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© Fatima Reyes 13 / Shutterstock.com
© Fatima Reyes 13 / Shutterstock.com

Zwischen Blumen, Gebet und Erinnerung

Der Tag der Toten und seine katholischen Wurzeln

Ich laufe durch die Straßen von Guanajuato, einer Stadt im Herzen Mexikos. Es ist der 31. Oktober, und ich bin auf dem Weg zu einer Feier. Überall begegnen mir Menschen, geschminkt als Skelette, viele tragen andere Kostüme. Wird hier etwa Halloween gefeiert – das Fest, das aus den USA herübergeschwappt ist und inzwischen weltweit Einfluss gefunden hat?

Nein – und doch ein wenig ja. Halloween hat auch in Mexiko Spuren hinterlassen, doch der 31. Oktober markiert vor allem den Beginn der „Woche der Toten“, einer Zeit der Erinnerung an die Verstorbenen, die am 1. und 2. November ihren Höhepunkt findet.

In diesen Tagen wird das äußere Erscheinungsbild bewusst dem eines Skeletts angeglichen – als Zeichen der Verbundenheit mit den Toten und der Akzeptanz des Todes als Teil des Lebens. Schon in der Woche davor stellen die Menschen in ihren Wohnzimmern kunstvoll geschmückte Hausaltäre auf, die sogenannten Ofrendas. Darauf stehen Fotos der Verstorbenen, Kerzen, Speisen, Blumen und persönliche Gegenstände – alles, was das irdische Leben der Geliebten widerspiegelt. Die bereitgestellten Gaben sollen den Toten zudem auf ihrem spirituellen Weg durch das Jenseits begleiten – und helfen.

Ein Mosaik verschiedener Traditionen

Auf meinem Weg durch die Stadt sehe ich viele dieser Altäre, liebevoll geschmückt mit gelben Marigold-Blumen, den traditionellen Cempasúchil, deren Duft die Seelen der Verstorbenen zurückleiten soll. In der Abenddämmerung erfüllt sich die Luft mit Weihrauch, Musik und einer feierlichen Erwartung, die die nächtlichen Stunden des Día de los Muertos begleitet.

Wenn der Herbst seinem Ende entgegengeht, verwandeln sich Mexikos Straßen in ein farbenfrohes Schauspiel. Der Tag der Toten ist weit mehr als nur Folklore – er ist ein Mosaik aus katholischer Tradition, indigener Kultur und tief verwurzelter Spiritualität. Überall leuchten die Ofrendas, Familien versammeln sich, zünden Kerzen an, stellen Lieblingsspeisen auf und erzählen Geschichten ihrer Verstorbenen. Es ist, als würde die Grenze zwischen Leben und Tod für einen Moment aufgehoben. Die Erinnerung an die Verstorbenen ist lebendig.

Auch auf den Friedhöfen zeigt sich dieses Bild: Blumen, Kerzen, Girlanden, Musik – und Menschen, die gemeinsam essen, trinken und beten. Manche feiern fröhlich, andere verweilen still. Sie teilen Speisen miteinander, manchmal sogar das Lieblingsessen der Verstorbenen – ein Symbol der Gemeinschaft über den Tod hinaus und ein Verweis an die Kommunion. Auf jedem Tisch liegt auch das Pan de los Muertos – ein „Brot der Toten“, eigens für diese Tage gebacken.

Hoffnung auf das ewige Leben

Ich frage einen mexikanischen Freund, wie die Menschen in Mexiko an diesen Tagen mit Trauer umgehen. „Wir trauern weniger – wir sind zufrieden“, sagt er mit einem Lächeln. „Denn wir glauben, dass unsere Toten heute bei uns sind.“ Tatsächlich wird an diesen Tagen nicht der Verlust betrauert, sondern das Weiterleben gefeiert – die Auferstehung der Verwandten in der Erinnerung und die Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits.

Hinter dieser farbenfrohen Tradition steht ein tiefer katholischer Hintergrund. Der Día de los Muertos fällt in die Zeit von Allerheiligen und Allerseelen, die in der katholischen Kirche dem Gedenken an die Heiligen und die Verstorbenen gewidmet sind. Hier verschmelzen indigene Glaubensbilder und christliche Vorstellungen zu einem einzigartigen Ritual: dem Gebet für die Seelen der Verstorbenen und der Hoffnung auf das ewige Leben.

Doch dieser Tag der Toten erzählt auch von einer schmerzhaften Geschichte: Die Feier, wie sie heute bekannt ist, entstand im Spannungsfeld der Kolonialisierung. Als die spanischen Missionare das Christentum nach Lateinamerika brachten, trafen sie auf tief verwurzelte indigene Vorstellungen von Tod und Jenseits. Anstatt diese vollständig zu verdrängen, verschmolzen viele Bräuche miteinander – nicht ohne Spannungen und Gewalt.

Der 1. November wird in Mexiko als „Tag der Engelchen“ (Día de los Angelitos) gefeiert – an ihm gedenkt man aller Kinder und Jugendlichen, die verstorben sind. Der 2. November, der eigentliche Día de los Muertos, erinnert an alle übrigen Toten – das Pendant zu Allerseelen in Deutschland. Und am 27. Oktober wird sogar mancherorts der verstorbenen Haustiere gedacht, als Teil der großen Gemeinschaft des Lebens.

So ist der Tag der Toten kein Fest des Schreckens, sondern ein Fest der Hoffnung – ein Fest, das den Tod nicht verdrängt, sondern ihn in das Leben hineinholt. Ein Fest, das die Liebe zu den Verstorbenen weiterträgt – und die tiefe Gewissheit ausdrückt, dass das Leben stärker ist als der Tod.

Der Tag der Toten wird auch in anderen Ländern Lateinamerikas gefeiert. In Europa und den USA finden die Feierlichkeiten zunehmend Beachtung.

Ein Beitrag von:
© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn
Redakteur

Marcel Clasen

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