Die Interventionsstelle des Erzbistums unternahm intensive Bemühungen, um die Vorwürfe zu prüfen und die mutmaßlichen Tathergänge zu rekonstruieren. Die Vorwürfe gegen einen oder beide früheren Erzbischöfe konnten jedoch nicht ausreichend fundiert dargelegt und nachgehalten werden. Ebenso wurde in den Unterlagen der Folgeanträge durch die UKA in Bonn festgehalten, dass die Ergänzungen mit Blick auf die beschuldigten Erzbischöfe Jaeger und Degenhardt „nicht mehr nachzuhalten“ seien. Der Vorgang liegt der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn vor und wird dort im Rahmen der Arbeit des Gremiums unabhängig geprüft. Erkenntnisse der unabhängigen Forschung durch die Universität Paderborn stehen noch aus und werden für das erste Halbjahr 2026 erwartet.
Weitere Vorwurfslage seit 2023
Eine zweite Beschuldigung gegen Erzbischof Degenhardt wurde dem Erzbistum im Jahr 2023 durch den Anwalt eines möglichen Betroffenen zur Kenntnis gebracht. Die durch den Rechtsbeistand schriftlich eingereichten Schilderungen der mutmaßlichen Tathergänge stammten nicht vom möglichen Betroffenen selbst, sondern wurden von einem durch ihn beauftragten Heilpraktiker verfasst. Der Anwalt des möglichen Betroffenen überbrachte dem Erzbistum die Forderung nach einer außergerichtlichen Einigung.
Das Erzbistum ließ die Schilderungen ab Oktober 2023 durch einen externen Sachverständigen überprüfen, der sie im Rahmen seines Gutachtens als wenig plausibel einstufte. Die ebenfalls externe Begutachtung im Rahmen der heute veröffentlichten Untersuchung der Bistümer Münster, Essen und des Erzbistums Köln zu angeblichen kirchlichen Täternetzwerken ritueller Gewalt konnte ebenfalls keine Evidenz für ein Tatgeschehen feststellen.
Das Erzbistum lehnt außergerichtliche Einigungen im Fall von Missbrauchsvorwürfen grundsätzlich ab, um Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen. Es wies den möglichen Betroffenen durch dessen Anwalt auf die Möglichkeit des regulären Verfahrens zur Anerkennung des Leids hin. Weder wurde ein solcher Antrag bis heute eingereicht noch wurde ein direkter Kontakt des mutmaßlichen Betroffenen zu den zuständigen Ansprechpersonen des Erzbistums Paderborn aufgenommen.
Im Rahmen der Aufarbeitung innerhalb der Strukturen des Erzbistums Paderborn wurde auch dieser der Fall durch Einholung des externen Gutachtens von der Interventionsstelle des Erzbistums geprüft. Er wurde der Unabhängigen Aufarbeitungskommission vorgestellt, die sich ebenfalls mit dem Fall befassen wird. Ebenso ist er Teil der beauftragten unabhängigen Aufarbeitungsstudie der Universität Paderborn.
Grundsatz: Transparenz, Aufklärung und Schutz der Persönlichkeitsrechte
Das Erzbistum sieht sich in einem Spannungsverhältnis: Als Grundsatz möchte es Betroffenen und ihren Schilderungen Glauben schenken und Unterstützung anbieten. Zudem besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse, wenn Vorwürfe gegen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erhoben werden. Andererseits sind die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten, auch posthum, zu wahren, insbesondere wenn die erhobenen Vorwürfe nicht ausreichend plausibel dargelegt sind. Bisher hat das Erzbistum deshalb keine aktive externe Veröffentlichung der ihm bekannten Vorwürfe gegen Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt vorgenommen. Die Unabhängige Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn sowie die Verantwortlichen für die Erstellung der unabhängigen Aufarbeitungsstudie durch die Universität Paderborn wurden über die bekannten Vorwürfe jeweils informiert und in den Aufarbeitungsprozess einbezogen.
Mit der heutigen Veröffentlichung der Untersuchung durch die Kanzlei Feigen · Graf bestehen zugleich öffentliche Bezüge zum Erzbistum Paderborn und damit ein überwiegendes Informationsinteresse. Das Erzbistum informiert daher anlassbezogen und gebündelt über die ihm bisher bekannten Vorwürfe gegen beide ehemaligen Erzbischöfe, ihren Bearbeitungsstand sowie den Stand der unabhängigen Aufarbeitung. Es gilt die Unschuldsvermutung. Durch die weitere wissenschaftliche und unabhängige Aufarbeitung erhofft sich das Erzbistum eine weiter verbesserte und in jeder Hinsicht verantwortungsvolle Fähigkeit, über die Komplexität der Fälle zu sprechen.
Mit der Beauftragung unabhängiger wissenschaftlicher Studien an der Universität Paderborn, dem Einsatz einer Unabhängigen Aufarbeitungskommission, eines Unabhängigen Expertenrats sowie durch die Arbeit eigener Experten in den Bereichen Aufarbeitung, Intervention und Prävention verfolgt das Erzbistum das Ziel, die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs konsequent voranzubringen und die eigenen Verfahren und Strukturen stetig zu überprüfen und zu verbessern.
Hier finden Sie vertiefende Informationen zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Paderborn: https://www.erzbistum-paderborn.de/beratung-hilfe/hilfe-bei-missbrauch/allgemeine-infos-zur-aufarbeitung-im-erzbistum-paderborn/erzbistum/
Hinweise und Unterstützung für Betroffene
Das Erzbistum ist sich bewusst, dass Berichte über komplexe Vorwürfe und Verfahren Menschen mit Erfahrungen sexualisierter Gewalt verunsichern und emotional belasten. Die hier dargestellten Fälle und die zugrunde gelegten Einschätzungen unterscheiden sich jedoch von dem Bild, das sich aus den meisten beim Interventionsteam und den unabhängigen Ansprechpersonen eingegangenen Meldungen ergibt.
Das Erzbistum möchte Betroffene ausdrücklich ermutigen, sich bei den genannten Ansprechpersonen zu melden, um sich mitzuteilen, ihre Rechte als Betroffene geltend zu machen und um die konsequente Aufklärung und Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen zu ermöglichen. Jeder Vorwurf wird ernst genommen und den Betroffenen stehen sowohl begleitende, beratende, therapeutische, seelsorgliche sowie finanzielle Unterstützungsangebote zur Verfügung.
Hier finden Betroffene Kontaktmöglichkeiten zu den Ansprechpersonen: https://www.erzbistum-paderborn.de/beratung-hilfe/hilfe-bei-missbrauch/hilfen-fuer-betroffene/an-wen-kann-ich-mich-wenden/
Weitere Informationen
Hier finden Sie die ergänzende Stellungnahme des Erzbistums Paderborn zur durch die Bistümer Münster, Essen sowie das Erzbistum Köln beauftragten Untersuchung zu ritueller Gewalt: https://www.erzbistum-paderborn.de/stellungnahme-zu-den-rituellen-gewaltvorwuerfen
Weitere Informationen sowie eine mit Blick auf die Betroffenen anonymisierte, geschwärzte Fassung des Untersuchungsberichts der Bistümer Münster, Essen und des Erzbistums Köln steht online auf https://www.bistum-muenster.de/sexueller_missbrauch