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Erzbistum Paderborn
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© ixpert / Shutterstock.com

Vergeben befreit

Yasin Güler wird von einem Islamisten lebensgefährlich angegriffen. Über seinen Kampf nach dem Messerattentat vor zwei Jahren veröffentlicht er jetzt das Buch „vergeben statt vergelten“.

Es gibt so Tage, da läuft scheinbar alles schief. So einen Tag erwischt Yasin Güler am 18. April 2023. Denkt er zunächst. Doch der Tag wird sein ganzes Leben verändern.

Yasin kommt von der Uni in Bochum, wo er Germanistik und Geschichte auf Lehramt studiert. Er will auf dem Weg in seine Heimatstadt Oberhausen noch ins Fitnessstudio. Doch er steigt in den falschen Zug ein. Kein Problem, denkt er sich, dann geht er halt in Duisburg statt in Oberhausen pumpen. Aber auch da steigt er wieder in die falsche Straßenbahn ein. Ärgerlich, aber passiert.

Endlich im Fitnessstudio angekommen, geht Yasin in die Umkleide. Umziehen. Endlich loslegen mit dem Training. Kopf ausschalten. Doch so weit kommt es nicht. Als Güler sich umzieht, hört er, wie ein Mann aus der Dusche um Hilfe schreit. Er läuft los, um zu helfen. Dann ereignen sich die Sekunden, die sein Leben verändern.

Güler prallt auf den Mann, der den Verletzten mit einem Messer niedergestochen hat. Sie schauen sich kurz in die Augen, dann rammt der Täter auch Güler das Messer in die rechte Seite des Bauchs. Der Täter läuft weiter. Güler ist geschockt. Er sieht das Loch in seinem Bauch. Will fliehen. Doch er kommt nicht weit. Vor der Frauenumkleide sackt er zusammen. Es beginnt sein Kampf ums Überleben.

Ein Messerstich. Vier Monate Intensivstation.

Vier Liter Blut verliert Güler an dem Tag, wie er später von den Ärzten erfährt. Er schwebt wochenlang in Lebensgefahr, muss vier Monate auf der Intensivstation bleiben. Danach ist alles anders. Güler muss drei Mal in der Woche zur Dialyse, bekommt einen künstlichen Darmausgang, hat Panikattacken, quälende Alpträume, starke Depressionen.

Güler hat scheinbar allen Grund, den Täter zu hassen. Doch er traut sich zu, ihm zu vergeben. Auch, weil Jesus ihm das so vorlebt. Über diesen Schritt hat Yasin Güler ein Buch geschrieben: „Vergeben statt Vergelten. Mein Leben nach dem Messerattentat.“

Wie kann er vergeben?

Was schenkt Güler das Zutrauen, dem Mann zu vergeben, der ihn so schwer verletzt hat? Wer sich mit ihm darüber unterhält, bekommt zwei Antworten. Die erste Antwort ist: „Weil ich schon erlebt habe, dass mir Hass nur im Weg steht.“ Um diese Antwort zu verstehen, erzählt Güler von seiner Zeit auf der Gesamtschule. Er will unbedingt dazugehören, tut zum Beispiel extra so, als würde er sich wie sein Umfeld auch als Türke und Muslim fühlen. Aber Güler wird gemobbt, beleidigt, geschlagen.

„Weglaufen hat nicht geholfen. Ignorieren hat nicht geholfen. Zum Lehrer gehen hat nicht geholfen. In psychologische Behandlung gehen hat nicht geholfen“, sagt er. „Dann hilft nur das zurückschlagen, habe ich irgendwann gedacht.“ Kurz hat er Ruhe, doch dann erlebt er, dass Gewalt zu noch mehr Gewalt führt. „Wenn man anfängt, sich mit Leuten zu schlagen, wollen sich auch andere mit dir messen“, sagt er.

Güler sucht einen Ausweg, zieht sich wieder zurück, woraufhin das Mobben wieder losgeht. Seine Antwort? Wieder Gewalt. Güler erlebt: Vergeltung ist eine Sackgasse.

„Heute ist alles besser“ – Wie Yasin Güler nach einem Messerangriff Hoffnung und Liebe fand

Yasin Güler wurde 2023 Opfer eines Messerattentats in einem Fitnessstudio. Nach wochenlangem Überlebenskampf und schweren gesundheitlichen Folgen sagt er heute: „Es sollte so kommen.“ Für YOUPAX, das junge Glaubensportal im Erzbistum Paderborn, erzählt Yasin von seiner Kindheit, seinem Glauben, seiner Homosexualität und wie er durch Liebe und Vergebung neue Stärke fand.

Stell dir vor

Mit dieser Erfahrung kann er dem Hass auf den Mann, der ihn niedergestochen hat, anders begegnen. Güler sagt: „Ich konnte mich entscheiden: Lasse ich meine Vergangenheit hinter mir? Oder lasse ich meine Gegenwart durch die Vergangenheit bestimmen?“ Dass das nicht einfach ist, weiß er selbst. „Aber es sollte einfach sein, weil ich nicht in der Vergangenheit leben möchte. Ich möchte ja heilen.“

Um heilen zu können, ist auch seine zweite Antwort entscheidend: sich in den Menschen hineinzuversetzen, der ihn aus islamistischen Motiven angegriffen hat. Versuchen, ihn zu verstehen. Mitzufühlen. „Stell dir vor“, sagt Güler, „du kannst kein Deutsch, hast hier keine Freunde, fühlst dich allein – und dann wirst du von Islamisten angesprochen, die dich aufnehmen, dir Anerkennung und Bestätigung schenken und sagen: ‚Du bist nicht das Problem, die anderen sind das Problem‘. Dann steigerst du dich immer mehr in diese Thematik hinein und bist irgendwann darin gefangen.“ Hineinfühlen hilft beim Vergeben. Und bei noch viel mehr.

Taufe zwei Monate vor Angriff

Zwei Monate vor dem Messerangriff in Duisburg hat sich Yasin Güler taufen lassen. Einerseits, weil er so „den Ballast der Vergangenheit über Bord werfen wollte“, wie er sagt. Andererseits, weil ihn die christliche Botschaft von Nächstenliebe und Vergebung fasziniert. „Jesus lehrt uns, dass Vergebung das Wichtigste im Leben ist“, sagt Güler. Und: „In Situationen, in denen ich es geschafft habe, anderen etwas nicht mehr nachzutragen, habe ich gespürt, wie frei meine Seele wird. Wie toll es sein kann, wenn man vergibt.“

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Ein Beitrag von:
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Redakteur

Tobias Schulte

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