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Stellungnahme zu Vorwürfen gegen frühere Erzbischöfe

Stellungnahme des Erzbistums Paderborn zu Vorwürfen gegen die ehemaligen Erzbischöfe Jaeger und Degenhardt

Heute haben die Bistümer Münster und Essen sowie das Erzbistum Köln eine Untersuchung zu behaupteten Täternetzwerken ritueller sexualisierter Gewalt veröffentlicht. Das Erzbistum Paderborn war an dieser Untersuchung nicht beteiligt; die Studie nennt jedoch unter anderem den 2002 verstorbenen Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt. Vor diesem Hintergrund legt das Erzbistum Paderborn aus Gründen der Transparenz heute sämtliche ihm bislang bekannten Vorwürfe gegen die früheren Paderborner Erzbischöfe Lorenz Jaeger (gest. 1975) und Johannes Joachim Degenhardt (gest. 2002) offen. Damit werden alle bisher erfassten Sachverhalte zeitgleich und vollständig eingeordnet – auch solche, die nicht Gegenstand der jetzt veröffentlichten Studie zu ritueller Gewalt sind.

Die Namen der bereits verstorbenen Beschuldigten werden ausschließlich genannt, da es sich um Persönlichkeiten der Zeitgeschichte handelt, Kardinal Degenhardt in der heute veröffentlichten Studie namentlich erwähnt wird und dadurch ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse besteht. Zugleich betont das Erzbistum, dass keiner der bislang bekannten Vorwürfe gegen die beiden früheren Erzbischöfe nach heutigem Stand plausibel dargelegt ist und daher die Unschuldsvermutung gilt.

Hintergründe zu den Vorwürfen

Dem Erzbistum Paderborn wurden bislang durch insgesamt zwei mutmaßliche Betroffene Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen die früheren Erzbischöfe Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt bekannt gemacht. Die Beschreibung und Aufklärung der Fälle ist komplex und wird durch die Interventionsstelle des Erzbistums Paderborn, die Forscherinnen der unabhängigen Aufarbeitungsstudie der Universität Paderborn sowie die Unabhängige Aufarbeitungskommission des Erzbistums Paderborn unternommen. Ein dritter Vorwurf gegen den früheren Erzbischof Degenhardt wurde dem Erzbistum Paderborn erst vor wenigen Tagen im Vorfeld der heute veröffentlichten Untersuchung mitgeteilt. Er wird intern dokumentiert und im Rahmen der eigenen Aufarbeitungsstrukturen einer sorgfältigen Prüfung unterzogen, sobald dem Erzbistum alle relevanten Informationen vorliegen. Dieser Vorwurf wird hier beschrieben.

Vorwurfslage und Bearbeitung seit 2016

Ein erster mutmaßlicher Betroffener meldete im Jahr 2016 im Rahmen eines Antragsverfahrens auf Anerkennung des Leids gegenüber dem Erzbistum Paderborn zunächst umfangreiche Vorwürfe gegen einen Geistlichen sowie einen Laien. In seinen schriftlichen Ausführungen brachte er an einer Stelle auch einen Hinweis auf ein weiteres mutmaßliches Missbrauchsgeschehen durch Erzbischof Degenhardt ein, ohne dies näher auszuformulieren.

In einem Folgeantrag im Jahr 2021, der sich im Kern erneut auf den Missbrauch durch den Geistlichen sowie den Laien bezog, beschuldigte der Betroffene in seiner Schilderung einer zusätzlichen Missbrauchserfahrung nicht mehr den zuvor benannten Erzbischof Degenhardt, sondern nunmehr den früheren Erzbischof Jaeger. Das Erzbistum wies ihn auf diesen Widerspruch in seiner Ausführung hin, woraufhin der mutmaßliche Betroffene schließlich beide Erzbischöfe als weitere Beschuldigte benannte.

Der Betroffene stellte sowohl einen Erst- wie einen Folgeantrag auf Anerkennung des Leids und durchlief zudem das Widerspruchsverfahren. Im Rahmen der drei Verfahren erhielt er insgesamt die Summe von 120.000 Euro in Anerkennung des Leids. In den drei für die unterschiedlichen Verfahren erstellten Tatschilderungen veränderten sich die Beschreibungen der sekundär genannten Missbrauchsvorwürfe gegen die früheren Paderborner Erzbischöfe und wurden sukzessive ausgeweitet.

Die Interventionsstelle des Erzbistums unternahm intensive Bemühungen, um die Vorwürfe zu prüfen und die mutmaßlichen Tathergänge zu rekonstruieren. Die Vorwürfe gegen einen oder beide früheren Erzbischöfe konnten jedoch nicht ausreichend fundiert dargelegt und nachgehalten werden. Ebenso wurde in den Unterlagen der Folgeanträge durch die UKA in Bonn festgehalten, dass die Ergänzungen mit Blick auf die beschuldigten Erzbischöfe Jaeger und Degenhardt „nicht mehr nachzuhalten“ seien. Der Vorgang liegt der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn vor und wird dort im Rahmen der Arbeit des Gremiums unabhängig geprüft. Erkenntnisse der unabhängigen Forschung durch die Universität Paderborn stehen noch aus und werden für das erste Halbjahr 2026 erwartet.

Weitere Vorwurfslage seit 2023

Eine zweite Beschuldigung gegen Erzbischof Degenhardt wurde dem Erzbistum im Jahr 2023 durch den Anwalt eines möglichen Betroffenen zur Kenntnis gebracht. Die durch den Rechtsbeistand schriftlich eingereichten Schilderungen der mutmaßlichen Tathergänge stammten nicht vom möglichen Betroffenen selbst, sondern wurden von einem durch ihn beauftragten Heilpraktiker verfasst. Der Anwalt des möglichen Betroffenen überbrachte dem Erzbistum die Forderung nach einer außergerichtlichen Einigung.

Das Erzbistum ließ die Schilderungen ab Oktober 2023 durch einen externen Sachverständigen überprüfen, der sie im Rahmen seines Gutachtens als wenig plausibel einstufte. Die ebenfalls externe Begutachtung im Rahmen der heute veröffentlichten Untersuchung der Bistümer Münster, Essen und des Erzbistums Köln zu angeblichen kirchlichen Täternetzwerken ritueller Gewalt konnte ebenfalls keine Evidenz für ein Tatgeschehen feststellen.

Das Erzbistum lehnt außergerichtliche Einigungen im Fall von Missbrauchsvorwürfen grundsätzlich ab, um Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen. Es wies den möglichen Betroffenen durch dessen Anwalt auf die Möglichkeit des regulären Verfahrens zur Anerkennung des Leids hin. Weder wurde ein solcher Antrag bis heute eingereicht noch wurde ein direkter Kontakt des mutmaßlichen Betroffenen zu den zuständigen Ansprechpersonen des Erzbistums Paderborn aufgenommen.

Im Rahmen der Aufarbeitung innerhalb der Strukturen des Erzbistums Paderborn wurde auch dieser der Fall durch Einholung des externen Gutachtens von der Interventionsstelle des Erzbistums geprüft. Er wurde der Unabhängigen Aufarbeitungskommission vorgestellt, die sich ebenfalls mit dem Fall befassen wird.  Ebenso ist er Teil der beauftragten unabhängigen Aufarbeitungsstudie der Universität Paderborn.

Grundsatz: Transparenz, Aufklärung und Schutz der Persönlichkeitsrechte

Das Erzbistum sieht sich in einem Spannungsverhältnis: Als Grundsatz möchte es Betroffenen und ihren Schilderungen Glauben schenken und Unterstützung anbieten. Zudem besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse, wenn Vorwürfe gegen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erhoben werden. Andererseits sind die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten, auch posthum, zu wahren, insbesondere wenn die erhobenen Vorwürfe nicht ausreichend plausibel dargelegt sind. Bisher hat das Erzbistum deshalb keine aktive externe Veröffentlichung der ihm bekannten Vorwürfe gegen Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt vorgenommen. Die Unabhängige Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn sowie die Verantwortlichen für die Erstellung der unabhängigen Aufarbeitungsstudie durch die Universität Paderborn wurden über die bekannten Vorwürfe jeweils informiert und in den Aufarbeitungsprozess einbezogen.

Mit der heutigen Veröffentlichung der Untersuchung durch die Kanzlei Feigen · Graf bestehen zugleich öffentliche Bezüge zum Erzbistum Paderborn und damit ein überwiegendes Informationsinteresse. Das Erzbistum informiert daher anlassbezogen und gebündelt über die ihm bisher bekannten Vorwürfe gegen beide ehemaligen Erzbischöfe, ihren Bearbeitungsstand sowie den Stand der unabhängigen Aufarbeitung. Es gilt die Unschuldsvermutung. Durch die weitere wissenschaftliche und unabhängige Aufarbeitung erhofft sich das Erzbistum eine weiter verbesserte und in jeder Hinsicht verantwortungsvolle Fähigkeit, über die Komplexität der Fälle zu sprechen.

Mit der Beauftragung unabhängiger wissenschaftlicher Studien an der Universität Paderborn, dem Einsatz einer Unabhängigen Aufarbeitungskommission, eines Unabhängigen Expertenrats sowie durch die Arbeit eigener Experten in den Bereichen Aufarbeitung, Intervention und Prävention verfolgt das Erzbistum das Ziel, die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs konsequent voranzubringen und die eigenen Verfahren und Strukturen stetig zu überprüfen und zu verbessern.

Hier finden Sie vertiefende Informationen zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Paderborn: https://www.erzbistum-paderborn.de/beratung-hilfe/hilfe-bei-missbrauch/allgemeine-infos-zur-aufarbeitung-im-erzbistum-paderborn/erzbistum/

Hinweise und Unterstützung für Betroffene

Das Erzbistum ist sich bewusst, dass Berichte über komplexe Vorwürfe und Verfahren Menschen mit Erfahrungen sexualisierter Gewalt verunsichern und emotional belasten. Die hier dargestellten Fälle und die zugrunde gelegten Einschätzungen unterscheiden sich jedoch von dem Bild, das sich aus den meisten beim Interventionsteam und den unabhängigen Ansprechpersonen eingegangenen Meldungen ergibt.

Das Erzbistum möchte Betroffene ausdrücklich ermutigen, sich bei den genannten Ansprechpersonen zu melden, um sich mitzuteilen, ihre Rechte als Betroffene geltend zu machen und um die konsequente Aufklärung und Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen zu ermöglichen. Jeder Vorwurf wird ernst genommen und den Betroffenen stehen sowohl begleitende, beratende, therapeutische, seelsorgliche sowie finanzielle Unterstützungsangebote zur Verfügung.

Hier finden Betroffene Kontaktmöglichkeiten zu den Ansprechpersonen: https://www.erzbistum-paderborn.de/beratung-hilfe/hilfe-bei-missbrauch/hilfen-fuer-betroffene/an-wen-kann-ich-mich-wenden/

Weitere Informationen

Hier finden Sie die ergänzende Stellungnahme des Erzbistums Paderborn zur durch die Bistümer Münster, Essen sowie das Erzbistum Köln beauftragten Untersuchung zu ritueller Gewalt: https://www.erzbistum-paderborn.de/stellungnahme-zu-den-rituellen-gewaltvorwuerfen

Weitere Informationen sowie eine mit Blick auf die Betroffenen anonymisierte, geschwärzte Fassung des Untersuchungsberichts der Bistümer Münster, Essen und des Erzbistums Köln steht online auf https://www.bistum-muenster.de/sexueller_missbrauch

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