Uneingeschränkter Aktenzugang
Das zunächst auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt wird von Professorin Dr. Nicole Priesching, Inhaberin des Lehrstuhls für Religions- und Kirchengeschichte an der Universität Paderborn, geleitet. Unterstützt wird sie von der Wissenschaftlichen Mitarbeiterin Dr. [des.] Christine Hartig. Für eine umfassende Aufarbeitung hat der ehemalige Generalvikar Alfons Hardt uneingeschränkten Aktenzugang zugesichert. Die beiden Wissenschaftlerinnen unterliegen keiner Weisungsbefugnis des Erzbistums und sind in der Gestaltung ihrer Arbeit unabhängig. „Es gilt herauszufinden, welche Personenkreise innerhalb der Kirche von Missbrauchsfällen wussten, wie Entscheidungen über das Ergreifen oder Unterlassen weiterer Maßnahmen getroffen wurden und ob strukturelle Bedingungen existierten, die Missbrauchshandlungen fördern konnten“, erklärt Prof. Dr. Nicole Priesching.
Forschungszeitraum
Der Zeitraum dieser Forschungsarbeit umfasst die gesamte Nachkriegszeit bis zum Erlass der für die ganze Weltkirche einheitlichen und verbindlichen Regelungen im Motuproprio „Sacramentorum sanctitatis tutela“ Papst Johannes Pauls II. zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche im Jahr 2001. Seitdem wurden die Normen regelmäßig weiterentwickelt und die Präventions- und Interventionsarbeit im Erzbistum Paderborn eingerichtet und sukzessive ausgebaut. Für das Erzbistum Paderborn ist die Betrachtung des genannten Forschungszeitraums der historischen Untersuchung besonders wichtig, da der weit überwiegende Teil der dem Erzbistum Paderborn bisher bekannten Beschuldigungen von sexuellem Missbrauch aus dieser Zeit stammen.
Unabhängige Aufarbeitungskommission
Für den Gesamtzeitraum von 1946 bis zur Gegenwart ist die unabhängige Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn zuständig, die am 21. Juni 2022 ihre Arbeit aufgenommen hat. Diese wird auch eine Gesamtbewertung der Aufarbeitung im Erzbistum Paderborn vornehmen und dabei insbesondere die Aufarbeitung der Zeit seit dem Jahr 2001 verantworten. Erzbischof em. Hans-Josef Becker nimmt sich selbst, wenn es um Verantwortung geht, nicht aus. Die Bewertung soll daher gemäß der „Gemeinsamen Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland“ der Deutschen Bischöfe und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) bewusst eine unabhängige Kommission vornehmen, nicht Erzbischof em. Becker selbst. Dieses Vorgehen schließt ein, dass auch die Art und Weise der Aufarbeitung seit 2002 ausdrücklich in der freien Entscheidung der unabhängigen diözesanen Aufarbeitungskommission liegen soll.
Die unabhängige Aufarbeitungskommission besteht aus sieben Personen: zwei Mitglieder werden durch das Land NRW benannt, drei durch das Erzbistum und zwei Personen kommen aus dem Kreis der Betroffenen.
Die Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn setzt sich vorerst wie folgt zusammen:
- Johannes Keders, Präsident des Oberlandesgerichts a.D., Hamm
- Dr. Eva Brockmann (Bereichsleitung Soziale Dienste, Leitung der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, Paderborn)
- Professorin Dr. Ute Ritterfeld (Technische Universität Dortmund, Psychologin)
- Birgit Cirullies (Leitende Oberstaatsanwältin a.D., Dortmund)
- Reinhold Harnisch (Ehemaliger Geschäftsführer KRZ – Kommunales Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe)
- Heinrich Sprenger (Lehrer an der Realschule St. Ursula, Dorsten).
Ein Platz in der Kommission wird noch durch das Land NRW nachbesetzt.
In der Kommission sind keine Personen, die in einem Beschäftigungsverhältnis zum Erzbistum Paderborn stehen. Frau Dr. Brockmann ist Beschäftigte des Ortscaritasverbandes Paderborn e.V. Damit erfüllt die Kommission oftmals erhobene Forderungen: Zum einen wird der Staat durch das Land NRW an der Aufarbeitung beteiligt, zum anderen geschieht die Arbeit der Kommission unabhängig.
Betroffenenvertretung
Seit Februar 2022 gibt es im Erzbistum Paderborn eine Betroffenenvertretung, die ebenso frei und eigenständig agiert, wie es für die unabhängige diözesane Aufarbeitungskommission gilt. Die unabhängige diözesane Aufarbeitungskommission und die Betroffenenvertretung werden in ihrer Arbeit wie alle Verantwortlichen für die Aufarbeitungsprozesse seitens des Erzbistums Paderborn umfänglich unterstützt.
Der Aufbau und die Einrichtung sowohl der unabhängigen Aufarbeitungskommission als auch der Betroffenenvertretung hatten einen aufwendigen und verantwortungsvollen Prozess vorausgesetzt, der im Hinblick auf den Schutz Betroffener von sexuellem Missbrauch sorgfältig zu führen war.