Ich halte zum einen eine „Ethik der Erinnerung“ für wichtig. Konkret: Wenn wir unvoreingenommen auf das schauen, was in der Vergangenheit allein gegenüber den Juden an Ausgrenzung, Verfolgung und Gewalt geschehen ist, können wir nur zutiefst bedauern, was auch Christen während der Zeit des Nationalsozialismus den Juden und anderen marginalisierten Menschen angetan haben. Und das oft nicht einmal aus fester Überzeugung, sondern als Mitläufer aus Opportunismus und Schwäche. Wir Christen müssen dazu beitragen, dass so etwas wie ein Holocaust sich nicht einmal im Ansatz wiederholen darf. Schon jedes erste gedankliche oder verbale Anzeichen von Fremdenfeindlichkeit sollten wir von daher aufmerksam verfolgen und unterbinden. Also gilt auch heute: Wehret den Anfängen!
Daneben sollte es aber auch eine christliche „Spiritualität der Erinnerung“ geben, die nicht an Konfessionsgrenzen gebunden ist. Und die sollte sich auch im gemeinsamen Gebet artikulieren. Das fängt an bei der Klage, verbunden mit der ja auch in der Bibel aufkommenden Frage: „Gott, wie konntest du das zulassen?“ Und es setzt sich fort mit der leidenschaftliche Bitte an Gott, uns Menschen so zu stärken, dass wir der Versuchung zu Ausgrenzung, Verfolgung und Gewalt – gegenüber wem auch immer – dauerhaft widerstehen.
Gerade junge Menschen sollten sowohl die Möglichkeit haben, eine christliche „Ethik der Erinnerung“ als auch eine „Spiritualität der Erinnerung“ kennen zu lernen. Dazu verpflichtet uns schon allein das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, das uns übrigens auch mit unseren jüdischen Schwestern und Brüder verbindet.