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Erzbistum Paderborn
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© Cornelius Stiegemann / Erzbistum Paderborn

Das Jahr des großen Verzeihens

Auch 1950 feiert die katholische Welt ein Heiliges Jahr. Doch: Es steht unter ganz anderen Vorzeichen als das Heilige Jahr 2025.

Jubiläen sind Anlass zum Feiern. Das ist auch bei Heiligen Jahren so, den Jubiläumsjahren der Kirche. Doch in dem Gebet zum Heiligen Jahr 1950, das Papst Pius XII. (1876-1958) formuliert, kommt wenig Feierstimmung auf. Im Gegenteil: Er schreibt von schwerer Schuld und tiefem Elend. Das „Geschenk des Heiligen Jahres“ solle daher vor allem eine Möglichkeit zu Reinigung und Sühne sein. Der Papst stellt es sich vor, als „das Jahr der großen Rückkehr und des großen Verzeihens“.

Das Jubiläum fällt in eine besondere Zeit

Nun ist der Aspekt der Vergebung immer schon fester Bestandteil der Heiligen Jahre: wer nach Rom pilgert und die Heiligen Pforten an Petersdom, Lateranbasilika, St. Paul vor den Mauern und Santa Maria Maggiore durchschreitet, erlangt den Ablass – die Vergebung der zeitlichen Sündenstrafen. Doch Pius XII. betont die Vergebung in seinem Gebet stärker als üblich. Was kann der Grund dafür sein?

Diese Frage klärt sich, wenn man darauf schaut, was das Jahr 1950 ausmacht: In Paderborn feiern die Gläubigen zum zweiten Mal im wiederaufgebauten Dom Libori. In Bielefeld entstehen Gebäude im Stil der Nachkriegsmoderne, die das Bild der Innenstadt bis heute prägen. In Dortmund glühen die Hochöfen. Bergleute, deren Kleidung von Kohlenstaub bedeckt ist, fahren im ganzen Ruhrgebiet unter Tage. Die Städte wachsen, weil Zehntausende Geflüchtete und Vertriebene in den Westen Deutschlands ziehen. 1950 – die Zeit des Wirtschaftswunders.

Verletzte Städte – verletzte Menschen

Und doch stehen die Städte und Orte im Erzbistum Paderborn, steht Deutschland, steht die ganze Welt noch unter dem Eindruck der Menschheitskatastrophen des Zweiten Weltkriegs und der Shoa. Auch fünf Jahre nach dem Ende des Krieges sprechen die an vielen Stellen noch sichtbaren Bombenkrater in den Stadtbildern eine deutliche Sprache. Und finden ihr Pendant in den körperlichen und seelischen Wunden der Menschen. Wie mit dieser großen Verletztheit umgehen? Wie die Trennlinien und Gräben überwinden, die Menschen zwischen Menschen gezogen hatten? Für Papst Pius XII. gibt es nur einen Weg: den der Reue und der Bitte um Vergebung. Deshalb stellt er das so prominent an den Anfang seines Gebetes.

Aus heutiger Perspektive ist ausgerechnet dieser Pius XII. nicht unumstritten. Öffentlich formuliert insbesondere Ralf Hochhuths Theaterstück „Der Stellvertreter“ 1963 die Kritik: der Papst habe im Zweiten Weltkrieg geschwiegen und zu zögerlich gehandelt – vor allen im Kontext der Shoa. Darf so ein Pius XII. überhaupt zu Umkehr und Verzeihen aufrufen? Klingt das nicht anmaßend?

Wer der Vergebung bedarf

Vielleicht kann man das Gebet auch so lesen, dass sich der Papst nicht als die moralisch höhergestellte Instanz versteht. Sondern dass er sich einreiht in die lange Reihe derer, die in diesen furchtbaren Jahren Schuld auf sich geladen haben – sei es aktiv oder indem sie Dinge geschehen ließen, keinen Widerstand leisteten. Der Papst ruft nicht die anderen zu Buße auf und bräuchte es selbst nicht – er bittet mit ihnen um Vergebung. Das Kirchliche Amtsblatt für das Erzbistum Paderborn druckt neben dem päpstlichen Gebet auch die Anweisung ab, dass das Gebet in besonderen Andachten das ganze Heilige Jahr über von Priester und Gemeinde zu sprechen sei. So bitten Gläubige in Paderborn, Bielefeld und Dortmund gemeinsam mit dem Papst in Rom und den Gläubigen in aller Welt in diesem besonderen Heiligen Jahr gemeinsam um Verzeihung.

Und heute? Das Gebet zum Heiligen Jahr 2025

„Erwecke in uns die selige Hoffnung“, schreibt Papst Franziskus in seinem Gebet zum Heiligen Jahr 2025. Die Hoffnung richtet sich auf die Erlösung, auf den neuen Himmel und die neue Erde. Gleichzeitig geht es dem Papst aber auch konkret um die Welt, die wir tagtäglich vorfinden. Schon hier sollen der Glaube, die Flamme der Nächstenliebe und die Hoffnung wirken. Deshalb verbindet er das Gebet zum Heiligen Jahr mit seinen monatlich wechselnden Gebetsanliegen. Das Gebet zum Heiligen Jahr 2025 und die Gebetsanliegen des Papstes finden Sie auf unserer Themenseite:

Papst Pius XII. spricht das Gebet zum Heiligen Jahr 1950

Das Gebet zum Heiligen Jahr ist auf dieser Tonaufnahme zu hören  – eingesprochen von Papst Pius XII. in englischer Sprache. Den Volltext in deutscher Sprache finden Sie hier:

 

Allmächtiger, ewiger Gott,

von ganzem Herzen danken wir Dir für das große Geschenk des Heiligen Jahres. Himmlischer Vater, der Du alles siehst und die Herzen der Menschen erforschest und lenkest, öffne sie – in dieser Zeit der Gnade und des Heils – der Stimme Deines Sohnes. Laß das Heilige Jahr für alle werden ein Jahr der Reinigung und Heiligung, der Verinnerlichung und der Sühne: das Jahr der großen Rückkehr und des großen Verzeihens.

Schenke, o Gott, den um ihres Glaubens willen Verfolgten den Geist der Stärke, der sie unlöslich verbinde mit Christus und seiner Kirche. Beschütze, o Gott, den Stellvertreter Deines Sohnes auf Erden, die Bischöfe, Priester und Ordensleute und alle Gläubigen. Gib, daß alle, Priester wie Laien, jung und alt, in enger Denk- und Gesinnungsgemeinschaft einen festen Fels bilden, an dem der Andrang Deiner Feinde zerschelle.

Deine Gnade entzünde in allen Menschenkindern Liebe zu den vielen Unglücklichen, denen Armut und Elend menschenunwürdige Lebensverhältnisse aufzwingen. Erwecke in denen, die Dich Vater nennen, Hunger und Durst nach sozialer Gerechtigkeit, nach Brudersinn in Werk und Wahrheit.

„Gib Frieden, o Herr, in unseren Tagen“, – Frieden den Seelen, Frieden den Familien, Frieden dem Vaterland, Frieden unter den Völkern. Laß den Regenbogen der Befriedung und Versöhnung in ungetrübtem Glanze auch wieder über dem Lande erstrahlen, das einst durch das Leben und Leiden Deines Sohnes geheiligt ward.

Gott aller Tröstungen! Tief ist unser Elend, schwer unsere Schuld, zahllos sind unsere Nöte – größer aber noch ist unser Vertrauen auf Dich. Unserer Unwürdigkeit bewußt, legen wir kindlichen Sinnes unser Geschick in Deine Hände und vereinen unsere schwachen Gebete mit der Fürbitte und den Verdiensten der Allerseligsten Jungfrau Maria und aller Heiligen.

Schenke den Kranken Ergebenheit und Gesundung, der männlichen Jugend Glaubenskraft, der weiblichen Herzensreinheit, den Vätern blühende und tugendhafte Familien, den Müttern Segen in der Erziehung ihrer Kinder, den Waisen liebevolle Betreuung, den Vertriebenen und Gefangenen die Heimat, uns allen insgesamt aber Deine Gnade als Vorbereitung und Unterpfand der ewigen Seligkeit im Himmel.

Amen.

 

Foto Erzbistumsarchiv Paderborn
Signatur Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn, Stück 15, 6. August 1949, Nr. 253, S. 105
Entstehungsdatum 1949 (Rom)
Provenienz Dienstbibliothek EBAP

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Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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