Die Baugeschichte der Kirche St. Aegidius in Rheda-Wiedenbrück reicht weit zurück ins Mittelalter. Die unteren beiden Turmgeschosse als die ältesten erhaltenen Bauteile sind romanisch und etwa 1000 Jahre alt. Noch um einiges älter als das Gebäude ist St. Aegidius jedoch als Pfarrei. Sie entstand im Zuge der Sachsenmission um das Jahr 785. Demnach ist die Pfarrei St. Aegidius sogar noch ein klein wenig älter als das Bistum Paderborn, das im Jahr 799 gegründet wurde. Von St. Aegidius aus wurde das obere Emsland christianisiert, wobei die Kirche über alle Jahrhunderte hinweg bis in die Jetztzeit ein religiöses Zentrum geblieben ist.
Für Pfarrdechant Reinhard Edeler ist es eine Auszeichnung und ein Geschenk Gottes, an diesem bedeutsamen Ort wirken zu dürfen. „Als ich die Kirche vor einem knappen Jahrzehnt das erste Mal betrat, hat sie mich sofort gepackt“, berichtet der Priester, „und zwar auf der theologischen Ebene, baugeschichtlich und emotional. Gott spricht zu uns in Bildern, Symbolen und Geschichten – und in St. Aegidius ist seine Stimme besonders klar und deutlich vernehmbar.“
Tatsächlich ist St. Aegidius voller Bilder und Geschichten. Da ist zum Beispiel die gotische Kreuzigungsgruppe. „Sehen Sie nur, wie sich die Macht Gottes in seiner Ohnmacht äußert“, ruft Pfarrdechant Edeler. „Diese tiefe theologische Weisheit hat den Künstler vor vielen Hundert Jahren ergriffen, und sie ergreift uns bis heute.“ Kaum hat Edeler seinen Satz vollendet, eilt er bereits zum nächsten Kunstwerk, zur Pietà in der Vesperbildkapelle, und von der Schmerzensmutter hinaus ins Freie. Dort befindet sich an der Laibung eines gotischen Kirchenfensters ein besonderes Zeitzeugnis: die Einschlagstelle einer Kanonenkugel aus dem Dreißigjährigen Krieg. Nicht nur der Krater hat sich erhalten: Gleich daneben hängt an einem Haken das eiserne Geschoss.