Jesuitenpater Dominik Terstriep, Pfarrer der Gemeinde St. Eugenia in Stockholm, berichtete von seinen Erfahrungen in der Diaspora-Seelsorge. In Schweden gebe es etwa 126.000 Katholiken, die in den Pfarrämtern registriert seien. Das sind 1,2 Prozent der schwedischen Bevölkerung. „Wir gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl bei etwa 280.000 liegt“, sagte Terstriep. 80 Prozent davon hätten einen Einwanderungshintergrund. Im Unterschied zur katholischen Kirche in Deutschland sei man in Schweden im Wachstum begriffen – jung und international. „Wir bauen Kirchen oder kaufen der protestantischen Kirche, der ehemaligen Staatskirche, Gotteshäuser ab.“ Mit Blick auf die katholische Kirche in Deutschland fragte Terstriep, wo in den Gemeinden die Einwanderer seien. „Es muss sie ja geben. Wenn ich aber meine Eltern im Bistum Münster besuche, sitzen in der Kirche dieselben Leute wie vor 30 Jahren“.
Propst Gregor Giele von der Propsteigemeinde St. Trinitatis in Leipzig lenkte den Blick in seiner Erzählwerkstatt auf die Situation der katholischen Kirche in Ostdeutschland. Nach seiner Überzeugung marginalisiere sich die Kirche selbst: „Wir nehmen zu gesellschaftlich relevanten Themen wie Bürgergeld oder Waffenlieferungen an die Ukraine keine Stellung.“ Im vergangenen Jahr habe es in Leipzig eine Stadtsynode gegeben, um zu analysieren, wozu Kirche in Leipzig da sei. „Karitatives Wirken wurde dabei als ein sicherer Hafen gesehen, der Bonus mit der höchsten Anerkennungsrate“, sagte Giele. Aufgefallen sei aber auch, dass es ein „kirchliches Konkretisierungsdefizit gebe“ und dass die „Fixierung auf die kirchliche Situation als permanente Störung“ empfunden werde.
Wie es einer katholischen Initiative gelingt, Menschen einzubinden, die eher kirchenfern sind, berichtete Martina Steinfurth von den Lazarusdiensten aus Stralsund. Mehr als 100 Ehrenamtliche arbeiten dort mit, begleiten Schwerkranke und sterbende Menschen. „Wir kümmern uns auch um die Trauernden“, erzählte Steinfurth. Beerdigungen würden mit christlichen und weltlichen Andachten gestaltet. Für ältere Menschen gebe es Gesprächsangebote wie die „Caritasse“ nach dem Gottesdienst. Bei diesen Situationen komme man auch immer wieder über Gott und den Glauben ins Gespräch, sagte Steinfurth.
„Es hat keiner mehr eine Dauerkarte“, sagte Pfarrer Ansgar Schocke mit Blick auf die Kirchenmitgliedschaft. Er ist Seelsorger im Dortmunder Norden, einem stark von Einwanderung geprägten Stadtbezirk mit wenigen bekennenden Katholiken. Das Wirken von Kirche müsse über die Verkündigung des Wortes hinausgehen. 55 Prozent der Kinder im Dortmunder Norden lebten in Familien, die staatliche Unterstützungsleistungen beziehen. Ihm und seinem Team liegt darum die Sozialarbeit im Stadtteil am Herzen. So wurde das Gemeindehaus einer Pfarrei gemeinsam mit katholischen Sozialorganisationen zu einer Sozialberatungsstelle umgenutzt. „Das ist ein Ort, an dem Menschen schnell Hilfe, aber auch einen Kontakt zur katholischen Kirche bekommen“, sagte Schocke.
Zum Abschluss der Tagung sagte Dr. Dr. Florian Baab von der Universität Hamburg, dass die Kirche für ihre Werte geschätzt werde. Aber die Distanz der Menschen zum Christentum sei größer geworden. Ein Prozess, der sich in den kommenden Jahren noch beschleunigen werde. Vor dem Hintergrund sinkender Mitgliederzahlen sagte Dr. Anne Rademacher, Leiterin des Seelsorgeamtes Erfurt, dass es durchaus möglich sei, dass „wir uns an der ein oder anderen Stelle auflösen“.
Monsignore Dr. Michael Bredeck, Diözesanadministrator des Erzbistums Paderborn, zeigte sich dankbar für die Tagung, „weil wir hier ehrlich waren“. Im Mittelpunkt stehe die Frage, wie viele Menschen religiös ansprechbar seien. Seiner Einschätzung nach sei es möglich, diese vor allem in der Sakramentenpastoral zu erreichen. Die positive Erfahrung und Kooperation des Werkstattgesprächs solle weitergeführt werden. Für Monsignore Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, hat das Werkstattgespräch wichtige Impulse gebracht: „Wir sind in der Wirklichkeit angekommen. Es ist notwendig, grenzüberschreitend und auch verbindend als Weltkirche zu denken. Wir können viel voneinander, aber auch miteinander lernen“, sagte Monsignore Austen. Es gelte die Veränderung, nicht nur zu erleiden, sondern neu zu gestalten. Das Bonifatiuswerk schaffe mit seinen unterschiedlichen Angeboten seit fast 175 Jahren „Ermöglichungsräume und auch Entdeckungsräume der Begegnung mit Gott und den Menschen“.