„Die Andacht beym Heiligen Creutz hier zu Delbrück auf Charfreytag nimmt von Jahr zu Jahr ab, und die Fremden kommen sparsam.“ Sprachlich heute etwas gewöhnungsbedürftig, aber die Botschaft ist klar: Es kommen immer weniger Menschen zur Kreuztracht nach Delbrück und eine uralte Tradition droht zu verschwinden. Das schreiben 1794 einige Delbrücker Bürger an Fürstbischof Franz Egon von Fürstenberg. Die Prozession ist ihnen wichtig, sie wollen sie erhalten – und wissen auch schon genau, wie das klappen kann: Sie soll wieder wie „im vorigen Stand“ durchgeführt werden. Was meinen sie damit?
Heiliges Theater
Pauken, Posaunen und viel Schauspiel – eben eine Prozession in barockem Stil. Der katholische Barock ist die Antwort der Kirche auf die Reformation. Und sorgt nicht nur für Zwiebelhauben auf Kirchtürmen und Altargemälde von Peter Paul Rubens, sondern auch für eine besondere Frömmigkeit. Anknüpfend an spätmittelalterliche Formen werden Heiligenverehrung und Prozessionen wiederbelebt und mit viel Pomp und Theatralik ausgestattet. Überschwänglich und alle Sinne anregend – die barocke Frömmigkeit hatte insbesondere das einfache Kirchenvolk im Blick. Man sollte Glauben erfahren können – auch ohne des Lesens und Schreibens mächtig zu sein.
So auch in Delbrück: Die Bürger berichten, dass es früher sogenannte lebende Bilder gegeben habe. Das waren Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu, ähnlich den Passionsspielen in Oberammergau. Die wurden von Laienschauspielern am Wegesrand der Kreuzprozession aufgeführt. Laut dem Schreiben ein Publikumsmagnet. Und eine Tradition mit bischöflichem Okay: Die Delbrücker legen ihrem Brief noch ein Dokument aus dem Pfarrarchiv bei. Eine Verordnung von Ferdinand von Fürstenberg, Franz Egons Urgroßonkel, in der die Kreuztracht 1674 ausdrücklich in barocker Form gutgeheißen wird.