution ist schließlich auf die finanzielle Unterstützung ihrer Gläubigen angewiesen. Die Kirchensteuer ist die in Deutschland geltende Art und Weise, wie die Gläubigen  ihren finanziellen Beitrag für die Kirche leisten.

Doch sollte das Nicht-Leisten dieser Steuer bei Beibehalt des Glaubens nicht zum Ausschluss praktizierender Katholiken führen.

 

Die Tür offen halten

In der Kirche sind alle willkommen. Ob sie ausgetreten sind oder nicht.

Auch ausgetretene Gläubige, die Kontakt zu unseren Gemeinden und Gemeinschaften halten, sollten Verständnis und Wohlwollen erfahren. Sie wollen zur Kirche gehören und fühlen sich ihr verbunden. Eine Seltenheit in unserer Zeit, über die wir froh sein können. Auch der Empfang der Sakramente sollte hier kein Tabu sein.

So bleiben Türen offen und wird erkennbar, dass auch Ausgetretene, die keine Kirchenmitgliedschaft mehr vorweisen können, Glieder der Kirche sind und zur Gemeinschaft der Gläubigen gehören.

Wohlwollen und Verständnis gegenüber Ausgetretenen halten nicht zuletzt auch die Tür offen zu einer Versöhnung und vielleicht auch zu einem Wiedereintritt.

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