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© LeManna / Shutterstock.com

Der Himmelträger von Niedermarsberg

An Fronleichnam ist der Himmel unterwegs – allerdings ein ganz besonderer. „Himmelträger“ Bernd Follmann aus Niedermarsberg erzählt

Wer das Wort „Himmelträger“ in eine Suchmaschine eintippt, bekommt keine Informationen über Bernd Follmann angezeigt. Stattdessen wird man an eine Gestalt aus der griechischen Mythologie verwiesen: Atlas. Weil er mit den anderen Titanen gegen Göttervater Zeus rebelliert hatte, verdammte dieser ihn auf ewig dazu, am westlichen Rand der damals bekannten Welt das Himmelgewölbe zu tragen. Bis heute trägt das Gebirge am Westufer des Mittelmeeres deshalb seinen Namen.

Auch im Sauerland gibt es Berge. Und auch Bernd Follmann spricht von sich als „Himmelträger“. Doch würde er seine Aufgabe niemals als Strafe bezeichnen, im Gegenteil. Er sieht darin eine „Ehrenpflicht“.

An zwei Tagen im Jahr kommt der Himmel zum Einsatz

Es liegt auf der Hand, dass es sich um einen anderen Himmel handeln muss, als den, den Atlas stützt. Follmanns Himmel besteht aus einem Stück Stoff, rechteckig und reich bestickt. An vier langen Holzstangen wird er getragen. Zu dem Baldachin, der traditionell bei katholischen Prozessionen mitgeführt wird, sagt man auch „Tragehimmel“ oder schlicht „Himmel“.

Wie man in Niedermarsberg Himmelträger wird? Das ist schnell erklärt: „Es war immer die Aufgabe des Kirchenvorstandes, Träger für den Himmel zu stellen.“ Als Bernd Follmann in den Kirchenvorstand gewählt wird, hat er also nicht nur die üblichen Verwaltungsaufgaben. Er ist auch einer von acht bis zehn Menschen, aus deren Reihen sich die Himmelträger rekrutieren. Die braucht es in Niedermarsberg vor allem an zwei besonderen Tagen: Am Gedenktag des heiligen Magnus, dem Kirchenpatron von Niedermarsberg. Und an Fronleichnam.

Fronleichnam - worum geht es da?

An Fronleichnam feiert die katholische Kirche die Einsetzung des Altarsakramentes. Mit anderen Worten: Sie feiert, dass Jesus Christus im gewandelten Brot und Wein dauerhaft gegenwärtig ist. Das ist keine einfache Vorstellung. Erklären kann man sie mit Hilfe der Lehren des antiken Philosophen Aristoteles (4. Jahrhundert vor Christus). Er unterscheidet zwischen der materiellen Beschaffenheit einer Sache und ihrer „Substanz“, also ihrem Wesen – und das kann sich ändern. Mit der Wandlung behalten die Gaben am Altar also ihre materielle Beschaffenheit als Brot und Wein, ihr Wesen ist nun aber ein anderes, in ihnen ist Jesus Christus real präsent.

Eigentlich käme Gründonnerstag als Festtag für die Einsetzung des Altarsakramentes in Frage. Denn beim Letzten Abendmahl hat Jesus genau diese Einsetzung vollzogen. Nachlesen kann man dies sowohl in den drei Evangelien Matthäus, Markus und Lukas als auch im 1. Korintherbrief des Apostels Paulus. Bei Matthäus heißt es zum Beispiel: „Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und esst; das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, gab ihn den Jüngern und sagte: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ (Mt 26, 26-28)

Aber am gleichen Abend, an dem das Abendmahl stattfand, ist er auch verraten und gefangen genommen worden – kein guter Termin für ein Freudenfest. Deshalb hat man die Vision der heiligen Juliana von Lüttich (um 1193-1258) zum Anlass genommen, um ein eigenes Fest einzurichten. In Lüttich wurde Fronleichnam schon 1246 gefeiert, in der gesamten katholischen Kirche dann ab 1264.

Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts finden an Fronleichnam Prozessionen statt. Dabei wird der Leib Christi in einem kostbaren Gefäß, der Monstranz, durch die Straßen und über die Felder getragen. An extra dafür aufgebauten Altären wird Station gemacht, gebetet und der Segen mit der Monstranz erteilt. Damit knüpft man an die lange Tradition der Flurumgänge an, bei denen Gläubige im Mittelalter ihre Felder, Wälder und später auch Häuser segneten. Früher war Fronleichnam Anlass für heftige Auseinandersetzungen zwischen katholischen und evangelischen Gläubigen – das ist längst einem toleranten Umgang miteinander gewichen.

Was bei der Prozession im Mittelpunkt steht

Wenn Bernd Follmann und die drei anderen Kirchenvorstandsmitglieder ihren Dienst versehen, achten sie stets auf ihr äußeres Erscheinungsbild: Schwarzer Anzug und silberne Krawatte. „Vier würdige Herren tragen den Himmel“, sagt Follmann, lacht kurz und wird wieder ernst. „Das drückt Respekt aus.“ Respekt vor dem, was die vier Himmelträger unter ihrem Baldachin beschirmen: die Monstranz mit dem Leib Christi.

„Das Tragen des Himmels ist schon etwas anderes, als das Tragen einer Fahne“, betont Follmann. Damit meint er nicht, dass er und die drei anderen Kirchenvorstandsmitglieder besonders wichtig seien. „Durch den Himmel sind wir zwar an hervorgehobener Position innerhalb der Prozession, aber wir haben uns nie erhabener oder hervorgehobener gefühlt. Wir sind Gläubige wie alle anderen auch.“ Es gehe beim Himmeltragen nicht um ihn selbst, betont Follmann. „Der Himmel ist das sichtbare Zeichen: Dies ist der Mittelpunkt der Prozession. Hier kommt die Monstranz.“ Die Ehre, von der Follmann am Anfang gesprochen hat, gebührt also dem unscheinbaren Stückchen Brot, das der Priester trägt. Und das nach der Wandlung für Katholikinnen und Katholiken eben so viel mehr ist, als ein Gebäck aus Mehl und Wasser.

Als Bernd Follmann vor mittlerweile vielen Jahren Kirchenvorstandsmitglied wird, ist das kirchliche Leben in Niedermarsberg noch rege. Über die Jahre seines Engagements sieht Follmann, wie das abnimmt. Weniger Menschen kommen in den Gottesdienst. Gerade deshalb spielt die Fronleichnamsprozession eine immer wichtigere Rolle. Denn „sie ist ein deutliches Zeichen in die Öffentlichkeit hinein“. Ein deutliches Zeichen der Katholikinnen und Katholiken für ihren Glauben. Und wenn Follmann als Himmelträger mit der Prozession durch Niedermarsberg zieht, sieht er Menschen, von denen er weiß, dass sie wenig oder gar nichts mit Kirche und Glauben zu tun haben. „Und die sind doch neugierig und treten an die Straße und schauen der Prozession zu.“

Baldachin

Der Baldachin hat seine Wurzeln im Nahen Osten und in Nordafrika. Baldachine wurden über Herrschenden getragen – als Sonnenschutz, aber auch als Betonung ihrer Würde. Im Frühmittelalter gelangten einzelne Baldachine durch Schenkungen an die Höfe westlicher Fürsten, spätestens seit der Zeit der Kreuzzüge finden sie in Europa Verwendung, auch bei kirchlichen Prozessionen. Das deutsche Wort Baldachin leitet sich vom italienischen „baldacchino“ ab. Damit bezeichnete man früher den kostbaren Goldbrokatstoff aus dem die Baldachine gefertigt wurden. Und der wurde in Bagdad gefertigt, das man auf Mittellateinisch Baldach nannte.

© lorenza62 / Shutterstock.com
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Himmeltragen - (k)eine Kleinigkeit?

Die Sage erzählt, dass das Tragen des Himmels für Atlas beschwerlich ist. Wie anstrengend ist es denn, einen Baldachin zu tragen? „Das ist gar kein Problem. Dafür muss man kein Gewichtheber sein“, sagt Bernd Follmann und lacht. In Niedermarsberg dauert der Weg von einer Station zur nächsten zwischen 15 und 20 Minuten. Dabei wird der Himmel getragen. An der Station dann abgestellt und erst wieder aufgenommen, wenn es nach dem Segen weitergeht. „Das ist absolut machbar.“

Es ist also nicht schwer, den Himmel zu tragen. Ein paar Dinge sollten neue Himmelträger aber beachten. „Man muss immer versuchen, den Himmel gerade zu halten.“ Dafür müssen alle vier Träger – die ja verschieden groß sein können – die Stangen so anfassen, dass der Himmel oben in der Waagerechten ist. Ausnahme: „Die vier Stangen enden oben in kreuzförmigen Aufsätzen. Wenn es durch das Portal der Kirche geht oder unter tiefhängenden Ästen hindurch, muss man den Himmel tiefer oder schräg halten. Damit man nirgendwo anstößt und die Aufsätze verbogen werden.“ Für Bernd Follmann und seine Himmelträgerkollegen ist das alles kein Problem: „Wir kannten uns gut und hatten nie Probleme, miteinander Schritt zu halten.“

Monstranz

 

Das Wort Monstranz leitet sich vom lateinischen „monstrare“ ab, was „zeigen“ heißt. Und das beschreibt auch schon den Sinn einer Monstranz: Sie dient als Schaugefäß für den Leib Christi. Damit er zum Beispiel bei Prozessionen mitgeführt und den Menschen gezeigt werden kann. Mittelalterliche Monstranzen hatten die Form eines Turms. In der Zeit des Barock kamen Strahlenmonstranzen auf, bei denen die gewandelte Hostie im Zentrum von einem Strahlenkranz umgeben ist. Während der Prozession fasst der Priester die Monstranz mit von einem Schultertuch, dem Velum, verhüllten Händen an.

 

Es ist eine schöne Prozession, wenn...

„Das Wetter muss mitspielen“, sagt Bernd Follmann. Denn auch wenn er so aussehen mag: Der Himmel ist kein Regenschutz. Ganz im Gegenteil der Stoff und die Stickerei sind recht empfindlich. „Wenn wir also von einem Regenschauer überrascht wurden, mussten wir einen Unterstand suchen. Es ist sogar passiert, dass die Prozession abgebrochen werden musste. Dann haben wir den Himmel zusammengefaltet und eingepackt, damit er schön trocken bleibt.“

Gutes Wetter ist das eine. Für Bernd Follmann ist eine Prozession aber auch schön, wenn sie Menschen Freude bereitet. Eine Station der Niedermarsberger Fronleichnamsprozession ist traditionell die LWL-Klinik Marsberg, ein großes psychiatrisch-psychotherapeutisches Behandlungszentrum. „Auf dem Gelände der Klinik ist ein Altar aufgebaut und da ziehen wir immer mit der Prozession hin. Und die Patienten sitzen auf Klappstühlen und warten auf uns. Das war immer ein schönes Erlebnis, weil man den Menschen ansehen konnte, dass sie sich darüber freuen.“

Wenn am heutigen Fronleichnamsfest die Prozession durch Niedermarsberg zieht, haben andere Kirchenvorstandsmitglieder ihre schwarzen Anzüge und silbernen Krawatten angelegt. Denn auch hier unterschiedet sich Bernd Follmann vom Atlas aus der griechischen Mythologie: Himmeltragen ist für ihn keine Aufgabe bis in alle Ewigkeit. 25 Jahre lang hat Follmann im Kirchenvorstand gewirkt, dann ist er aus dem Gremium ausgeschieden, „um Jüngeren Platz zu machen“. Damit übernehmen nun auch Andere die ehrenvolle Aufgabe des Himmeltragens. Aber mit der Prozession mitgehen tut Bernd Follmann trotzdem. Schließlich ist und bleibt er „ein Gläubiger wie alle anderen auch“.

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