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Erzbistum Paderborn
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© Matthias Kopp / Deutsche Bischofskonferenz

„Trauma der Vergangenheit und Hoffnung der Zukunft liegen nah beieinander“

Interview mit Erzbischof Bentz zu seiner Solidaritätsreise zu den Christen im Irak

Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz ist seit wenigen Tagen aus dem Irak zurück. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz berichtet er im Interview mit Redaktionsleiter Dirk Lankowski von seiner Solidaritätsreise zu den Christen vor Ort – und wie die Erfahrungen auch im Erzbistum Paderborn nachwirken.

Redaktion

Herr Erzbischof, wie sind Ihre Eindrücke vom Irak?

Erzbischof Dr. Bentz

Es war meine erste Reise in den Irak, und jeder Tag war voller intensiver Eindrücke. Doch ein Bild hat sich mir besonders eingeprägt: Am Morgen standen wir in Mossul inmitten der Trümmer zerstörter Häuser und Kirchen – ein erschütterndes Zeugnis der Terrorherrschaft des IS. Und nur wenige Kilometer entfernt, am Abend desselben Tages, erlebten wir in Karakosch das Fest Maria Lichtmess mit einer beeindruckenden Lichterprozession von über tausend Menschen. Diese tiefe Glaubensfreude und lebendige Volksfrömmigkeit waren ein starkes Zeichen der Hoffnung und eine Art Demonstration mit der Botschaft: „Wir Christen gehören hierher!“ Für mich wurde hier deutlich, wie eng Trauma der Vergangenheit und Hoffnung der Zukunft beieinanderliegen.

Redaktion

Wie steht es heute, knapp acht Jahre nach dem Ende der IS-Herrschaft, um den Irak politisch und wirtschaftlich?

Erzbischof Bentz

Die wiedergewonnene Freiheit ist spürbar, die Menschen atmen auf. Doch aus unseren Gesprächen, etwa in der Botschaft, wurde auch deutlich, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist – sie erfordert kontinuierliche Anstrengungen. Gleichzeitig gibt es weiterhin problematische Strukturen. Milizen, die teilweise wie mafiöse Netzwerke agieren, überschatten die jungen Pflänzchen von Demokratie und Recht. Und ich möchte ergänzen, dass wir mit Sorge auf die gesamte Region blicken: Wie entwickelt sich Syrien nach dem Machtwechsel? Wie wird der Iran seinen Einfluss im Irak gestalten, nachdem Hamas und Hisbollah geschwächt wurden? Das sind Fragen, die die Menschen im Irak sehr beschäftigen.

Redaktion

Dann blicken wir doch einmal auf Syrien: Wie wird der politische Umbruch in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes vor Ort wahrgenommen?

Erzbischof Bentz

Einerseits gibt es eine gewisse Euphorie – die ersten Signale der neuen Führung werden als positiv wahrgenommen. Doch andererseits herrscht große Skepsis. Viele fragen sich: Wird es wirklich Frieden und Religionsfreiheit geben? Oder ist dies nur ein kurzes Aufblühen, bevor alte Muster zurückkehren? Ein Gesprächspartner sagte mir: „Es erstaunt mich, wie schnell die internationale Gemeinschaft der neuen Führung die Hand reicht. Weiß man wirklich, woher sie kommt und wohin sie das Land führen will?“ Diese Skepsis ist angebracht.

Diese tiefe Glaubensfreude und lebendige Volksfrömmigkeit waren ein starkes Zeichen der Hoffnung und eine Art Demonstration mit der Botschaft: „Wir Christen gehören hierher!“

Redaktion

Ihre Reise war ein Solidaritätsbesuch mit den Christen im Irak, die eine Minderheit sind. Wie ist ihre aktuelle Situation?

Erzbischof Bentz

Die Lage ist sehr unterschiedlich. Im Süden des Irak, insbesondere in Bagdad, ist das Leben für Christen oft schwierig. Obwohl die Verfassung ihnen gleiche Rechte zusichert, werden diese im Alltag nicht immer umgesetzt. In der autonomen Region Kurdistan, besonders um Erbil, ist die Situation stabiler. Dort habe ich eine katholische Universität und eine internationale katholische Schule besucht. Hier zeigt sich: Christen gehören zum Irak, sie haben eine Heimat und eine Zukunft. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung.

Redaktion

Worauf hoffen die Christen im Irak?

Erzbischof Bentz

Junge Christen haben mir gesagt: „Wir brauchen stabile politische Rahmenbedingungen – Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.“ Besonders wichtig ist ihnen, als Christen nicht als Exoten wahrgenommen zu werden. Zudem fehlt es in manchen Regionen an sozialer Unterstützung und Bildungseinrichtungen. Hilfswerke wie Caritas Irak oder CAPNI, eine ökumenische Initiative, leisten hier wertvolle Arbeit – und zwar nicht nur für Christen.

Redaktion

Welche Hoffnungen haben Sie für die Zukunft der Christen im Irak?

Erzbischof Bentz

Die Begegnung mit den jungen Christen war für mich ein starkes Zeichen der Hoffnung. Sie wollen bleiben, sie wollen nicht auswandern – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Sie sind gut ausgebildet und haben die Power, zu zeigen, dass das Christentum ein fester Bestandteil der irakischen Kultur ist. Ermutigend ist auch das Engagement der Kirche vor Ort, die sich für bessere politische Bedingungen einsetzt. Und es gibt bereits erfolgreiche Projekte, die zeigen: Unsere Unterstützung trägt Früchte.

Redaktion

Wie wird Ihre Reise von den Menschen im Erzbistum Paderborn wahrgenommen?

Erzbischof Bentz

Ich werde aktuell natürlich auf meine Eindrücke aus dem Irak angesprochen. Über viele der Themen haben wir gerade schon gesprochen. Eine solche Reise ist in erster Linie ein Zeichen der Solidarität für die Christen vor Ort. Aber die Erfahrungen von dort verändern auch meinen Blick auf unsere Situation hier. Zum Beispiel sprach ich kürzlich mit Religionslehrern an Berufskollegs über das Zusammenleben von muslimischen und christlichen Schülern – eine Herausforderung, die es auch im Irak gibt. Eine weitere spannende Erkenntnis: Die Fragen nach Identität und Zugehörigkeit stellen sich für Christen im Irak als extreme Minderheit mit voller Wucht. Hinzu kommt: Es gibt eine Vielzahl von Konfessionen und Kirchen nebeneinander.  In Deutschland erleben wir, dass religiös überzeugte Menschen zunehmend in der Minderheit sind. Die Frage ist: Wie finden wir als Christen unsere Rolle in einer säkularen Gesellschaft? Ein zentrales Fazit meiner Reise lautet: In der Minderheit kann man umso wirksamer sein, je mehr man nach innen als Minderheit geeint ist und sich gerade nicht abschottet, sondern sich engagiert für das Gemeinsame der ganzen Gesellschaft. Das gilt für die Kirchen im Irak genauso wie für uns in Deutschland.

Redaktion

Vielen Dank für das Gespräch.

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