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Erzbistum Paderborn
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© Tobias Schulte / Erzbistum Paderborn

Glauben: den Finger in die Wunde legen

Am Fest des Hl. Thomas begegnet Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz Menschen im Dekanat Hellweg

Den Finger in die Wunde legen. Das ist schmerzhaft, das tut weh. Zumindest, wenn man die übliche Redewendung versteht. Den Finger in die Wunde zu legen, kann aber auch dabei helfen, zu glauben. Das zeigt das Fest des Heiligen Thomas, am 3. Juli. In diesem Jahr auch der Tag, an dem Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz das Dekanat Hellweg besucht hat.

Bei der 13. von insgesamt 19 Dekanatsreisen begegnet der Erzbischof haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in Hamm und Soest. Sie sprechen darüber gesprochen, was Kirche in Zukunft braucht. Erzählen, welche Entwicklungen schmerzen. Schauen darauf, was den Glauben stärkt. Sie legen den Finger in die Wunde.

Hamm ist größer als Paderborn?

Es ist ungewöhnlich kühl an diesem Mittwochmorgen Anfang Juli in Hamm. Erzbischof Bentz kommt gegen 10:15 Uhr an der Kirche St. Agnes an.

Hier beginnt die Reise durch das Dekanat Hellweg. Bentz öffnet die Tür des Pfarrheims St. Agnes. Ihn begrüßt das Team des Dekanats rund um Dechant Dietmar Röttger und Dekanatsreferentin Michaela Labudda.

Die beiden stellen das Dekanat vor. Erzbischof Bentz wundert sich, dass Hamm mit 180.000 Einwohnern größer als Paderborn ist. Er staunt, wie nah Dorf und Großstadt hier in Westfalen zusammenliegen. Er erfährt, dass es im Lippetal eine einzigartige Kooperation gibt: die Pfarrei Jesus Christus, die Orte des Erzbistums Paderborn und Bistums Münster verbindet.

Franziskusquartier Hamm: Nächstenliebe Tür an Tür leben

© Tobias Schulte / Erzbistum Paderborn
Pfarrer Bernd Mönkebüscher spricht über das Baptisterium in St. Agnes Hamm.

Dann heißt es zum ersten Mal: den Finger in die Wunde legen. Zum Dekanatsteam kommt das Team des Franziskusquartiers Hamm hinzu. Eine Initiative, gestartet im Frühjahr 2023, die einen Schmerz aufgreift: dass kirchliche Player immer weniger relevant werden und religiöse Sozialisation abnimmt. Ein Team, das an eine gemeinsame Idee glaubt: Nächstenliebe durch soziales Engagement und Spiritualität.

Weil hier, in der Franziskusstraße, Kirche, Caritas, erzbischöfliche Schulen und der Stadtverband des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Tür an Tür liegen und im direkten Umfeld einen katholische Kindertagesstätte und ein Seniorenheim liegen, arbeiten sie mit dem Franziskusquartier jetzt enger zusammen.

Der BDKJ gestaltet eine Übermittagsbetreuung in der Marienschule. Schule und Caritas kooperieren bei Praktikumstellen. Schulklassen engagieren sich in der Essensausgabe für Bedürftige in der Franziskusküche. Die Kinder aus der Kita sollen künftig zwei Mal im Monat den Seniorinnen und Senioren von nebenan begegnen können.

Das Franziskusquartier wird auch geprägt von der Kirche St. Agnes. Hell, warm und offen ist die Atmosphäre. Der Altar ist mitten im Raum. Stühle versammeln sich ringsherum. „Ein faszinierender Kirchenraum“, sagt Erzbischof Bentz.

Dann lässt er einen einzigartigen Ort in der Kirche auf sich wirken – das Baptisterium. Wer sich taufen lässt, geht vom Westen in das Taufbecken hinein, wird untergetaucht und geht im Osten wieder hoch. „Ein tolles Bild für die Taufe. Das alte Leben wird abgewaschen und man geht hinein in das neue Leben mit Christus.“

Dekanatspastoralkonferenz vier unter 40

Von Hamm nach Soest. Erzbischof Bentz lernt die Stadt und ihre Geschichte bei einer Stadtführung kennen. Stichwort: Soester Fehde (1444-1449), Allerheiligenkirmes, Wippen im Großen Teich und Westfälisches Abendmahl. Dann erwarten ihn die hauptamtlichen Mitarbeitenden aus den sieben Pastoralteams des Dekanats. Zu Beginn etwas zur Auflockerung: Alle sollen aufstehen, auf die eine Aussage zutrifft. Wer ist Gemeindereferentin? Wer Priester? Wer wollte schon mal Bischof werden?

Und dann kommt eine Frage, die Erzbischof Bentz im Gedächtnis bleibt: Wer ist unter 40 Jahren? Vier Mitarbeitende stehen auf. Vier. „Da wird offenkundig, auf welche Veränderung wir in den nächsten Jahren zugehen“, kommentiert Erzbischof Bentz.

Dann stellen die Mitarbeitenden sich und ihre Arbeit vor. Sagen, wo der Schuh drückt. Präsentieren innovative Projekte.Gut anderthalb Stunden hört Erzbischof Bentz zu. Schreibt seitenweise Notizen. Dann geht er selbst zum Mikro.

Er sagt: „Zugegeben: Mir brummt der Kopf“. Alle lachen. „Ich habe mir aufgeschrieben, wie sehr hier Grundseelsorge und besondere Vollzüge, die ästhetisch komplett vielfältig sind, in diesem Dekanat zusammenkommen“, sagt Erzbischof Bentz. Auch er legt den Finger in die Wunde.

Er sagt: „Pluralität bereichert Kirche, weil auch die Gesellschaft plural ist. Aber es ist auch sehr anspruchsvoll, dass man Pluralität nicht nebeneinanderher lebt. Dass man sich nicht gegenseitig in Ruhe lässt, sondern gemeinsam ringt.“

Heilige Messe „Nur wer zweifelt, glaubt“

Gemeinsam ist ein gutes Stichwort. Mit Hunderten Gläubigen feiern Erzbischof Bentz und die Hauptamtlichen dann die Heilige Messe. Am Tag des Heiligen Thomas. Dem Jünger, der den anderen nicht einfach abkauft, dass Jesus auferstanden ist. Der den Finger in die Wunde Jesu legen will, um zu glauben. Der zeigt: „Nur wer zweifelt, glaubt wirklich“, wie Erzbischof Bentz sagt.

Der Erzbischof predigt, dass er drei Dinge von Thomas lerne: Erstens, nicht zu glatt von Gott zu erzählen. Zu schnell und genau zu wissen, welcher Weg der richtige ist. Er sagt: „Thomas ist unbequem. Er hat den Mut, sein Ringen, seine Fragen, seine Ambivalenzen mitzuteilen.“

Zweitens zeige Thomas, dass sich Jesus nicht abseits der Anderen entdecken lässt. Der Auferstandene begegnet ihm, als er bei den anderen Jüngern ist. „Jesus zeigt uns gerade den Weg, wenn wir zusammenbleiben“, sagt Bentz.

Drittens sei an der Szene bemerkenswert, dass Jesus durch die verschlossene Tür zu den Jüngern kommt. „Er kommt durch die verschlossenen Türen von Kirchen, Gemeinden und Menschen, die sich abschotten, die keinen Mut haben“, sagt Bentz. „Und Jesus sagt: Trau dich. Trau dich, zu glauben. Leg deinen Finger in meine Wunden und spüre: Ich bin da. Meine Wunden sind deine Wunden und deine Wunden sind meine Wunden. Geh mit mir durch Dunkelheiten und Ängste. Sei gläubig.“

Schmerz und Hoffnung der Engagierten

Eine Predigt, die sitzt. Als Erzbischof Bentz vom Ambo zum Priestersitz geht, erfüllt eine beeindruckende Stille den Raum. Einige setzen an, zu applaudieren. Sie lassen es, weil sie spüren, dass diese Stille Respekt und Anerkennung am besten transportiert. Die andächtige Stimmung der Heiligen Messen geht dann über in das lockere Treiben eines Grillfestes mit Haupt- und Ehrenamtlichen.

Bei Bratwurst und Bier im Kreuzgang des Soester Doms. Zum Abschluss des Tages gehen alle hinauf in den Patroklussaal zu einer Podiumsdiskussion. Auch hier wird der Finger in die Wunde gelegt. Auch hier kommen Schmerz und Glaube zusammen.

Schmerz, wenn Bedürfnisse und Realität in Kirche nicht zusammenpassen. Da sagt Riccarda Hemshorn aus Hamm, dass junge Menschen am besten fußläufig einen Gruppenraum erreichen sollten – und Lutz Langschmidt aus Werl erzählt, dass klar sei, dass von den acht kirchlichen Immobilien in der Stadt Werl die meisten in Zukunft nicht frequentiert und nicht finanziert werden können.

Da sagt Jutta Ebbert, wie sie bei Kirche am See erlebt, wie sehr Ehrenamtliche darauf angewiesen sind, dass Hauptamtliche sie unterstützen und befähigen – und Erzbischof Bentz erinnert daran, wie viele hauptamtliche Mitarbeitende unter 40 im Raum sind: vier.

Was uns reichmacht

Doch da ist auch die Hoffnung, durch den Finger in der Wunde. Hoffnung, weil offensichtlich ist, wie viele besondere Menschen sich im Dekanat Hellweg engagieren. Weil Kirche lernt, anders zu denken.

Zum Beispiel, als Erzbischof Bentz sagt: „Mal ungeschützt formuliert, wäre es mit Blick auf die Immobilienstrategie ja eigentlich richtig, wenn wir bei jedem Konzept sagen: Wir reden nur darüber, wenn wir die Stimme der Jugend dazu gehört haben.“

Dann schlägt der Erzbischof vor, eine Rubrik aus der Wochenzeitung DIE ZEIT für Pfarrbriefe, Predigten und kirchliche Homepages aufzugreifen: Was mein Leben reicher macht.

Bentz sagt: „Wir täten gut daran, öfter darüber nachzudenken und zu reden, was unser Leben und unsere Kirche reichmacht. Denn mit welcher Haltung ich an die Dinge herangehe, das entscheide ich immer noch selbst.“

Ein Beitrag von:
Redakteur

Tobias Schulte

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