Die im Sozialwissenschaftlichen Arbeitskreis der Kommende Dortmund zusammenarbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen waren sich bei ihrer Frühjahrstagung in Paderborn zum Thema „Ökologische Krisen und die Kirche“ einig in der Beschreibung der dramatischen Situation des Klimas: Sie sprachen von „Klimanotstand“ und stimmten überein, dass die Beschränkung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zwar noch theoretisch denkbar sei, dies aber praktisch wohl nicht mehr möglich sei und damit die 2015 in Paris von den Vereinten Nationen gesetzten Ziele nicht mehr zu erreichen seien. Es brauche enorme Mühen, das 2-Grad-Ziel des Pariser Umweltgipfels einzuhalten, obgleich die technischen und ökonomischen Lösungen bekannt seien. Allerdings gebe es keinen kulturellen Wandel der sozialökologischen Transformation, so dass die Welt aktuell ungebremst auf eine apokalyptische Erderhitzung zulaufe. Erforderlich sei eine Überwindung der Trennung von Ökologie und Soziales.
Erzbischof Hans-Josef Becker hatte die Mitglieder des Sozialwissenschaftlichen Arbeitskreises der vom Erzbistum Paderborn getragenen Einrichtung in Dortmund sowie weitere Experten zu Beratungen vom 22. bis 23. April 2022 nach Paderborn eingeladen. Der Paderborner Erzbischof diskutierte mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Frage, wie das „Gemeinsame Haus der Schöpfung“ für alle Menschen bewohnbar bleiben und erhalten werden kann. Der interdisziplinär besetzte Arbeitskreis erwartet von den Kirchen bei allen lobenswerten Ansätzen ein breites ökologisches Engagement und eine entsprechende Bewusstseinsbildung. Die Klimafrage lasse sich nur global bewältigen, erklärten die Experten. Hier sei die katholische Kirche als weltweit präsente Institution besonders gefragt. Sie sollte sich dabei für die ökologische Gerechtigkeit in Solidarität mit den armen Ländern und der zukünftigen Generationen einsetzen. Um glaubwürdig zu sein, müsse sie in ihrem eigenen Handeln den Klimaschutz zügig voranbringen.
Krieg gegen die Natur
Der Physiker Professor Dr. Gunther Seckmeyer vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Leibniz Universität Hannover erläuterte anhand der Zahlen des jüngsten Weltklimaberichts die Entwicklungen der Klimaerwärmung. „Wir führen einen Krieg gegen die Natur“, zitierte Seckmeyer den Generalsekretär der Vereinten Nationen. Obwohl die Folgen der sich beschleunigenden Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre seit dem 19. Jahrhundert bekannt seien, passiere trotz der Warnungen der Wissenschaften nichts. Theoretisch könne ein Teil der täglich einstrahlenden Sonnenenergie den Weltenergiebedarf decken, führte Seckmeyer aus. Für Deutschland wäre dies vor allem über Solaranlagen auf Dächern möglich. Wichtig sei zudem der Schutz der Wälder und Aufforstungen als relativ schnell wirkende Maßnahmen.
Sensibilität und Schöpfungsspiritualität
Für den Fundamentaltheologen Professor Dr. Jürgen Manemann müssten angesichts der ökologischen Krise die (Erz-)Bistümer den „Klimanotstand“ ausrufen. „Es blieben nur noch knapp sieben Jahre für ein konsequentes Umsteuern“, sagte der Wissenschaftler vom Forschungsinstitut Philosophie Hannover. Der Umgang mit den Herausforderungen sei von Sentimentalität und Selbstmitleid geprägt. Notwendig wären eine Sensibilität und Trauer über das „Leid“ der Geschöpfe und der Erde. Daraus könnte der Widerstand gegen die aktuelle Entwicklung und Hoffnung auf Alternativen stehen. Der Moraltheologe Professor Dr. Michael Rosenberger aus Linz plädierte für eine genügsame, demütige und zärtliche Schöpfungsspiritualität, die den Eigenwert der Geschöpfe achte und von einer inneren Verbundenheit mit allem, was existiert, geprägt sei.