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Erzbistum Paderborn
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Sophie Demerling© Birgit Engel
Unser Glaube
21. März 2022
Olpe

„Man wächst einander ans Herz“

„Auf eine Kaffeelänge mit …“ Sophie Demerling, Lebensbegleiterin beim ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Olpe

Innerhalb unserer Reihe „Auf eine Kaffeelänge mit …“ treffen wir uns regelmäßig mit einer Person aus dem Erzbistum Paderborn, um die Vielfalt der engagierten Menschen abzubilden. Einzige Vorgabe der Zusammenkunft: Das Treffen endet, sobald die Kaffeebecher geleert sind. Diesmal haben wir uns mit Sophie Demerling getroffen. Sie engagiert sich ehrenamtlich im Deutschen Kinderhospizverein mit Sitz in Olpe und begleitet in dem dort verorteten ambulanten Hospizdienst junge Menschen mit einer lebensverkürzenden Erkrankung.

Als Sophie Demerling in einer Arztpraxis der Flyer vom Deutschen Kinderhospizverein e.V. in die Hände fällt, da glaubt sie keineswegs an Zufall. „Zufälle gibt es nicht“, sagt die 64-Jährige und meint damit wohl eine verborgene Ordnung hinter den Ereignissen des menschlichen Daseins. „Mit diesem Ehrenamt habe ich genau das Richtige für mich gefunden. In dem, was ich tue, spüre ich eine große Sinnhaftigkeit und eine tiefe Freude.“

Zeit für das Leben

Vor anderthalb Jahren ist Demerling, die in dem kleinen schmucken Fachwerkdorf Rehringhausen bei Olpe Zuhause ist, in Rente gegangen. Fast zwanzig Jahre leitete die Erzieherin und Heilpädagogin den integrativen Kindergarten Rappelkiste in Attendorn, baute ihn mit auf und aus. Davor war sie in Olpe an der LWL-Förderschule tätig. „Mit dem Ende meiner Berufszeit wollte ich etwas Neues machen. Ich bin kein Mensch, der zuhause sitzt. Ich möchte etwas bewegen, am Leben teilnehmen und es gestalten.“

Leben ist ein gutes Stichwort. Denn genau darum geht es. „Anders als bei der Hospizarbeit für Erwachsene haben die erkrankten jungen Menschen ja oftmals noch viele Jahre zu leben. Wir möchten ihnen ein Stück Normalität geben, die Familien, die durch ihre Situation sehr isoliert sind, entlasten und ihnen unsere Solidarität zeigen“, sagt Sophie Demerling. „Wenn ich Freunden oder Bekannten von meinem Ehrenamt erzähle, sagen die meisten, dass sie das nicht könnten. Es gibt eine große Betroffenheit, der Tod von Kindern ist immer noch ein Tabu. In erster Linie aber sind wir Lebensbegleiter.“

Zeit der Entscheidung

Die Sache mit dem Flyer: Es war keineswegs so, dass Sophie Demerling vom ersten Moment an überzeugt war. Zunächst war da nur ein vages Gefühl, dass das was sein könnte. Und dann der Gedanke: angucken kann ich es mir ja mal. Demerling ging zum Kinderhospizverein. Führte mehrere Gespräche. Und ließ sich Zeit mit ihrer Entscheidung. „Mich hat die Kollegialität überzeugt, der gegenseitige Respekt, das Agieren auf Augenhöhe, der Rückhalt durch ein gutes Team.“

Demerling absolvierte einen mehrmonatigen Vorbereitungskurs. 100 Stunden Schulung, in denen es um Grundlagen der Hospizarbeit geht. Um lebensverkürzend erkrankte Kinder als Auftraggeber. Um Nähe und Distanz. Und auch um die eigene Endlichkeit, um Verlust und Trauer als menschliche Erfahrung. In dem Kurs lernte Demerling Gleichgesinnte kennen. Aus unterschiedlichen Berufskontexten. Zumeist Frauen, aber auch einige Männer. „Einer ist zum Beispiel Baustellenleiter. Er möchte über seine eigenen Bedürfnisse hinaus dezidiert etwas für andere Menschen tun.“

Gemeinsam unterwegs und der Mutter dankbar

Seit Januar begleitet Sophie Demerling einen 14-jährigen Jungen. Mit unspezifischer Diagnose. Er ist lebhaft, sehr naturverbunden, liebt es, draußen zu sein. Einmal in der Woche holt Sophie Demerling ihn für ein paar Stunden zuhause ab. Schenkt ihm ihre Zeit, ist nur für ihn da. Die beiden machen lange Spaziergänge, entdecken gemeinsam die Landschaft, die Sauerländer Wälder und Seen, beobachten Pflanzen und Tiere, sammeln Stöcke. Und immer gibt es ein kleines Picknick. „Wir haben zusammen viel Spaß. Man wächst einander ans Herz. Das gemeinsame Unterwegs sein macht uns eine riesige Freude und tut uns gut. Es beruhigt sein vegetatives Nervensystem und ich werde geerdet. Es ist eine Win-win-Situation.“

Sophie Demerling ist in einer Großfamilie auf einem Bauernhof aufgewachsen, wurde katholisch erzogen. „Ich bin mit dem Tod groß geworden. Für mich gehört er zum Leben. Ab dem Zeitpunkt, an dem wir die Erde betreten.“ Dankbar ist Demerling ihrer Mutter. Dafür, dass diese den Tod nie tabuisiert hat. „Ich war noch klein, als unser Pfarrer starb. Meine Mutter sagte zu mir: Ich geh da jetzt hin. Möchtest du mit? Und als mein Vater plötzlich und viel zu früh verstarb, wurde er im Haus aufgebahrt.“

Es war viele Jahre später, als dann die Mutter starb. Nachts, in einem Krankenhaus. „Ich fuhr durch das Dunkel nach Hause, war mutterseelenallein. Aber ich spürte auch, Menschen, die gehen, sind nicht weg. Es gibt eine Verbindung.“ Demerling sagt, sie werde sicher getragen. Von ihrer Spiritualität, ihrem Glauben. Auch in ihrem Ehrenamt, bei dem das Thema Tod immer da ist, irgendwie. Bei dem aber dennoch das Leben im Mittelpunkt steht.

Ein besonderer Moment

Sophie Demerling erinnert sich an ein ganz besonderes Ereignis: Sie war mit „ihrem“ Jungen auf einem hochgelegenen Wanderweg unterwegs. Mit einem wunderbaren Blick über das Sauerland und auf die Listertalsperre. Der Wetterdienst hatte für die kommenden Tage Sturm angesagt. „Es war am späteren Nachmittag. Der Vollmond ging auf, die Sonne unter. Wir konnten beide gleichzeitig sehen. Dazu kam ein leichter Wind auf, wie ein Bote. Wir blieben stehen, waren fasziniert. Ich spürte, da passiert gerade ganz viel. Und ich wusste: das Ehrenamt, das ich mir ausgesucht habe, ist gut.“

Der Deutsche Kinderhospizverein e.V.

 

Der Deutsche Kinderhospizverein e.V. mit Sitz in Olpe wurde 1990 von sechs Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern gegründet. Der Verein bot erstmalig in Deutschland ein Forum, in dem sich betroffene Familien in ähnlicher Lebenslage austauschen und vernetzen können. Er begleitet die Familien und stärkt die Selbsthilfe. Er ist Anlaufstelle für betroffene Familien, betreibt ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste an mehr als 30 Standorten bundesweit und bietet über die Deutsche Kinderhospizakademie Bildungs- und Begegnungsangebote an. Über 1000 ehrenamtliche Mitarbeitende begleiten rund 650 betroffene Familien im häuslichen Umfeld. Über eine breite Öffentlichkeitsarbeit regt der Verein die Gesellschaft zu einem offenen und informierten Umgang mit dem Thema „Sterben und Tod von Kindern“ an und vertritt die Interessen der betroffenen Familien in Gesellschaft und Politik (Quelle: Deutscher Kinderhospizverein e.V.).

 

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Ein Beitrag von:
Freie Journalistin

Birgit Engel

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