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Drei Kirchenlehrer und was sie uns heute zu sagen hätten

Augustinus, Thomas von Aquin und Karl Rahner – Leuchttürme der Theologie

Als erstes stand der Arbeitstitel: „Drei Kirchenlehrer – und was sie uns heute zu sagen hätten“. Wie das so ist mit Arbeitstiteln – sie halten sich länger, als man denkt. Manchmal sogar bis zum Endprodukt. Die Idee war, im Themenspecial „Kirche und Lernen“ auch auf den Schatz zu blicken, der in zwei Jahrtausenden christlicher Theologie steckt.

Dann galt es, einen geeigneten Gesprächspartner für das Thema zu finden. Anfrage bei Msgr. Dr. Michael Menke-Peitzmeyer, Regens des Priesterseminars. Zusage. Es folgte ein intensives Interview durch den Dschungel der Theologie. Anderthalb Stunden lang.

Drei Epochen, drei Fragen, drei Botschaften

Menke-Peitzmeyer erklärte, dass Kirchenväter beziehungsweise Kirchenlehrer prägende Figuren in Theologie und Kirche seien. Leuchttürme. Er schlug drei Kirchenlehrer für diesen Text vor: Augustinus, Thomas von Aquin und Karl Rahner. Drei Männer, die für drei Epochen stehen. Für drei große Fragen, zu denen sie gearbeitet haben und damit auch drei Botschaften für die heutige Zeit.

Die Notizen des Interviews gingen in die Tiefe, waren umfangreich. Zu umfangreich. Was bleibt, ist der Versuch, das Werk der Kirchenlehrer so stark zu reduzieren, dass es fast wehtut, um dem Titel des Artikels gerecht zu werden: zu zeigen, was die drei Kirchenlehrer uns heute zu sagen hätten.

Augustinus (354 – 430)

Beginnen wir im 4. Jahrhundert im heutigen Algerien. Damals stellte sich Augustinus eine einschneidende Frage: Ist der Mensch fähig, von sich aus gut zu handeln? Eine Frage, die durchaus mit Aktualität glänzt. Zum Beispiel wenn es darum geht, wie es der Menschheit gelingt, ein neuartiges Virus in den Griff zu bekommen. Oder den Kollaps des Klimas zu verhindern.

Diese Krisen hatte Augustinus damals nicht vor Augen. Vielmehr sein eigenes Leben. „Augustinus ist eine schillernde Figur“, sagt Menke-Peitzmeyer. „Er war vor seiner Lebenswende kein Kind von Traurigkeit, hat so ziemlich alles in seinem Leben durchgemacht“. Doch wenn sein Leben mit Frauengeschichten und Partys weitergegangen wäre, dann würde er an dieser Stelle nicht erwähnt werden. Augustinus erlebte eine Art Erleuchtung und krempelte daraufhin sein Leben um, wurde Christ, dann Priester und schließlich sogar Bischof – und verstand diese Lebenswende als Geschenk Gottes, theologisch gesprochen als Gnade.

Mit Blick auf die Bibel und auf sein früheres Leben entwickelte Augustinus die Lehre der Erbsünde: Sie wurzelt in der Ursünde von Adam und Eva, die im Paradies eine rote Linie im Verhältnis zu Gott übertreten haben. Ihre Anmaßung wird gewissermaßen auf alle Menschen übertragen. Sie sind alle vom Virus der Sünde befallen und können ihn nicht besiegen. Darin eingewickelt war der Gedanke, dass der Mensch aus sich heraus nichts Gutes tun kann. Dafür braucht es die Gnade Gottes. Ohne die Gnade Gottes geht nichts, kommt der Mensch nicht mal ansatzweise zu guten Taten.

Eine Aussage mit einem „zu negativen Zungenschlag“, wie Menke-Peitzmeyer kommentiert. „Heute würden wir eher sagen, dass wir Menschen Geschöpfe Gottes sind: alles in allem gut, aber mit Fehlern und Grenzen. Nobody’s perfect. Doch das Christsein führt den Menschen zu seinen größeren Möglichkeiten. Gott kann dabei helfen, das Schlechte in uns zu bekämpfen und das Gute zu fördern.“ Augustinus selbst stellte sich in seiner berühmten Autobiographie, den „Bekenntnissen“, unverblümt seinen Schwächen und Fehlern – und bekannte gleichzeitig aus purer Überzeugung seinen Glauben an Gott.

Zum Abschluss des Themenblocks über Augustinus stellt sich Menke-Peitzmeyer noch der Frage: Was würde uns der Kirchenvater heute sagen?

Die Antwort: „Schau ehrlich in deine Lebensgeschichte: auf das, was gewesen ist, was ist, worauf sich deine Sehnsucht richtet. Vertrau darauf, dass du mit Gottes Hilfe einen Leseschlüssel für das Verständnis deines Lebens hast – im Positiven wie im Negativen. Und vertrau auf Gottes Gnade und Hilfe, um orientiert am Evangelium einen guten Weg durchs Leben gehen zu können.“

Thomas von Aquin (1225 – 1274)

Fast 800 Jahre weiter, nach Italien, zu Thomas von Aquin. Menke-Peitzmeyer bezeichnet Thomas von Aquin als einen „universalgebildeten Dominikanermönch“. Man könnte auch sagen: Er war einer der klügsten Köpfe seiner Zeit, des Mittelalters. Wenn nicht der klügste Kopf. Und mit diesem Kopf durchdrang er auch den Glauben, der ja oft auch Sache des Herzens oder des Bauchs ist.

Thomas von Aquin stellte sich die Frage: Ist es plausibel, ja sogar vernünftig, an Gott zu glauben? Seine Antwort: ein klares Ja! Um das zu belegen, erarbeitete der Ordensmann fünf Denkmuster, die auch als „fünf Wege zu Gott“ bekannt sind. Einer dieser Wege ließe sich ganz verkürzt so darstellen: Weil in der Welt jede Wirkung eine Ursache voraussetzt und die Reihe der Ursachen nicht bis ins Unendliche zurückgehen kann, muss es etwas geben, das vor allem da war. Etwas, das durch nichts andere geschaffen wurde und durch nichts begrenzt wird. Etwas, das absolut ist: Gott.

Menke-Peitzmeyer sagt: „Thomas von Aquin zeigt mir, dass die Welt ohne so etwas wie Gott nicht schlüssig wäre – auch wenn innerweltlich längst nicht alles passt. Es ist ja nicht so, dass alles in der Welt schlüssig erscheint oder Sinn macht.“

Und noch etwas lernt Menke-Peitzmeyer von Thomas von Aquin: das Wissen der jeweiligen Zeit zu nutzen, um den Glauben plausibel zu machen. „So wie Thomas von Aquin die wissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit genutzt hat, zum Beispiel die griechische Philosophie eines Aristoteles, können wir lernen, uns Gott heute mit der Sprache und den Denkmustern unserer Zeit zu nähern und das Evangelium auf der Höhe der Zeit zu vermitteln“, sagt Menke-Peitzmeyer.

Beim Stichwort „Höhe der Zeit“ fällt im Gespräch auch das Thema Corona. „Wenn die Pandemie etwas mit Gott zu tun hat“, sagt der Theologe, „dann um darüber nachzudenken, wie und in welcher Taktung wir die vergangenen Jahre gelebt haben. Wir lernen jetzt, dass wir durch Videokonferenzen unendlich viele Flugkilometer sparen – oder erfahren, was in Zeiten der Krise Freundschaft auch ohne persönliche Begegnung bedeutet.“

Karl Rahner (1904 – 1984)

Die gedankliche Reise zu den drei Kirchenvätern endet im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Karl Rahner, ein Jesuitenpater und Professor, ist von der Frage fasziniert: Wie kann ich Gott im ganz und gar unspektakulären Alltag suchen und finden? Deshalb die Frage an Menke-Peitzmeyer: „Wenn Karl Rahner dieses Interview beobachten würde, würde er Gott entdecken – und, wenn ja, wo?“

Der Regens antwortet: „Karl Rahner würde sagen: In einer gelungenen Kommunikation zeigt sich zwischen den Zeilen die Präsenz Gottes, der am Anfang unserer Wege steht, der unsere Lebenswege mitgeht, der uns in jeder Lebenslange beisteht und mit seiner Hilfe dafür sorgt, dass die Dinge sich gut entwickeln und gut ausgehen.“

Menke-Peitzmeyer gibt zu, dass er in seiner Studienzeit selbst durch die Jesuiten geprägt wurde und geradezu auf die Schule der Jesuiten abfahre. Dann sagt er: „Gott ist nicht nur im Festhochamt mit Weihrauch da – nach dem Motto: Je mehr Weihrauch, desto gegenwärtiger. Karl Rahner würde sagen: Wichtig ist, dass Du im Alltag, wenn Du Dich morgens um 8 Uhr an den Schreibtisch setzt oder einen anderen Job machst, den Sinn darin erkennst, warum Du das tust. Darin und in der Art, wie ich meinen Alltag lebe, entscheidet sich für Rahner, ob jemand an Gott glaubt oder nicht“.

Der oftmals ganz banale Alltag als Ort, an dem sich der Glaube bewährt. „Darin“, sagt Menke-Peitzmeyer, „steckt die tiefe Überzeugung, dass Gott in allem gegenwärtig ist. Gott ist in allen Streckenabschnitten des Lebens da. Auch, wenn ich einen Umweg nehme oder Serpentinen fahre. Und: Ich kann mich im Gebet immer an Gott wenden – ob ich nun hier sitze, in der Kirche knie oder im Wald spazieren gehe“.

Für den Jesuitenpater Karl Rahner war die Gewissenserforschung ein fester Bestandteil des Alltags. Morgens, mittags und abends suchte er die Stille, blickte auf den Tag zurück und versuchte dadurch, Gottes Spuren im Alltäglichen zu entdecken. Eine Methode, die auch heute noch helfen kann. Menke-Peitzmeyer sagt: „Wenn ich im abendlichen Gebet den Tag reflektiere, dann kann ich als glaubender Mensch darauf vertrauen, dass durch das, was ich reflektiere und was an Stimmungen und Gefühlen in mir hochkommt, Gott zu mir spricht.“

Nun lässt sich nicht sofort unterscheiden, welcher Teil der inneren Stimme von Gott und welcher von mir selbst kommt. Zunächst muss die Gewissenserforschung eingeübt werden. Dann hilft die Unterscheidung der Geister von Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens (1491-1556), dem Karl Rahner angehörte. Ignatius fragte sich: Welche Stimme gehört zu Gott und führt mich zu ihm, und welche Stimme ist ein Hirngespinst und führt mich von ihm weg?

„So viel ist klar“, sagt Menke-Peitzmeyer, „es lohnt sich, auf die innere Stimme zu hören – denn sie könnte die Stimme sein, durch die Gott heute zu mir spricht.“

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