„Das kenne ich auch anders“, sagt er und erinnert sich an eine Etappe auf einem Jakobsweg im Inntal. „Ich lief da bei Innsbruck über Stunden neben einer Autobahn im strömenden Regen“, sagt er. So etwas sei eine Grenzerfahrung, allerdings weniger körperlicher sondern psychischer Art. „Ich habe beim Pilgern das Rosenkranz-Beten wieder entdeckt“, erzählt er. Das mantraartige Wiederholen der Gebetstexte könne über solche Phasen hinweghelfen. Gelernt hatte er das als Kind, über die Jahre aber vergessen. „Mir waren Kirchen oder Glauben lange eher fern. Klar bin ich katholisch, aber nur, weil meine Eltern mich katholisch getauft haben“, sagt er. Inzwischen sei er Glauben oder Spiritualität wieder näher.
Natürlich kommt das Gespräch auf Santiago de Compostela, das Ziel aller Jakobswege im fernen Spanien. „Nein, da bin ich noch nicht gewesen. Mir war und ist es dort zu überlaufen, auch wenn ich mich irgendwann einmal auf den Weg dorthin machen möchte“, sagt er. Den Olavsweg in Norwegen habe er in Angriff nehmen wollen, aber wegen Corona keine Unterkünfte buchen können. In Angriff genommen hat er den Franziskusweg. Gestartet vor der eigenen Haustür ging es zunächst bis Bamberg. Von dort in einer zweiten Etappe über die Alpen. Die dritte führt durch Abruzzen und Po-Ebene bis Assisi. „Die Alpen waren anstrengend, aber schlimmer sind die Abruzzen. Dort scheint es nur bergauf oder bergab zu gehen, auch die Po-Ebene mit ihren großen Agrar- oder Industrieflächen und fast ausschließlich geteerten Wegen ist nicht eben schön“, sagt Glatthor. Vielleicht 1.500 Kilometer werde er in den Beinen haben, wenn er sein Ziel erreiche.
Was das Ziel beim Pilgern ist, lasse sich nur schwer beschreiben. Für ihn gehe es nicht um die Sehenswürdigkeiten am Weg oder die Schönheit der Landschaft, auch nicht um das Hochgefühl, ein bestimmtes Ziel erreicht zu haben. „Vielleicht ist es die Verbindung von modernem Freizeitverhalten wie Wandern oder Trekking mit den Gauben betreffenden oder spirituellen Fragestellungen und Erfahrungen“, sagt er. Aber wahrscheinlich gebe es auf diese Frage so viele Antworten wie Gründe zum Aufbrechen.
Autor: Ralf Bittner, Freier Journalist