Pax vobis! – Friede Euch! Das ist das Libori-Motto 2023 für die kirchlichen Feierlichkeiten des Festes. Dompropst Joachim Göbel erklärt im Interview, was hinter dem Motto steckt und was die Friedensbotschaft des Libori-Festes ist.

Pax vobis! – Das bedeutet das Libori-Motto 2023

Herr Dompropst, das Libori-Motto 2023 lautet „Pax vobis!“. Was bedeutet das?
Mit den Worten „Pax vobis!“, also „Friede Euch!“, begrüßt Jesus nach seiner Auferstehung die Jünger. Daraus hat sich der Gruß des Bischofs an die Gemeinde „Pax vobiscum“, „Der Friede sei mit Euch“ entwickelt, den wir aus der Liturgie kennen. Die biblische Version ist kürzer und klarer.
Wie kam es, dass der Gruß Jesu zum Libori-Motto 2023 wurde?
Hintergrund ist die Situation des Unfriedens in der Welt. Da ist natürlich der Krieg in der Ukraine, aber auch die vielen anderen Kriege, die oft so weit von uns entfernt sind, dass wir sie kaum wahrnehmen.
Was ist Frieden aus christlicher Perspektive?
Wenn man in der Ukraine jetzt sofort alle Kriegshandlungen beenden und den Ist-Zustand einfrieren würde, dann würden die Ukrainerinnen und Ukrainer zu Recht sagen: Das ist für uns kein Friede. Denn weite Teile des Landes, die den Menschen der Ukraine gehören, wären weiter von Russland besetzt. Deshalb ist Frieden aus christlicher Sicht nicht nur die Abwesenheit von Krieg.

Themenseite Libori 2023
„Pax vobis! – Friede Euch!“ Das ist das Libori-Motto 2023, mit dem das Erzbistum Paderborn zum Fest seines Patrons einlädt. Das Libori-Fest vereint Kirche, Kirmes und Kultur zu einem einzigartigen Erlebnis. Auf unserer Themenseite finden Sie alle Informationen zu den kirchlichen Feierlichkeiten und dem lebendigen Rahmenprogramm des Festes.
Sondern?
Die Kirche betont immer wieder: Es gibt keinen wahren Frieden ohne Gerechtigkeit. Die Pax romana wird als eine Zeit des Friedens im Römischen Reich beschrieben, aber sie war ein Unterdrückungsfriede. Die eroberten Völker waren den Römern nicht gleichgestellt und nicht nur an den Grenzen musste die Lage mit Waffengewalt ruhig gehalten werden. Wenn aber Frieden und Gerechtigkeit zusammengehen – also nicht jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine zukommt – dann werden am Ende alle damit leben können, zufrieden und willens sein, diesen Frieden auch stabil zu halten.
Was ist die Friedensbotschaft des Libori-Festes?
Die allgemeine Friedensbotschaft des Liborifestes ist in seiner Geschichte verankert. Zwischen Frankreich und Deutschland gab es jahrhundertelang kleinere und größere Kriege, Auseinandersetzungen, Vorurteile. Aber die Verbindung zwischen Le Mans und Paderborn hat immer gehalten. Im Jahr 1936 hatten die Nazis in Paderborn schon viel Einfluss – trotzdem hat das Domkapitel darauf bestanden, dass zum großen Libori-Jubiläum das französische Domkapitel, der Bischof von Le Mans und eine große Menge Französinnen und Franzosen eingeladen werden. Und so ist es auch gekommen, gegen allen Widerstand. Man hat sich über Feindschaften hinweggesetzt und sich über den heiligen Liborius miteinander verbunden.
Und dieses verbindende Element von Libori wirkt bis heute?
Wir wollen das Fest nutzen, um weiter auf den Krieg in der Ukraine aufmerksam zu machen. Wir dürfen feiern, auch wenn nebenan Krieg ist. Aber wir dürfen die, die diesen Krieg aushalten müssen, nicht vergessen. Zwei ukrainische Bischöfe sind während Libori zu Gast in Paderborn. Am 21. Juli, dem Abend der Gesichter der Weltkirche, werden sie aus ihrer Heimat erzählen. Ein polnischer Künstler schreibt Ikonen auf die Deckel von Munitionskisten von der ukrainischen Front – während Libori stellt er sie in Paderborn aus. Und mir ist es ein großes Anliegen, dass die hier lebenden Ukrainerinnen und Ukrainer sich auf ihre Weise in das Fest einbringen können.

Auch im Kontext unseres Zusammenlebens in diesem Land wird in letzter Zeit von einem bedrohten Frieden gesprochen. Wie steht es um den gesellschaftlichen Frieden?
Wir beobachten, dass unser Umgang gewaltvoller wird. Das fängt bei der aggressiven Sprache an, die mittlerweile salonfähig geworden ist, und geht bis hin zu roher Gewalt. Das spielt sich auf unseren Schulhöfen ab, genauso wie in der Politik. Es ist immer einfacher, die eigene Position dadurch abzusichern, indem man die Positionen anderer ins Unrecht setzt. So werden wir zu Gegnern – und vergessen dabei, was uns eint: Wir sind alle Menschen, wir haben alle Bedürfnisse, Sehnsüchte und Wünsche.
Woran mag diese Verrohung liegen?
Als Gesellschaft stricken wir seit Jahrhunderten an Regeln und Konventionen, die helfen sollen, mit versteckten Aggressionen und mit den immer untergründig vorhandenen Egoismen in einer guten Weise umzugehen. Derzeit sind Gesellschaft und auch die Kirche unter hohen Stress gesetzt. Die vielen äußeren oder inneren Stressfaktoren sorgen dafür, dass die Menschen zu sehr damit beschäftigt sind, ihr eigenes Leben irgendwie in Ordnung zu halten. Sie sehen sich selbst an erster Stelle.
Welche Folgen hat das?
Wir nehmen keine Rücksicht mehr aufeinander. Aus unserem Umgang droht jede Höflichkeit und auch jede Eleganz zu verschwinden. In meinen Augen verhindert dieser Stress, dass man offen ist für geduldige, ausführliche, manchmal anstrengende Diskussionen und Gespräche. Auch das Bemühen aufeinander zuzugehen und die Suche nach Kompromissen leiden darunter. Aber genau das brauchen wir als Gesellschaft. Wir müssen das wieder lernen. Und das Libori-Fest bietet uns eine Möglichkeit dazu.
Was ist Ihnen beim diesjährigen Libori-Fest wichtig?
Mir ist wichtig, den Kern des Festes herauszustellen: die Verehrung Gottes und des heiligen Liborius. Wenn wir die Libori-Verehrung aus dem Fest herausoperieren, bleiben noch Riesenrad und Bierbude und Wurststand – das kann auch noch ganz schön sein, aber das ist dann so wie an hundert anderen Orten auch. Dann haben wir unser eigentliches Fest verloren. Wir müssen uns klarmachen, was wir hier eigentlich feiern. Zumal der religiöse Kern unseres Libori-Festes eine große Rolle spielt: Das Miteinander-Feiern, wie wir es zum Fest des heiligen Liborius tun, bringt Menschen dazu, aufeinander zuzugehen, einander kennenzulernen, Vorurteile abzubauen und durch das gemeinsame Feiern sich tatsächlich näherzukommen. Dieser kleine Frieden ist die Voraussetzung für den großen Frieden.