5. Was sollen wir also tun? Zunächst einmal zulassen, dass unser Herz durch die erlebte Krise verändert wird, das heißt also, Gott zu erlauben, unsere gewohnten Kriterien für die Interpretation der Welt und der Wirklichkeit durch diesen historischen Augenblick zu verändern. Wir können nicht mehr nur daran denken, den Bereich unserer persönlichen oder nationalen Interessen zu schützen, sondern wir müssen uns im Lichte des Gemeinwohls begreifen, mit einem Gemeinschaftssinn, das heißt als ein „Wir“, das offen ist für eine allumfassende Geschwisterlichkeit. Wir dürfen nicht nur unseren eigenen Schutz anstreben, sondern es ist an der Zeit, dass wir uns alle für die Heilung unserer Gesellschaft und unseres Planeten einsetzen und die Grundlagen für eine gerechtere und friedlichere Welt schaffen, die sich ernsthaft um ein Gemeinwohl müht, das wirklich alle miteinschließt.
Reich der Liebe, des Friedens, der Gerechtigkeit
Um dies zu tun und nach der Covid-19-Krise besser zu leben, dürfen wir eine grundlegende Tatsache nicht ignorieren: Die vielen moralischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krisen, die wir erleben, sind alle miteinander verbunden, und diejenigen Probleme, die wir isoliert betrachten, sind in Wirklichkeit die Ursache oder die Folge der anderen. Und so sind wir aufgerufen, den Herausforderungen unserer Welt mit Verantwortung und Mitgefühl zu begegnen. Wir müssen uns erneut mit der Gewährleistung einer öffentlichen Gesundheitsversorgung für alle befassen; Friedensaktionen fördern, um den Konflikten und den Kriegen ein Ende zu setzen, die fortwährend Opfer und Armut verursachen; uns konzertiert um unser gemeinsames Haus kümmern sowie klare und wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels treffen; den Virus der Ungleichheit bekämpfen sowie Nahrung und menschenwürdige Arbeit für alle sicherstellen und diejenigen unterstützen, die nicht einmal einen Mindestlohn erhalten und sich in großen Schwierigkeiten befinden. Der Skandal hungernder Bevölkerungen verletzt uns. Wir müssen mit geeigneten Maßnahmen die Aufnahme und die Integration fördern, insbesondere im Hinblick auf die Migranten und auf diejenigen, die wie Ausgestoßene in unserer Gesellschaft leben. Nur wenn wir uns in diese Situationen mit einem altruistischen Verlangen, das von Gottes unendlicher und barmherziger Liebe inspiriert ist, hineingeben, werden wir eine neue Welt aufbauen und dazu beitragen können, das Reich Gottes zu errichten, das ein Reich der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens ist.
Seid Handwerk des Friedens
Mit diesen Überlegungen hoffe ich, dass wir im neuen Jahr gemeinsam unterwegs sein können, und das beherzigen, was uns die Geschichte lehren kann. Ich entbiete den Staats- und Regierungschefs, den Verantwortlichen der internationalen Organisationen und den Oberhäuptern der verschiedenen Religionen meine besten Wünsche. Allen Männern und Frauen guten Willens wünsche ich, dass es ihnen Tag für Tag gelingt, als Handwerker des Friedens, an einem guten neuen Jahr mitzuwirken! Möge Maria, die Unbefleckte, die Mutter Jesu, die Königin des Friedens, für uns und die ganze Welt Fürsprecherin sein.
Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2022
Franziskus