Gottes Nähe spüren
Entspannend, entschleunigend, segensreich und sinngebend – so empfindet Robin Geisweid sein Engagement bei Camino. „Wir sind eine sehr schnelle Gesellschaft, stets im Stress und unter Strom. Bei der Begleitung schwerkranker Menschen und ihren Familien ist alles auf Ruhe, Rücksicht und Achtsamkeit für den Nächsten ausgerichtet. Dabei komme ich tatsächlich runter und kann abschalten. Wenn man einen Menschen auf seinem letzten Weg begleitet und mit dem Tod in Berührung kommt, ist das sehr intim. Das macht was mit einem. Ich komme auch Gott nochmal näher.“
Jedes Leben ist einmalig, jedes Sterben ist einmalig – die Erfahrung macht auch Robin Geisweid immer wieder. „Jede Begleitung ist anders, jede Begleitung ist speziell“, erzählt er von ganz unterschiedlichen Bedarfen. Von dem jungen Mann, der ganz allein lebt. „Da geht es um Beziehungsaufbau, um Zeitgestaltung. Zum Beispiel ein paar Stunden am Computer daddeln.“ Oder von der Frau, die sich um ihren totkranken Mann kümmert und manchmal schlicht ein paar Stunden Auszeit braucht. Da ist die junge Familie, deren kleinen Kinder betreut werden müssen, damit sich die Mama um die kranke Oma kümmern kann.
„Bevor ich bei Camino eingestiegen bin, hatte ich das Hospizdenken. So in der Art, ich schaue jemandem beim Sterben zu. Aber das ist es nicht. Es geht um das echte Leben“, resümiert Robin Geisweid und kommt noch auf einen 90-jährigen Herrn zu sprechen, den er einmal begleitet hat. „Das war, als wenn mit mir ein Enkel da gewesen wäre. Man kommt schnell ins Gespräch, erzählt darüber, wie es früher war oder wie es heute ist.“
Sterbebegleitung ist gelebte Menschlichkeit
Wenn es um das übergeordnete Ziel von Camino, um das Erreichen bestmöglicher Lebensqualität geht, leisten die ehrenamtlich Tätigen einen unverzichtbaren Beitrag. Ohne die professionelle Distanz der hauptamtlichen Fachkräfte helfen sie, durch die Begegnung auf Augenhöhe die Normalität im Alltag aufrechtzuerhalten und sind emotionale Stütze. Sind da, um gemeinsam zu schweigen, zu beten oder für Gespräche über das Leben und über den Tod. „Es geht um die ganze Familie, damit alle den Weg gemeinsam gehen können und einen guten Abschluss finden“, sagt Robin Geisweid.
Regelmäßig ist der 28-Jährige eingeladen, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue ehrenamtlich tätigen Menschen für ihr Engagement dankt. Und er war 2019 in Berlin, als erstmals junge Ehrenamtliche in der Hospiz- und Palliativversorgung unter 30 Jahren besonders geehrt wurden. Was er bei den Treffen und in Gesprächen festgestellt hat: „Tatsächlich gibt es in den Städten viele junge Menschen, die in der Hospizarbeit unterwegs sind. Im Kern geht es uns allen darum, der Gesellschaft etwas zu geben, um Menschlichkeit, um Humanität. Für mich ist das gelebter Glaube.“