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Erzbistum Paderborn
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In Lourdes zu Maria und zum Glauben finden

Themenspecial Maria: Über das spirituelle Unterwegssein zur Muttergottes und zu ihrem Sohn

Lourdes ist einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der Welt. Das südfranzösische Städtchen zählt von allen französischen Orten nach der Weltstadt Paris die meisten Übernachtungen. In Lourdes soll die Gottesmutter 1858 dem damals 14-jährigen Hirtenmädchen Bernadette Soubirous 18 Mal erschienen sein. Allein bei der traditionellen Osterwallfahrt der Malteser im Erzbistum Paderborn machten sich in den Jahren vor Corona ein Sonderzug, mehrere Busse und ein Flugzeug auf den Weg. Im Juli 2022 wird nach zwei Jahren pandemiebedingter Zwangspause erstmals wieder ein Flugzeug abheben.

Was aber bedeutet den Menschen diese Pilgerreise? Warum nehmen so viele Menschen auf ihrem Weg zu Gott den Weg über Maria? Welche Verbindung haben die Menschen zur Gottesmutter? Wir sprachen mit einem Ehrenamtlichen aus dem Orgateam, einem Wallfahrtsseelsorger und einer Teilnehmerin über äußere und innere Reisen zu Maria.

Der Organisator und seine Gotteserfahrung beim „Grötteln“

Thomas Ohm, 52, ist Stadtbeauftragter der Gliederung Dortmund des Malteser Hilfsdienst e.V. und ehrenamtlicher Beauftragter des Lourdes-Pilgerdiensts in der Erzdiözese Paderborn

Eigentlich bin ich Protestant, habe aber schon vor fast 30 Jahren als Sanitäter bei Wallfahrten geholfen. So bin ich zu den Maltesern gekommen und zum Katholizismus, zu dem ich 2007 übergetreten bin. Schon kurz darauf durfte ich beim Maltester Hilfsdienst eine ehrenamtliche Leitungsfunktion übernehmen.

Das war just zu der Zeit, als der Familienbund der Erzdiözese die von ihm organisierte Lourdes-Wallfahrt aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr stemmen konnte. Also wurden wir Malteser als Ersatz angefragt. Der Malteserorden hat sich schon in der Zeit vor den Kreuzzügen um das Wohlergehen der Pilger gekümmert. Also haben wir in einer sehr kurzen Telefonkonferenz die Aufgabe übernommen. Für mich war das mein erstes Wunder von Lourdes.

Das alte Team und das neue Team wurden unglaublich schnell darüber einig, wie der Übergang aussehen muss, damit diese Wallfahrt weiterhin organisiert werden kann. Das ist ein Großprojekt. Es geht um 800 bis 1.000 Teilnehmende, von kerngesunden Pilgernden bis zu beatmungspflichtigen, gerade noch transportfähigen Menschen. Bei allen organisatorischen Dingen schimmert überall der Einfluss von Maria durch.

Mein zweites Wunder ist persönlicher Natur. Wir saßen spätnachts in Lourdes als Orgateam zusammen und ich hörte, wie Walter Müller, einer der Co-Organisatoren, mit ein paar Jugendlichen sprach. Er fragte sie: „Wollen wir noch Grötteln gehen?“

Eine halbe Stunde mit Maria

Ich hab mich der Gruppe angeschlossen. Nach meiner Erinnerung habe ich mich den anderen fast ein bisschen aufgedrängt und auf dem Weg zur Grotte alle gelöchert, was ich dort machen soll, welche Regeln es gibt, welche Gebete man spricht und so weiter. Bis Walter Müller gemeint hat: „Guck einfach, was die anderen machen, und dann machst du das, was du willst.“

Das Schöne an Lourdes ist, dass bei all dem Verkauf ringsherum und aller Kommerzialisierung der Heilige Bezirk bei Tag und Nacht offen steht und alle Pilgernden die Möglichkeit haben, Lourdes auf die eigene Weise zu erleben. Es gibt tagsüber bei den Messen große Gemeinschaftserlebnisse, es gibt aber auch die Möglichkeit, allein mit sich zu sein.

Da stand ich also, punktgenau an der Stelle, an der die heilige Bernadette die Marienerscheinungen erlebte. Eine halbe Stunde später fand ich mich auf meinen Knien wieder. Was in dieser halben Stunde mit mir passiert ist, gehört nur mir. Wer in Lourdes unbedingt Wunder der Heilung oder Wunder der Offenbarung erwartet, sollte lieber zu Hause bleiben. Aber ich sage auch, dass an diesem Ort Dinge möglich sind.

Ich sehe mich als einen modernen Christen. Für mich findet mein Glaube überall statt, nicht ausschließlich in der Kirche. Maria ist für mich ein Mensch ohne Fehler. Sie hat Gott auf die Welt gebracht und ihr ganzes Leben in den Dienst Gottes gestellt. Ich bete gern zu Maria.

Der Seelsorger, der von Maria das Lieben lernt

Norbert Scheckel, 52, ist Pastor in Geseke und Wallfahrtsseelsorger der Malteser in der Erzdiözese Paderborn

Ich war 14 Jahre Jugendseelsorger bei den Maltesern. Die Wallfahrt nach Lourdes als Teil der Firmvorbereitung ist bei den Jugendlichen sehr beliebt. Wer nicht mitfährt, muss etwas anderes, vermeintlich schwierigeres machen. Die Jugendlichen wissen in der Regel sehr wenig über den Glauben.

Anfangs hat die Jugendwallfahrt ausgelassene Klassenfahrt-Atmosphäre. Aber Wallfahrt ist dann doch etwas anderes. Da kommt einiges zusammen: die weite Reise, der wenige Schlaf, die Gespräche, das Getrenntsein von der Familie, oft zum ersten Mal, die Gottesdienste. Das ist anstrengend. Speziell beim nächtlichen Kreuzweg und beim Segnungsgottesdienst am Abschlussabend erleben die jungen Menschen oft etwas, das sie schwer in Worte fassen können, weil es ein emotionaler Zugang zu Gott und zum Glauben ist. Maria rührt in den Menschen etwas an.

Mitunter ist das, was die Menschen, auch die Älteren, von ihren Wallfahrtserlebnissen berichten, theologisch nicht hundertprozentig richtig. Aber kommt es wirklich darauf an, was wir als Theologen von Maria erzählen? Da muss man auch mal fünf gerade sein lassen. Kein Marienort ist von Theologen gegründet worden, Marienverehrung kommt von unten. Wenn Beziehung und Bindung und Glaube entstehen, ist es gut.

Geh zu meinem Sohn

Mein eigener Zugang zu Maria? Als Theologe reflektiere ich die Marienfigur theologisch, etwa dadurch, dass zur Menschwerdung Gottes die Mutter gehört. Das ist ein verstandesmäßiger Schluss, das ist Logik. Aber Maria ist mehr. Sie ist der Ausdruck von Liebe. In ihrer menschlichen Liebe spiegelt sich die göttliche Liebe wider. Wie sie sich zu ihrem Sohn verhält, mit welcher Zärtlichkeit sie ihn auf der Passion begleitet, geht über das verstandesmäßig Greifbare hinaus. Ohne Maria wäre unser Glaube nicht ganz, denke ich, er wäre ein Stück weit mechanistisch. Wer liebt, hat Gott erkannt. Die Liebe können wir von Maria lernen.

Lourdes ist ein Ort, der mich besonders anspricht. Bei meiner ersten Lourdes-Fahrt, noch vor meiner Zeit als Jugendseelsorger bei den Maltesern, hatte ich mein eigenes Marien-Erlebnis. Während einer Messe stand ich und wartete auf die Kommunion. Dabei hatte ich die Marienfigur im Blick und ich spürte plötzlich den Gedanken: Geh zu meinem Sohn. Trotz dieses Erlebnisses würde mich nicht als besonders marienfromm bezeichnen. Die Marienverehrung ist einfach Teil meiner Spiritualität.

Die Pilgerin, der Muttergottes so nah

Gerlinde S. ist 78 Jahre alt. Zweimal pilgerte sie in ihrem Leben nach Lourdes. Die beiden Reisen 2014 und 2015 waren Höhepunkte ihres Lebens – eines schweren Lebens, über das sie offen spricht und das sie trotz der Erschwernisse als gelungen betrachtet. Warnhinweis: Vergewaltigung, sexueller Missbrauch durch den Vater. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ist Gerlinde S. nicht der richtige Name der Frau, auch die anderen Namen wurden geändert.

Welche Mutter war Maria? Diese Frage habe ich mir schon öfter gestellt. Wir sind beide Mütter, die einen Sohn verloren haben. 1962 gebar ich einen Sohn, Martin. Meine Schwangerschaft war das Ergebnis einer Vergewaltigung. Der Täter war mein eigener Vater. Er wurde nie dafür belangt. Das Kind wurde mir nach der Geburt weggenommen, als Kind der Schande. Martin wurde sofort zur Adoption freigegeben. Mein Sohn hat mich später ausfindig gemacht. Er wollte wissen, warum er weggegeben wurde und wer sein Vater war. Ich habe ihm alles erzählt.

Zu meinen beiden Kindern aus meiner Ehe habe ich ein gutes Verhältnis. Es gelang mir aber nie, zu Martin eine Beziehung aufzubauen. Das ist schlimm für eine Mutter. Ich habe in meinem Leben viel über meine Mutterrolle nachgedacht und auch darüber, welche Mutter Maria war. Natürlich kann ich mich nicht mit ihr vergleichen. Ich hab mich aber oft gefragt, ob auch sie Selbstzweifel und Schuldgefühle gegenüber ihrem Sohn hatte.

Ein Herzenswunsch geht in Erfüllung

Ich wollte schon als Kind zu Maria nach Lourdes pilgern. Dieser Wunsch ist mir zweimal in Erfüllung gegangen. Ich war zweimal verheiratet. Nach dem Tod meines zweiten Mannes hatte ich das Glück, noch einmal einen Partner zu finden. Gemeinsam mit ihm wollte ich meinen Traum verwirklichen und nach Lourdes fahren. Aber wie? Wir beide waren schon älter, mein Partner pflegebedürftig. Sein Altenpfleger hat unseren Wunsch gehört und erzählt, dass die Malteser im Erzbistum Paderborn eine Lourdes-Wallfahrt organisieren und dass Ältere und Kranke mitreisen können. Was war das für eine Freude!

Die Stimmung während der Zugfahrt und in Lourdes war einfach unbeschreiblich. Ich kann es nicht in Worte fassen. Ich fühlte mich der heiligen Maria, Muttergottes, so nah. Ich wollte auch unbedingt in den Bädern von Lourdes in das Wasser der Quelle steigen. Also mit dem ganzen Körper. Wenn schon, denn schon. Das Wasser war sehr kalt. Aber als ich wieder herauskam, lief das Wasser einfach so von mir ab, ich musste mich nicht abtrocknen. Das war in der Karwoche 2014.

Mein Lebensgefährte war zu diesem Zeitpunkt schon sehr krank und ist wenige Monate darauf gestorben. Seine Verwandten haben mit mir geschimpft. Was mir einfallen würde, den kranken Mann noch auf diese Wallfahrt zu zerren. Aber es war ein Höhepunkt auch in seinem Leben. Im Jahr darauf bin ich wieder nach Lourdes gefahren, diesmal allein. Aber auch diese Fahrt war unvergleichlich schön. Wenn ich es könnte, würde ich noch einmal nach Lourdes fahren.

Weitere Infos zum Thema Missbrauch und Hilfe bei Missbrauch und sexualisierter Gewalt durch Kleriker und Laien im kirchlichen Dienst im Erzbistum Paderborn finden Sie auf der Internetseite https://www.erzbistum-paderborn.de/beratung-hilfe/hilfe-bei-missbrauch/.

Ein Beitrag von Hans Pöllmann

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