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Warum es zunehmend populärer wird, in einer lauten Welt leise zu sein
Unser Glaube
29. Dezember 2020

Schweigen – ein wortloses Gebet

Warum es zunehmend populärer wird, in einer lauten Welt leise zu sein

Warum es zunehmend populärer wird, in einer lauten Welt leise zu sein

„Manchmal spüre ich, dass hinter dem Lärm der Welt ganz viel stiller Raum ist“, sagt Regina Risse. Je öfter man den Satz liest, desto stärker entfaltet er eine ungeahnte Wucht. Die 55-jährige Paderbornerin sucht durch systematisches Schweigen nach Ruhe und Orientierung. Gemeinsam mit ihrem Mann begibt sie sich regelmäßig in klösterliche Abgeschiedenheit.

Wo man schweigen kann

Angefangen hat alles vor fünf Jahren. „Ich verspürte den Wunsch und die Sehnsucht, meinen Glauben zu vertiefen“, gesteht Regina Risse, die vom Angebot eines Schweigekurses aus der Zeitung erfuhr. Seitdem hat sich vieles verändert für Risse, die die Angebote verschiedener Klöster nutzt. So hat das Ehepaar Risse über die Jahre die Klosteroase Horrem bei Köln, den Benediktinerhof in Holzkirchen und den Ashram Jesu im Westerwald besucht. Regina und Jörn Risse nehmen dort an Kontemplations- oder Zen-Kursen teil.

Die Leiterinnen des Hauses Immaculata, Schwester Ines (l.) und Schwester Clara, suchen schweigend auf einer Parkbank Ruhe und Einkehr. Foto: Dietmar Gröbing

Digitale Stille

Dass man sogar in Zeiten von Corona unter Anleitung schweigen kann, beweist das digitale Angebot der Klosteroase Horrem. Da reguläre Zusammenkünfte momentan nicht möglich sind, wird kurzerhand in den eigenen vier Wänden geschwiegen. Dann verwandelt sich das Heim der Risses in ein klosterähnliches Gebäude, wo die beiden Hausbewohner die Stille einträchtig vor dem Laptop genießen. Zudem versucht Regina Risse, jeden Morgen 45 Minuten in Stille zu verbringen, „um fokussierter und besser gewappnet für den Tag zu sein.“ Wer in sich kehrt, kann zu sich kommen und Kraft sammeln. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Auf dem Weg zur Klärung

„Auch Geschichten und Ängste aus der Vergangenheit durchschreitet man zwangsläufig“, sagt Regina Risse. Die Stille kann zur Konfrontation mit Verirrungen und Lebenslügen führen – und dadurch einen „Weg der Klärung“ eröffnen.

Und noch etwas kann das Schweigen sein: wortloses Gebet. Nämlich dann, wenn sich eine Konversation zwischen dem Schweigenden und Gott aufbaut. Wenn der Schweigende mit sich selbst in Verbindung tritt, in sich hinein horcht, seiner inneren Stimme lauscht.

Sinnstiftender Rückzug

Nicht nur Regina Risse spürt in zunehmenden unsicheren Zeiten, wie wichtig so eine spirituelle Passage ist. Die äußere, oft lärmende, unstrukturierte und auf Oberflächlichkeiten abgestellte Umwelt nährt bei vielen Menschen das Verlangen nach Einkehr und Rückzug – und nach sinnstiftender Stille. Einige geistliche Einrichtungen im Erzbistum Paderborn haben dies erkannt und bieten die Möglichkeit zu christlich fundierter Kontemplation, zum Schweigen.

Meditieren im Michaelskloster

So können Interessierte jeden Dienstag zwischen 19.30 und 20.30 Uhr im Paderborner Michaelskloster in schweigende Meditation gehen. Die Zusammenkunft findet aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen aktuell in der Klosterkirche statt. „Es kann jeder zu uns kommen“, sagt Schwester Theresia Brammen. „Menschen aller Altersgruppen, Geschlechter und Konfessionen“.

Um Körper und Geist auf die Stille vorzubereiten, gibt es zu Beginn jeder Schweigeeinheit einen sogenannten Impuls. Dabei handelt es sich um einen kurzen Wortbeitrag, der zum Nachdenken anregen soll und zugleich den Weg in das Schweigen hinein bereitet. Nach dem im Sitzen verkündeten Impuls stehen alle Anwesenden auf, führen beide Hände an ausgestreckten Armen über dem Kopf zusammen, um sie anschließend langsam am Körper nieder gleiten zu lassen.

Den eigenen Körper wahrnehmen

Im Anschluss begeben sich die Teilnehmenden sitzend ins Schweigen, das sich nach rund 20 Minuten in meditativem Gehen oder einer Qi-Gong-Übung fortsetzt. Die Übungen sollen laut Schwester Theresia dabei helfen, „den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen und gegenwärtiger für Gott zu werden“. Nach einigen Minuten kehren die Teilnehmenden zum sitzenden Schweigen zurück.

„Die Voraussetzung, um mit Gott ins Gespräch zu kommen, ist Stille, Ruhe und Schweigen“, sagt Schwester Gabriela Zmuda. Sie gestaltet die Meditationsabende, die die unter dem Motto „Auf–Durch–Atmen“ stehen, gemeinsam mit Schwester Theresia Brammen.

Verhältnis zu Gott schaffen

Brammen weiß, dass die Zusammenkünfte nicht nur den Gemeinschaftsgedanken fördern, sondern obendrein ein Beziehungsgeflecht schaffen: „Es entsteht ein Verhältnis zu Gott, zu sich selbst und zu anderen Menschen.“

Die Gäste des Michaelsklosters besuchen das wöchentliche Treffen aus unterschiedlichen Gründen. So mag es ein Teilnehmer, „in die innere Stille geführt zu werden“, während ein anderer schlicht „zur Ruhe kommen“ möchte. Ein „Ausgleich und eine Erdung“ sei das Schweigeritual, meint ein dritter Gast des Michaelsklosters. Eine Stunde lang müsse er „nichts leisten, nichts erfüllen und nichts beweisen“. Vielmehr reiche es, „einfach da zu sein“.

Exerzitien im Haus Immaculata

Schauplatzwechsel: Der beglückende Moment der schieren Anwesenheit steht auch bei Kursen im Haus Immaculata im Fokus. Die Bildungseinrichtung im Herzen Paderborns bietet ihren Adressaten Einzel-, Gruppen-, Vortrags- und Alltagsexerzitien (Exerzitie = geistliche Übung).

Bei allen Exerzitienformen geht es darum, einen Zugang zum eigenen Inneren zu bekommen und den Glauben neu zu entdecken. Zudem zielen die Exerzitien darauf ab, den „Teilnehmenden die Möglichkeit zu verschaffen, für bestimmte Zeit aus dem weltlichen Leben auszutreten“, wie Verwaltungsmitarbeiterin Christiane Nolte erklärt.

Neue Wertmaßstäbe

Die Zurückgeworfenheit auf das eigene Selbst geht einher mit der „Besinnung auf Gott“. Dafür braucht es einen „Ort der Stille, der Reflexion und des Meditierens“, so Nolte.

Zugleich wird der Rückzugsort zur Isolationsstätte oder zum „Wüstenort“, wie ihn Christiane Nolte betitelt. Dieser Ort ist im positiven Sinn „ein Ort der Leere“, ein Ort, der nach Innen führt. Ganz einfach, weil es keine Ablenkung, kein Äußeres gibt. Resultat: „Andere Werte werden wichtig“, sagt Nolte. Die Verlagerung führe zwangsläufig zu einer Neubewertung tradierter Standpunkte.

Abendkreis für Achtsamkeit

Was Daniel Rumel ausdrücklich bestätigt. Er leitet die Kontemplationsgruppe, die immer donnerstags im Haus Immaculata zusammen kommt. Demnach ist der „Abendkreis für Meditation und Achtsamkeit“ eine Runde, die gerade jetzt etwas unglaublich Wichtiges sei.

„Wichtig deshalb, weil wir im Alltag regelrecht mit Informationen überschüttet werden, deren Filterung zunehmend schwerfällt. Das macht etwas mit uns“, sagt Daniel Rumel. Er begreift seinen Ruhekreis in erster Linie als Gegenentwurf zur lauten Außenwelt. „Im Rückzug und der gleichzeitigen Besinnung auf Einkehr und Stille können wir wieder wahrnehmen, wer wir sind“.

Alle Beiträge der Serie "Gebet"

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