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Erzbistum Paderborn
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Schwester Modestine Rasolofoarivola mit Kindern aus dem Dorf Ankaditapaka© Klaus Mellenthin / Misereor
Unser Glaube
21. März 2023
Tsiroanomandidy, Madagaskar

Mit kleinen Dingen statt großen Gesten

Wie Schwester Modestine in Madagaskar ihr eigenes Schicksal in die Hände nimmt und die Gegenwart und Zukunft der Menschen verbessert

Ordensfrau Modestine Rasolofoarivola hat eine Vision. Sie will mit kleinen Dingen Großes bewirken. Von Schwester Modestine wird in der patriarchalen Ordnung der Kirche erwartet, dass sie sich demütig zeigt, als Frau und als Schwester. Als eine der ganz wenigen weiblichen Führungskräfte kirchlicher Einrichtungen in Madagaskar, leitet sie ein Projekt, auf Kongressen ist sie oft die einzige Frau. Das Projekt heißt Vahatra und liegt in der Trägerschaft der Diözese Tsiroanomandidy. Vahtra bedeutet „Wurzel“ und damit ist der wesentliche Teil des Ansatzes schon benannt: Das Projekt will das schwierige Leben auf dem Land durch Eigeninitiativen der Gemeinschaften verbessern, mit einfachen Mitteln, und dabei vor allem Frauen fördern.

Schon ihre Erscheinung erzählt von ihrem ganz eigenen Weg: Sie trägt den schlichten Habit der Ordensschwestern, dunkelblaues Kleid, hellblaue Bluse, weißer Schleier. Doch kleine Details verraten, dass sie ihre eigene Art hat, Dinge anzugehen und durchzusetzen. Die Flip-Flops zum Beispiel oder der einfache, aber doch sehr eigene Ledergürtel, den sonst niemand trägt. Sie spricht mit ruhiger, voller Stimme und setzt sich niemals lautstark durch. Sondern mit leiser Beharrlichkeit. Sie wirkt alterslos. Erst wenn sie lacht, breiten sich Falten um ihre Augen aus wie Sonnenstrahlen. Wenn sie spricht, spielen ihre Hände mit dem Stift, und wenn sie zuhört, zieht sie ihre Beine auf dem Stuhl hoch wie eine Jugendliche. Dabei ist sie 56 Jahre alt. Einerseits folgt sie ihrem Namen „Modestine“, die „Bescheidene“, mit ihrer unprätentiösen Art, die nicht recht zu ihrer Führungsrolle passen will. Aber wenn es darum geht, ihre Ideen für die Menschen auf dem Land durchzusetzen, dann scheint ihre volle Autorität auf.

„Frau.Macht.Veränderung.“ – Die Misereor Fastenaktion 2023

Mit der Fastenaktion 2023 stellt Misereor Frauen aus Madagaskar in den Mittelpunkt, die den sozialen Wandel ihrer Gesellschaft vorantreiben. Frauen sind Motoren der sozialen und ökologischen Veränderungen, die die Welt dringend braucht.

Höhepunkt der Fastenaktion ist der 5. Fastensonntag, dem 26. März 2023. An dem Tag gehen die Einnahmen aus der Kollekte während des Gottesdienstes an Misereor. Jederzeit sind Spenden über das Spendenkonto von Misereor möglich. Alle Informationen dazu finden Sie auf der Homepage des Hilfswerks.

Vielen Dank für Ihre Spende zur Misereor-Fastenaktion!

Partizipation statt Geschenke

Die gesellschaftlichen und kirchlichen Rollenerwartungen an eine Frau bricht Schwester Modestine auch auf anderen Ebenen: Sie trifft ihre eigenen richtungsweisenden Entscheidungen für Vahatra und lässt sich dabei durch nichts und niemanden beirren. In der Diözese meinen manche, dass Schwester Modestine Spenden für die Organisation lieber der Kirche überlassen sollte. Doch die Leiterin steckt es in Trainings vor Ort. Sie hat diese Vision: „Wenn mittellose Menschen und darunter besonders Frauen eigene Ideen entwickeln und selbst Entscheidungen treffen, dann können sie mit sehr wenig sehr viel erreichen.“ Mit dieser Mischung aus Einfachheit und Wirksamkeit verschafft sich die Ordensschwester großen Respekt bei den Familien auf dem Land.

Die meisten kirchlichen Organisationen, die von Männern geleitet werden, verfolgen einen völlig anderen Ansatz, so erläutert die Leiterin von Vahatra: „Sie verteilen Hilfen in Form von Almosen, mal hier ein Geschenk, mal dort ein bisschen Geld. Bei diesen Projekten lacht man über uns, weil wir den kleinen Dorfgemeinschaften nicht mit Geld helfen – sondern mit Ideen.“ Aber Schwester Modestine ist sicher: Mit Geschenken löst man die Probleme nicht. Was die Menschen brauchen, ist ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben, die Möglichkeit, Entscheidungen für sich und ihre Dörfer zu treffen. Dafür brauchen sie Know-how, zum Beispiel, wie man gemeinschaftlich Saatgut aufbewahrt, Vorräte anlegt, Geflügel hält, Kompost verwendet oder Landzertifikate erwirbt. Auch während der Pandemie hat das viele kleinbäuerliche Gemeinschaften gerettet.

Schicksal selbst in die Hand nehmen

„Wenn mittellose Menschen und darunter besonders Frauen eigene Ideen entwickeln und selbst Entscheidungen treffen, dann können sie mit sehr wenig sehr viel erreichen.“

Schwester Modestine Rasolofoarivola

Sie fordert, nicht auf Hilfen aus dem Ausland zu warten, sondern die Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Bildung, Gesundheit, Lebensmittelversorgung: Die Menschen in Madagaskar müssen ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen!

Mit Wissen, Austausch und Handeln die Welt verändern

Modestine Rasolofoarivola kam als drittes von acht Kindern zur Welt, in sehr bescheidenen Verhältnissen. Ihre Eltern hatten auf einen Jungen gehofft. Als jüngstes Kind war sie meistens auf sich allein gestellt und lernte schon früh, auf eigenen Beinen zu stehen und für sich Entscheidungen zu treffen. Das hat sie geprägt. Ihre Philosophie erklärt Schwester Modestine an einem Beispiel: „Als ich früher mit einem Bischof gereist bin, wirkte es fast, als würde ich ihn herausfordern: Anstatt den Bischof zu grüßen, umringten mich die Menschen, wenn die Hühner Impfstoffe brauchten oder sie mir ihre Gärten zeigen wollten. Mit kleinen Dingen lässt sich so viel erreichen.“ Denn allein mit großen Gesten ändert sich nichts. „In der Politik gibt es viel zu oft diese Einstellung: Die schlechten Straßen verbessern wir erst, wenn das Geld für Teer aus dem Ausland da ist.“ Also praktisch nie, so die Leiterin von Vahatra. Das ließe sich auf viele Bereiche übertragen: Bildung, Nahrung, Gesundheit, es tut sich nichts. So werde eine Kultur der Mittelmäßigkeit gepflegt. „Deshalb müssen wir unser Leben, unsere Straßen, unsere Bildung, Gesundheit und Lebensmittelversorgung in unsere eigenen Hände nehmen, statt auf Hilfe von irgendwo zu warten.“

Nur das geteilte Wissen, der Austausch und das gemeinsame Handeln kann wirklich etwas verändern. „Es gibt in Madagaskar einen Spruch: ,Man muss heiraten, um es gut zu haben‘.  Aber dadurch werden die Frauen abhängig und erleben in der Ehe oft Gewalt. Ich finde, das lässt sich gut auf die ganze Gesellschaft übertragen.“ Denn wenn man abhängig ist, ist man auch verletzlich – dieses Machtungleichgewicht gilt für Mann und Frau genauso wie für Länder untereinander, Frankreich als ehemalige Kolonialmacht und Madagaskar zum Beispiel.

Am meisten ärgert sie, dass Frauen so wenig ernst genommen werden. „Alleinerziehende Mütter zum Beispiel werden mit Spitznamen wie ,Hübsche‘ oder ,Kindchen‘ gerufen – auch wenn sie drei Kinder haben und 50 Jahre alt sind. Aber wir Frauen sind keineswegs das ,schwache Geschlecht‘ – wir sind wer.“

Deshalb wünscht sie sich eine Tages als ihre Nachfolgerin auch wieder eine Frau an ihrer Stelle, als Vermächtnis einer Frau mit Führungsstärke.

Misereor-Fastenaktion 2023: Sr. Modestine Rasolofoarivola aus Madagaskar

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Susanne Kaiser, Freie Journalistin

 

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