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Erzbistum Paderborn
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Morgenandachten im November

Die Morgenandachten von Vikar Manuel Klashörster, die in der vergangenen Woche im DLF gesendet wurden, können Sie hier nachlesen.

Beobachter des Unsichtbaren

Ein handliches Glas mit einem metallenen Deckel aus dem ein abgeschrägtes Rohr hervorragt: ein Zuckerstreuer. Heute vor 68 Jahren, am 15. November 1953, wurde der praktische Zuckerportionierer in Deutschland patentiert. Im Handumdrehen lässt sich mit dieser Erfindung eine Tasse Kaffee oder Tee süßen, ohne darüber weiter nachzudenken.

Wenn Menschen Entdeckungen machen

Mich faszinieren einfache Erfindungen wie der Zuckerstreuer, gerade weil sie scheinbar so simpel sind. Denn auch wenn ein Zuckerstreuer kaum so spektakulär ist wie eine Weltraumsonde oder ein U-Boot, setzt auch seine Erfindung eine Reihe von Beobachtungen und Überlegungen voraus: weder sind Glas und Metall vom Himmel gefallen, noch die Gestaltung des Rohres, damit nicht zu viel Zucker das Getränk versüßt. Erfindungen faszinieren mich aber vor allem, weil sie Entdeckungen sind. Wenn Menschen Entdeckungen machen, erweitern sie damit ihr Wissen und ihre Fähigkeiten die Welt zu gestalten. Jede Erfindung macht damit auch wieder neue Erfindungen möglich und bringt Menschen auf neue Ideen.

Ein Entdecker par excellence

Heute ist auch der Namenstag des Heiligen Albert, der nach seinem Tod bald „der Große“ genannt wurde. Er galt als der Universalgelehrte seiner Zeit. Er war Philosoph, Jurist, Naturwissenschaftler, trat in den Dominikanerorden ein und wurde schließlich Bischof. Er wurde um das Jahr 1200 geboren und starb am 15. November 1280 in Köln. Zwar ist nicht bekannt, dass er in einem technischen Sinn etwas erfunden hat, aber in einer anderen Hinsicht sehe ich ihn als einen echten Erfinder an, der Sinnvolles entdeckt hat. Wie niemand vor ihm hat er Tiere und Pflanzen aber auch Mineralien beschrieben und systematisiert. Seine genaue Beobachtung der Natur hat dazu beigetragen, dass sich unsere heutigen strengen naturwissenschaftlichen Kriterien herausgebildet haben.

Doch Albert wurde nicht nur deshalb der Große genannt. Mit seinen Beobachtungen hat er das Wissen seiner Zeit vergrößert und dieses Wissen mit seinem Glauben verbunden. In der Natur sah er das Werk Gottes, der sich für ihn sogar in den letzten Einzelheiten seiner Schöpfung als deren Schöpfer finden lässt. Von Albert stammen Bücher, in denen vermutlich zum ersten Mal systematisch Pflanzen, Tiere und Mineralien beschrieben wurden.

Zugespitzt könnte man sagen: Albert war zwar kein Erfinder, der ein bestimmtes Patent anmelden konnte, um den Menschen das Leben zu versüßen, aber er hat in der Welt Gott gefunden und auch andere Menschen für diese Entdeckung begeistern können.

In der Welt Gott finden und staunen

Mir scheint, dass seine Art, die Dinge zu sehen, auch für unsere Zeit reizvoll sein kann. Vermutlich wird heutzutage viel mehr erfunden als zu früheren Zeiten. Mit atemberaubender Geschwindigkeit lösen heute neue technische Entwicklungen frühere ab. Nicht wenige Menschen fühlen sich von dieser Schnelllebigkeit buchstäblich überfahren. Da Zeit zu finden, um in Ruhe eine Landschaft zu betrachten, Vögel beim Fliegen zu beobachten oder die Schönheit einer Pflanze zu bestaunen, kommt mir vor wie ein frommer Wunsch. Doch dieses Staunen lohnt sich. Genau hinzuschauen, kann den Blick auf den lenken, der die ganze Welt erschaffen hat.

Ich gratuliere denen, die Albert heißen und heute Ihren Namenstag und damit auch den Heiligen Albert feiern. Allen wünsche ich, dass sie bei den großen und kleinen Erfindungen die ihr Leben erleichtern – und sei es der Zuckerstreuer – den finden, der jede menschlicher Erfindung erst möglich macht und für den selbst nichts unmöglich ist.

Tag der offenen Tür

Wir sind spät dran: jetzt schnell einen Parkplatz suchen und dann noch die richtige Adresse finden. Schließlich stehen wir vor der Tür und klingeln. Wir sind gespannt – Doch nichts passiert. Irgendwann zweifeln alle, ob wir denn wirklich vor der richtigen Tür stehen. Doch nach einiger Zeit öffnet endlich jemand die Tür und ein freundlicher Mann begrüßt uns mit den Worten: „Kommt rein! Die Tür ist doch offen. Wir haben schon auf euch gewartet.“ Wir standen die ganze Zeit vor einer offenen Tür und hatten das nicht bemerkt. Unsere innere Unruhe und die Sorge, zu spät zu kommen, haben uns blind gemacht. Diese Situation habe ich vor einiger Zeit mit Pfadfindern erlebt und ich muss seitdem immer wieder daran denken, denn ich sehe darin eine Parallele zum Glauben an Gott in unserer Zeit.

Die offene Tür übersehen

Ich habe den Eindruck, dass sich die meisten Menschen Tag für Tag Sorgen machen. Um die eigenen Aufgaben beruflich wie privat zu erfüllen, muss sich die Aufmerksamkeit häufig gerade auf das richten, was schief laufen kann. In einer Zeit, da die Anforderungen an jeden Einzelnen gestiegen sind, gehört es zu den wichtigsten Fähigkeiten, mögliche Fehler zu erkennen und drohende Gefahren richtig einzuschätzen. Dabei gerät schnell das aus dem Blick, was gelingt, was schon längst läuft. Vor der offenen Tür dachten wir damals wahrscheinlich genau deshalb daran, dass wir am falschen Ort waren. Wir haben uns Sorgen gemacht und ausgemalt, was wir alles falsch gemacht haben könnten. Dabei haben wir dann die offene Tür übersehen und mussten erst auf sie aufmerksam gemacht werden.

Die Situation damals ist für mich bis heute ein Bild für den Glauben an Gott. Vielen Menschen erscheint der Glaube an einen persönlichen Gott weit entfernt. Die Tür zum Glauben wirkt nicht nur verschlossen, sondern es scheint sie für viele gar nicht zu geben. Zu glauben, dass allein die Möglichkeit besteht, es gäbe einen Gott, der noch dazu in meinem Leben wirkt und mich sogar anspricht, ist für viele ausgeschlossen. Aber auch für diejenigen, die grundsätzlich an Gott glauben, ist es oft undenkbar, dass Gott sich in ihrem alltäglichen Leben zu erkennen gibt.

Kann es sein, dass Gott mich in meinem Leben angesprochen hat und mich meint? Vielleicht stehe ich da oft vor einer Tür, die ich für verschlossen halte, obwohl Gott sie schon längst geöffnet hat.

Immer wieder überraschend Anlass zur Freude

Ich glaube: Aus den Anforderungen und Sorgen, die meinen Alltag begleiten, erwächst oft eine Unruhe, die mir den Blick auf ein mögliches Wirken Gottes in meinem Leben verstellt. Weil ich mich auf meine Aufgaben konzentriere und Fehler vermeiden will, übersehe ich, wo ich vielleicht längst geführt wurde. Ich kann für mich sagen, dass ich oft erst im Rückblick erkannt habe, welche Begegnungen, welche Erfolge aber auch welche Rückschläge für meinen Lebensweg entscheidend waren. Dabei hatte das meiste nichts mit meinen eigenen Plänen und Vorstellungen zu tun. Immer wieder gab es überraschend Anlass zur Freude und manchmal musste ich mich auf einen vermeintlichen Umweg einlassen, der sich im Nachhinein als wertvoll herausstellte.  Ich habe damals meinen Sorgen mehr geglaubt, als der Möglichkeit, dass ich richtig war.

Als gläubiger Mensch denke ich heute, dass Gott mich durch offene Türen geführt hat, die ich für verschlossen hielt. Und es immer noch tut.

Doch um diese Erkenntnis zuzulassen, muss ich selbst die Tür zum Glauben an Gott öffnen. Nur dann kann ich sehen, was sich dahinter verbirgt.

Tibidabo

Der „Tibidabo“ ist mit über 500 Metern einer der höchsten Berge Barcelonas. Wer hier oben ist, genießt einen faszinierenden Ausblick über die Großstadt bis auf das Mittelmeer. Unzählige Menschen zieht es auf den „Tibidabo“, egal ob sie nur kurz als Reisende Barcelona besuchen oder diese Stadt ihre Heimat nennen.

Die Versuchung Jesu

Als ich zum ersten Mal diesen Namen gehört habe, habe ich mir nichts Besonderes dabei gedacht. „Tibidabo“ hielt ich für ein Wort aus der katalanischen Sprache, der Sprache Barcelonas. Doch dann habe ich erfahren, dass dieser Name aus der Bibel stammt. Der Evangelist Matthäus erzählt, dass Jesus 40 Tage in der Wüste fastete. Dabei wird er dreimal vom Teufel, der in der Bibel auch „der Versucher“ genannt wird, auf die Probe gestellt. Im letzten Versuch führt er Jesus auf einen hohen Berg, von wo er ihm „alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht“ zeigt und sagt: „Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.“ – Doch Jesus widersteht dem Anblick der Pracht und antwortet: „Nur vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“.

„Ich will dir geben“ hatte der Teufel gesagt – in der lateinischen Übersetzung der Bibel heißt das „tibi dabo“. Die Menschen, die dem Berg in Barcelona seinen Namen gegeben haben, waren von ihrem Berg und dem Ausblick fasziniert und so kam ihnen die Erzählung aus der Bibel in den Sinn. Möglicherweise fühlten sie sich bei dem Ausblick auch an die biblische Warnung dahinter erinnert: Bei dem Blick auf all das Weite, Schöne und Bestaunenswerte nicht denjenigen zu vergessen, der als Schöpfer hinter allem steht. Tatsächlich steht auf dem Tibidabo auch eine Kirche, die von der Stadt und vom Meer aus zu sehen ist. Täglich suchen Menschen diese Kirche auf, auch zum stillen Gebet über die Gottesdienstzeiten hinaus. Sie ist ganz ausdrücklich ein Ort der Anbetung Gottes.

Buß- und Bettag

Für viele Christen ist heute der Buß- und Bettag, und damit nicht gerade der Höhepunkt des Jahres. Überhaupt: Klingt Bettag nicht nach längst vergangenen Zeiten? – Und: Was soll man sich in unserer Zeit unter einem Bußtag vorstellen? Nicht nur weil dieser Tag als gesetzlicher Feiertag in vielen Regionen Deutschlands nicht mehr vorkommt, scheint dieser Tag schon der Vergangenheit anzugehören, bevor es heute Abend wird.

Auch wenn er einen seltsamen Namen trägt – Der Buß- und Bettag hat das Ziel, sein eigenes Leben als Ganzes in den Blick zu nehmen, wie von einem Aussichtspunkt. Buße, das bedeutet: Umdenken, seinem Leben möglicherweise eine neue Richtung geben, wenn man erkennt, dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Damit sind dann auch Fragen verbunden wie: Was ist mir in meinem Leben wichtig? Was will ich erreichen? Auf wen richte ich mein Leben aus?

Ausblick auf das eigene Leben

Daran erinnert mich der Tibidabo: Ähnlich wie Jesus, der beim Ausblick auf die Welt und sein Leben darin Gott nicht übersehen wollte, soll der Buß- und Bettag einen besonderen Ausblick auf das eigene Leben ermöglichen. Die unterschiedlichen Landschaften – mit ihren Höhen und Tiefen – erscheinen von da aus gesehen einfacher mit Gott verbunden. Wenn Gott den Tod überwunden hat und auch uns Menschen sein Leben schenken will, dann erscheinen viele Herausforderungen in einem ganz anderen Licht. Unterschiedliche Phasen meines eigenen Lebens kann ich dann nicht nur als Ergebnis meiner eigenen Absichten und Ziele verstehen, sondern ich ahne dann auch, dass Gott mein Leben mitleben will.

Um das zu erkennen, muss man bestimmt nicht nach Barcelona reisen und die Kirche auf dem Tibidabo besuchen. Ein Tag wie heute ist schon eine gute Gelegenheit, die Dinge meines Lebens gut anzuschauen und sie im Horizont seines Lebens zu sehen. Denn davon bin ich überzeugt: Ich bekomme erst dann wirklich mein Leben in den Blick, wenn ich einen Ort oder auch eine Zeit finde, in der ich den erahnen darf, der der Herr aller Welt ist: Gott.

„Sie haben gewonnen“

„Sie haben gewonnen“ – So einen Brief habe ich schon oft bekommen. Diese Briefe sprechen von Gewinn und wollen doch häufig nur selbst Gewinn erzeugen. Da bin ich so misstrauisch, dass ich diese Art von Post, wenn sie im Briefkasten ankommt, gleich aussortiere.

Eine ordentliche Portion Misstrauen

Dass ich bei solchen Sachen so misstrauisch bin, hat auch mit einem Erlebnis aus meiner Schulzeit zu tun, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. In der zehnten Klasse nahm ich an einer Rechtskunde-AG teil. Dazu kam ein Richter in die Schule. Beim ersten Treffen gab er einen Zettel herum mit der beiläufigen Bitte, dass wir alle unsere Namen darauf schreiben sollten, damit er eine Namensliste von unserem Kurs habe. Als alle unterschrieben hatten, faltete der Richter den Zettel auf. Auf der Innenseite kam jetzt ein Text zum Vorschein, den niemand von uns zuvor entdeckt hatte. Es war ein Vertrag. Durch unsere umseitige Unterschrift hatten wir ihn unterschrieben und uns so zu einer Zahlung an den Richter verpflichtet.

Den Zettel hat er dann vor unseren Augen vernichtet. Doch dieses Ereignis ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben: Ich bin seit dem nicht nur sehr aufmerksam, wenn es darum geht, irgendwo meine Unterschrift zu hinterlassen. Nein, ich spüre seit dem auch in vielen Situationen eine ordentliche Portion Misstrauen.

Das kann die Post sein, die mir einen Gewinn verspricht, um mich zu gewinnen. Das können alltägliche Nachrichten von Katastrophen und Verbrechen sein, die mir vor Augen führen, zu welchen Verbrechen Menschen fähig sind. Dieser Grundton des Misstrauens schwingt dann schnell in allem mit. Dann sehe ich plötzlich überall, was mir gefährlich werden könnte. Da ist dann ein prüfender Blick und gesundes Misstrauen sinnvoll.

Vertrauen wird nicht immer enttäuscht

Wenn ich überlege, wie leicht Vertrauen ausgenutzt wird, staune ich darüber, dass wir als Menschen überhaupt Vertrauen zueinander aufbauen können. Dabei bin ich überzeugt, dass das nur deshalb möglich ist, weil sehr viele Menschen auch erleben durften, dass ihr Vertrauen nicht immer enttäuscht wurde. Dass da auch Menschen waren, die es wirklich gut mit ihnen meinten: Angefangen von der eigenen Familie, den Freunden und vielen anderen, die ihnen auf dem Lebensweg begegnet sind. Gläubige Menschen, vertrauen sogar auf einen Gott, den sie noch nie gesehen haben. Wie ist das möglich?

Gottvertrauen

Für mich persönlich kann ich sagen, dass mir in meinen Eltern und Großeltern Menschen begegnet sind, die Gott vertraut haben. Ich habe erlebt, dass deren Vertrauen – trotz mancher Schicksalsschläge – nicht verloren ging. Auch über die Familie hinaus sind mir Menschen begegnet, die ihr Leben im Vertrauen auf Gott gelebt haben. Und auch jetzt als Priester bin ich immer wieder berührt von Menschen, die von ihrem Leben im Glauben erzählen. Dabei denke ich beispielsweise an Paare, die fest daran glauben, dass Gott sie zusammengeführt hat. An ältere Menschen, die auf ihre Vergangenheit zurückschauen und dankbar sind, für ihr Leben und was ihnen erspart geblieben ist. Ich denke aber auch an die Begegnung mit Menschen, die durch einen Schicksalsschlag vieles verloren haben, aber im Gebet Mut und Kraft gefunden haben.

Vertrauen ist immer ein Vorschuss. Wer vertraut, geht gewissermaßen in Vorleistung. Das ist eine bleibende Herausforderung. Doch wenn ich umgekehrt dem Misstrauen immer und überall die Oberhand gebe, bleibe ich darin gefangen. Ich wage nichts und kann nicht wachsen in meinem Leben.Das Vertrauen, das ich bei meinen Mitmenschen erlebt habe, hat mich darin bestärkt, zu Vertrauen, es mit dem Glauben zu wagen. Ich bin überzeugt: nur derjenige, der dem Vertrauen den Vorzug gegenüber dem Misstrauen gibt, kann erfahren, was es wirklich heißt: „Sie haben gewonnen!“

Wie im Himmel

„Wie stellt ihr euch den Himmel vor?“

Das habe ich vor einigen Jahren Kinder in der Grundschule beim Religionsunterricht gefragt. Zuerst antwortete ein Mädchen und sagte: „Das ist bestimmt, wie wenn man Geburtstag feiert.“ Ein Junge antwortete: „Ich stelle mir den Himmel wie einen wunderschönen Palast vor.“ Ein anderes Mädchen verglich den Himmel mit Weihnachten. –

Mit diesen Antworten hatte ich gerechnet. Dann sagte aber ein Junge: „Für mich ist der Himmel wie ein altes Militärgelände.“ – „Wie meinst Du das?“ fragte ich ihn und er begann zu erzählen. Strahlend berichtete er, wie er mit seinem Vater am Wochenende mit einem abenteuerlichen Fahrzeug auf einem Militärgelände unterwegs war. – Da hatte ich verstanden, was er meinte, wenn er den Himmel mit einem alten Militärgelände verglich. Es ging ihm weniger um das Militärgelände als vielmehr um die Zeit, die er dort mit seinem Vater erlebt hatte und die für ihn wohl unheimlich kostbar gewesen sein muss.

Bedingungslose Güte

Da, wo wir erleben, dass Menschen bedingungslos gut zu uns sind, wo wir nichts leisten müssen, sondern einfach sein dürfen und sogar noch jemand sagt: „Es ist schön, dass es dich gibt“, ahnen wir etwas vom Himmel.

Erwachsene würde man vermutlich mit solchen Fragen nach dem Himmel überfordern. Entweder hält man den Himmel ohnehin für eine unglaubliche Phantasie, oder aber – wenn man an Gott und sein Reich glaubt – dann erscheint irgendetwas Irdisches doch zu unvollkommen, um wirklich ein Gleichnis für den Himmel sein zu können. Aber ich glaube, dass das Reich Gottes, wie Jesus von Nazareth den Himmel nennt, wirklich ist und dass wir als Menschen in dieser Welt eine echte Ahnung davon haben können. Das zeigen mir beispielsweise die Antworten der Kinder, die in Geburtstagsfeiern oder auch in anderen schönen Zeiten mit ihrer Familie und Freunden ein Gleichnis für den Himmel sehen können.

Heilige Elisabeth von Thüringen

Die Kirche feiert heute eine Heilige, die ein Stück Himmel erfahren hat in der Begegnung ausgerechnet mit Kranken und Armen. Ich meine die Heilige Elisabeth von Thüringen. Sie lebte im 13. Jahrhundert. Von ihr wird erzählt, dass sie in den Bedürftigen Jesus selbst erkannte. Sie erfuhr ein Stück vom Himmel, in dem sie sich diesen Menschen besonders zuwandte. Darin erfuhr sie offenbar eine Begegnung mit Gott.

Als sie nach dem frühen Tod ihres Mannes, dem Landgrafen von Thüringen, ihren großen Reichtum aufwendete, um Menschen in Not zu helfen, kam es zu Konflikten mit der übrigen Familie. Dabei ging sie so weit, dass sie für sich selbst ein einfaches Leben wählte. Bereits mit 24 Jahren starb sie und wurde schon wenige Jahre später heiliggesprochen. Bis heute ist sie vielen Menschen ein Vorbild, anderen Menschen zu helfen.

Ich glaube, Elisabeth konnte so leben, weil für sie der Himmel, das Reich Gottes, nicht nur etwas Übermenschliches war, sondern auch etwas Menschliches. Sie hat erlebt, dass Gott ihr nahe ist; nicht nur dort wo Menschen gut zu ihr waren, sondern eben auch da, wo sie für andere da sein und sich ihnen schenken konnte. So ähnlich wie der Junge, der in der Zeit mit seinem Vater ein Gleichnis für den Himmel gesehen hat, hat Elisabet in ihrer Zeit mit den Kranken und Armen Gott selbst gefunden.

Kann ich das auch?

So eine Lebensgeschichte schreckt auch ab. Wenn ich mir ein so selbstloses Leben vorstelle, denke ich sofort: „Das könnte ich nicht.“ – Wenn ich aber überlege, wie schon Kinder in ihrem Leben Vergleiche für den Himmel finden können, bin ich überzeugt, dass sich an jedem Tag Gelegenheiten auftun, andere Menschen erleben zu lassen: „Es ist wunderbar, dass es Dich gibt“. Und darin klingt dann an, was im Himmel jeder Mensch erleben soll. Ich wünsche Ihnen, dass sie heute dazu Gelegenheiten finden werden, durch gute Worte, oder sogar gute Taten, etwas davon zu erahnen, was es heißt, wie im Himmel zu leben.

Schiefer Rahmen

Ich bin mir sicher, dass sie fast jeder schon einmal gesehen hat: die beiden kleinen pausbäckigen Engel, die auf einer Art Fensterbank lehnen, ihre Köpfe auf die verschränkten Arme gelegt haben und sich scheinbar langweilen. Ursprünglich erscheinen sie nur am Rand eines viel größeren Gemäldes: Auf der „Sixtinischen Madonna“ von dem italienischen Künstler Raffael. Dieses Gemälde ist schon über fünfhundert Jahre alt. Im Zentrum dieses Bildes ist Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm zu sehen, den sie den Betrachtern des Bildes entgegenträgt. Die beiden kleinen Engel sind ihr unter die Füße gemalt.

Krumm und schief

Aber so bekannt diese beiden Engel am unteren Bildrand auch geworden sind, mindestens so spannend und ungewöhnlich wie zwei sich langweilende Engel finde ich das, was man am oberen Rand dieses Bildes sieht. Maria und das Jesuskind werden dort nämlich von einem geöffneten Vorhang eingerahmt, sogar dessen Gardinenstange hat der Künstler gut sichtbar gemalt. Doch: Diese Stange ist krumm und schief.

Es ist erstaunlich: die Gottesmutter Maria trägt das Heil der Welt auf ihren Armen – doch diese christliche Glaubensbotschaft wird eingerahmt von einem schrägen Rahmen. Ich bin mir sicher, Raffael, in dem viele ein Genie sehen, hätte diese Stange auch gerade malen können. Aber gerade diese krumme Stange bringt für mich etwas Wichtiges auf den Punkt: Als Menschen haben wir doch immer auch eine nur eingeschränkte Perspektive auf Glaubensdinge und alle Fragen, die über Irdisches hinausgehen.

Der „Totenmonat“ November

Gerade jetzt im November, der ja auch als „Totenmonat“ gilt, scheint es mir auch darum zu gehen. Im christlichen Glauben ist das Denken an Verstorbene und die Trauer mit dem Glauben an das ewige Leben verbunden. Der Glaube an die Auferstehung von den Toten geht über das menschliche Begreifen hinaus. Ein ewiges Leben bei Gott sprengt buchstäblich den Rahmen unserer endlichen Vorstellungen. Die Bibel spricht davon in den höchsten Tönen. Da heißt es: „Gott wird alle Tränen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“ (Offb 21,4) Wie sollen Menschen sich so etwas vorstellen können, solange sie in einer Welt leben, aus der sich Tränen, Trauer und Klage nicht wegdenken lassen?

Der schiefe Rahmen meiner eigenen Vorstellungen und Begrenzungen

Genau an dieser Stelle denke ich an die schiefe Gardinenstange des Bildes. Im Zentrum des Bildes geht Maria mit dem Jesuskind auf die Betrachter des Bildes zu. Es ist der wichtigste Inhalt des christlichen Glaubens, dass Gott in diesem Jesus als Mensch in die Welt kommt und dadurch göttliches und menschliches Leben miteinander verbindet. Doch wie schwer fällt es mir, dieses Geheimnis der Liebe Gottes zu dem Menschen zu erfassen. Es erscheint stets in dem schiefen Rahmen meiner eigenen Vorstellungen und Begrenzungen. Aber gerade wenn ich mir vor Augen führe, wie begrenzt meine menschlichen Maßstäbe sind, kann ich hoffen, dass das Leben größer ist und mit dem Tod nicht aufhört.

Freier Blick auf das Geheimnis

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Künstler gerade das mit seinem Gemälde ausdrücken wollte. Das Vollkommenste, das man sich vorstellen kann – Gott und Mensch kommen zusammen – das kann in der ganzen Fülle vom Menschen nie erfasst werden. Jede Auseinandersetzung damit bleibt menschlich und erscheint in einem schiefen Rahmen. Aber: der Vorhang ist geöffnet, er gibt den Blick auf das Geheimnis frei.

Auch deshalb ist dieses Bild eine Ermutigung für mich, an der Hoffnung auf das immer Größere, das uns noch erwartet, festzuhalten. Gerade im November, wenn die Liebe zu unseren Verstorbenen die Sehnsucht danach weckt: „Gott wird alle Tränen abwischen und der Tod wird nicht mehr sein.“

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