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Erzbistum Paderborn
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Mein Lieblingslied im Advent: Es kommt ein Schiff geladen

Jede noch so kleine Gemeinde singt dieses Lied kräftig und fehlerlos, ist Dekanatskirchenmusiker Simon Daubhäußer überzeugt und verrät, warum mittendrin der Takt wechselt

Wer das Wort „Schiff“ hört, denkt vielleicht an Meer und Hafen, an stolze Windjammer und immer größere Containerschiffe. Mit den Schlagzeilen dieses Jahres im Hinterkopf stellen sich womöglich Assoziationen von Flüchtlingsbooten, LNG-Terminals und Kornfrachtern, die nicht auslaufen dürfen, ein. Und auch als Metapher für die Kirche steht das Schiff als „Schifflein Petri“, das durch schwere See fährt. Letztendlich schwingen beim Wort „Schiff“ aber immer die beiden Grundbedeutungen mit: Aufbrechen und Ankommen – und damit sind wir thematisch im Advent und bei meinem Lieblingslied: „Es kommt ein Schiff geladen“ (GL 236).

Ein Evergreen

Jede noch so kleine Gottesdienstgemeinde singt dieses Lied unfallfrei und kräftig, selbst während und nach Corona. Dabei stammt dieser Evergreen in seiner heutigen Gestalt aus der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Eine noch ältere Fassung findet sich in einer Sammlung von 1626. Dort heißt es: „Ein vraltes Gesang, So vnter deß Herrn Tauleri“. Mit dem „Herrn Tauleri“ ist der mittelalterliche Mystiker Johannes Tauler gemeint, dessen Textform des Liedes auf das Jahr 1450 zurückgeht. Damals wandelte sich die Konnotation des Wortes „Schiff“:  von den Sprüchen Salomos (31,10.14) „Eine starke Frau, wer wird sie finden? … Sie gleicht dem Schiff eines Kaufmanns, aus der Ferne holt sie ihre Nahrung.“ hin zu den Predigten Johannes Taulers worin das Schiff immer für die Seele und das Gemüt steht.

Für Generationen von Gottesdienstbesuchenden gehört dieses Lied in den Advent. Weil die vierte Strophe aber mit den Worten „Zu Bethlehem geboren…“ beginnt, hat die Gottesdienstkongregation sie im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für das neue Gotteslob in die Weihnachtszeit geschoben. Dort steht es immerhin an erster Stelle. Es stellt nun also eine Gratwanderung zwischen Advent und Weihnachten dar, ähnlich dem Kirchenchor-Klassiker „Übers Gebirg Maria geht“ von Johannes Eccard.

Warum mitten im Lied der Takt wechselt

Als eines von sehr wenigen Kirchenliedern weist es einen Taktwechsel auf und wird damit zur Sollbruchstelle im singenden Vollzug von Organistin und Gemeinde. Die handwerkliche Frage, welcher Notenwert welchem Gegenwert entspricht, scheidet Geister, Singtraditionen und Unterrichte vom C-Kurs bis in die Musikhochschule. Die Aussagekraft der Taktwahl hat aber im Barock eine weitaus höhere Dimension als das „Wie?“ nämlich das „Weshalb und Wofür?“: Entgegen unserem heutigen Taktempfinden, das das geradtaktige, durch zwei teilbare Metrum bevorzugt, empfanden die Musikerinnen und Musiker dieser Zeit den Dreiertakt als ideal, und nannten ihn „tempus perfectum“ (den Zweiertakt entsprechend „tempus imperfectum“).

Das bezog sich nicht zuallererst aufs Walzern und Schunkeln, sondern zahlensymbolisch auf die Dreifaltigkeit (Himmel) und beim Zweier- beziehungsweise Vierertakt auf den Menschen (Erde). Ein (Volks-)Kirchenlied wie „Es kommt ein Schiff geladen“ vermählt also durch seinen Taktwechsel Himmel und Erde, Gott und Menschen. Dem weihnachtlichen Thema folgend kann man noch eine sogenannte „abbildende Figur“ in der Achtelkette der Melodie in der letzten Zeile finden: hier wird das Niedersteigen des Heiligen Geistes zu Maria hin musikalisch erfahrbar.

Auf das Dunkel folgt Licht

Dass es auch für unsere Jüngsten kein zu düsterer Text ist, zeigte sich an meiner ersten hauptamtlichen Stelle in Refrath im Advent 2008, als sich die Fünf- bis Neunjährigen meiner Kinderchorgruppe  zwischen einem Neuen Geistlichen Lied und diesem alten Adventslied entscheiden sollten. Die Wahl fiel einmütig auf „Es kommt ein Schiff geladen“. Sehr zum Missfallen des Kaplans, der argwöhnte, so etwas würden sich Kinder doch nie und nimmer selbst aussuchen. Aber Kinder haben ein untrügliches Gespür für Authentizität – vielleicht mochten sie auch einfach den Wechsel von anfänglich dorisch, einer Kirchentonart ähnlich unserem Moll, hin zu Dur im zweiten Teil, um dann wieder auf dem Ton „d“ mit einem Mollakkord zu schließen. In der Gewissheit, dass traurig und fröhlich, hell und dunkel, Gut und Böse, Licht und Schatten einander bedingen. So wie auch auf das Dunkel des Advents das Strahlen von Weihnachten folgt.

 

Simon Daubhäußer, Dekanatskirchenmusiker, Dortmund

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