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Im Hochland Sri Lankas liegt die Teeplantage Dammaria, wo die Misereor-Partnerorganisation Caritas Sri Lanka-SEDEC aktiv ist. SEDEC arbeitet dort mit 178 Familien zusammen.© Kathrin Harms / Misereor

Jenseits der Teeplantage

Die Reportage "Jenseits der Teeplantage" erzählt von N. Rajanayagi. Sie lebt im Teeanbaugebiet Dammaria. Durch die Unterstützung der Misereor-Partnerorganisation Sri Lanka Caritas-SEDEC gelang es ihr, sich abseits der Teeplantagen ein Einkommen zu sichern.

N. Rajanayagi hat ihr ganzes Leben in der Enge der Siedlungsbaracken im Teeanbaugebiet des Hochlands von Sri Lanka verbracht, wie schon ihre Eltern, Großeltern und deren Eltern. Dann sah sie eine Chance, sich zu befreien. Und ergriff sie.

Klirrend schlägt der Löffel gegen den Keramikrand, Zucker und Milch verwirbeln zu einem beigen Strudel. Viele Male am Tag wiederholt N. Rajanayagi dieses kleine Ritual. Tee füllt nicht nur ihre Tasse, sondern ihr ganzes Leben. Sri Lanka, das früher Ceylon hieß, ist berühmt für diesen Schwarztee. Doch für die Menschen im zentralen Hochland ist er eine Bürde, der sie kaum entkommen können.

Bedingungen wie zur Kolonialzeit

„Seit fünf Generationen arbeitet meine Familie auf der Plantage. Meine Mutter hat Tee gepflückt, meine Großmutter hat Tee gepflückt und ihre Mutter hat auch schon Tee gepflückt.“ Rajanayagis Geschichte beginnt mit der harten Schufterei in den Teefeldern. Dafür stehen die Pflückerinnen am steilen Hang in der prallen Sonne und zupfen die widerspenstigen Blätter in einen Sack, der am Hinterkopf befestigt ist und am Ende des Tages 20 Kilogramm wiegen wird. Umgerechnet etwa vier Euro verdienen sie auf diese Weise.

Harte Bedingungen wie vor 200 Jahren, als Großbritannien tamilische Arbeitskräfte aus Indien auf die Plantagen brachte. Rajanayagi ist deren Nachfahrin. Heute sind es globale Konzerne aus Indien, den Vereinten Arabischen Emiraten, China oder Sri Lanka selbst, die von der Ausbeutung profitieren und uns günstigen Tee nach Europa liefern.

An das Land gebunden und doch landlos

„Für mich war klar: Ich will niemals Teepflückerin werden“, sagt Rajanayagi. Sie reckt das Kinn ein wenig, als sie das sagt. Rajanayagi war gerade zehn Jahre alt, da stürzte ihre alleinerziehende Mutter am Teehang mit dem schweren Sack und brach sich das Knie. Einen Aufenthalt im Krankenhaus konnte sich die kleine Familie nicht leisten. Rajanayagi war als einziges Kind völlig überfordert mit der Situation. Bis heute kann ihre Mutter nur schwer humpelnd laufen. Dieses Trauma, hilflos und völlig alleine zu sein, sitzt tief.

Genauso wie das Gefühl, andererseits niemals allein sein zu können, wenn Rajanayagi für sich sein will. „Wir leben hier in diesen alten Siedlungsbaracken in extremer Enge. Ich kann mich nicht einmal umziehen, ohne dass jemand aus der Nachbarschaft hereinschaut. Wir haben überhaupt keine Privatsphäre, alle wissen, worüber man streitet. Und es ist immer laut.“ Seit 31 Jahren lebt die junge Frau mit 17 weiteren Familien in der Siedlung Galaboda, in die sie geboren wurde und die sie nur selten verlassen kann. Mit ihrem Mann Libiyon und den zwei kleinen Kindern schläft, kocht und isst sie auf wenigen Quadratmetern. Die Baracke gehört ihr genauso wenig wie das Land, auf dem diese steht.

"Auf die Würde. Fertig. Los!" Die Misereor-Fastenaktion 2025

Mit der Fastenaktion 2025 richtet Misereor den Blick auf die schwierige Situation von Hochlandtamilinnen und -tamilen in Sri Lanka. Ihre Arbeitsbedingungen als Teepflückerinnen und -pflücker sind hart, die Gesundheitsversorgung schlecht und es mangelt an Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das katholische Hilfswerk Misereor lädt dazu ein, sich gemeinsam mit Misereor-Projektpartnerinnen und -partnern für die Wahrung der Menschenwürde und ein erträglicheres Leben dieser Menschen auf den Teeplantagen von Sri Lanka einzusetzen. Am 6. April, dem 5. Fastensonntag, werden dafür in allen katholischen Kirchengemeinden Deutschlands Spenden gesammelt. Sie können auch terminunabhängig und online spenden. Alle Informationen dazu unter:

„Die Malaiyaha Tamil*innen haben die Plantagen nie wirklich verlassen. Sie sind seit der Kolonialzeit eine diskriminierte Gruppe: Sie leben in Unkenntnis ihrer Rechte und kommen schwerer an staatliche Dienstleistungen. Sie besitzen meist keine Dokumente und haben oft keinen Zugang zu höherer Bildung. Das Land gehört ihnen nicht, sie brauchen für alles eine Erlaubnis.“ Das sagt J. Devi, die für die Misereor-Partnerorganisation Caritas Sri Lanka-SEDEC Projekte für die Menschen in den Siedlungen koordiniert.

„Ein drängendes Problem hier ist Mangelernährung.“ Wenn man sich in der üppigen Landschaft umschaut, ist das schwer zu glauben: Wald umgibt die Häuser mit einer ganz unglaublichen Artenvielfalt, Obst und Gemüse können in dem tropischen Klima eigentlich prächtig gedeihen. Doch auch viele Affen, Papageien, Leoparden und Pfauen halten sich dort auf und stehlen Mangos, Avocados und anderes mehr, weil hinter dem Wald, soweit das Auge reicht, nur noch die monotonen Teefelder liegen.

Suizid und Alkoholismus als große Probleme

„Es gab eine Zeit, in der wollte ich nicht mehr leben. Wir hatten kein Geld, kein Essen für unser Kind, ich war schwanger und selbst hungrig. Mein Mann und ich haben uns jeden Tag ums Geld gestritten. Ich war verzweifelt und finanziell abhängig von seinem Einkommen. In unserer Siedlung kämpfte jeder für sich allein ums Überleben, oft gegeneinander.“ Suizid ist für viele der Frauen aus Galaboda ein Thema. Alkoholismus für viele der Männer.

„Im Netz habe ich gesehen, dass sich Leute woanders Essen oder Bücher nach Hause bestellen. Das habe ich mir so sehr gewünscht. Natürlich, ich bin ja auch ein Mensch. Doch selbst wenn ich es bezahlen könnte: Ich habe ja nicht einmal eine eigene Adresse.“ Für 178 Familien lautet sie: Teeplantage Dammaria, Siedlung Galaboda.

„Die Leute gehen weg von hier, wenn sie können“

Wie muss es sich anfühlen, die unendliche Verfügbarkeit köstlicher Gerichte im Internet vor Augen zu haben, während das eigene Kind hungrig bleibt?

„Die Leute gehen weg von hier, wenn sie können, vor allem die Männer. Eltern arbeiten in Colombo und lassen ihre Kinder zurück. So wie mein Mann viele Jahre lang.“ Nur selten kam er für ein paar Tage nach Hause, erzählt Rajanayagi. Die Situation in den Siedlungen wird durch diese Zerrissenheit nur schlimmer. Besonders junge Leute haben weder auf der Plantage noch in der Stadt eine Perspektive. Überall sieht man, dass Menschen versuchen, es sich trotzdem schön zu machen. Hier und da ein Blumenbeet in den Gässchen zwischen den Baracken. Kuscheltiere aus Plüsch auf provisorischen Möbeln. Selbst gemalte Bilder oder Fotos der Familie an unebenen und nicht selten schimmligen Wänden.

Eine Schicksalsgemeinschaft wächst zusammen

Dann organisierte Caritas Sri Lanka-SEDEC eine Versammlung in der Siedlung, alle gingen hin. „Gemeinsam haben wir erkannt: Es gibt ein Leben jenseits der Plantagen“, so sagt Rajanayagi. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die so vieles ändern. Zum Beispiel das Bewusstsein, als Mensch ganz automatisch grundlegende Rechte zu haben.

„Ich wurde zum ersten Mal in meinem Leben mit Respekt behandelt. Das kannte ich vorher nicht. Ich bekam das Gefühl, dass ich eine Person bin, die diesen Respekt verdient hat. Ich muss keine Angst mehr vor Behördenmitarbeitern haben wie früher. Die arbeiten für mich. Das gibt mir Würde.“ Das Wichtigste jedoch für Rajanayagi, das sie aus den gemeinsamen Trainings mitnimmt: Teilen. „Mitteilen, Arbeit teilen, Essen oder Werkzeuge teilen, Leid und Freude teilen, das hat unsere Gemeinschaft zusammengebracht. Wir haben Verständnis füreinander, weil wir wissen, wie es den anderen geht und warum sie bestimmte Dinge tun oder sagen.“

Hilfe zur Selbsthilfe

Koordinatorin Devi erklärt das Programm für die Menschen auf den Plantagen: „Wir schauen gemeinsam: Wie kann sich die Gemeinschaft organisieren? Welche Rechte haben die Menschen, wie besorgt man sich Personalausweis oder Geburtsurkunde? Wie können die Leute selbst für eine gute Ernährung sorgen, wenn sie Gemüse anbauen und Tiere halten, und was brauchen sie dafür? Wir geben ihnen eine finanzielle Starthilfe für ihre Ideen und unterstützen besonders Frauen dabei, ein eigenes Business zu wagen. Die Idee ist also, dass sich die Leute mit ein bisschen Hilfe selbst stärken.“

Leben in Würde ohne Abhängigkeit

Für Rajanayagi kam damit die Wende. „Devi fragte uns: Was ist euer Traum? Das hatte noch niemand zuvor gefragt. Dann sagte sie: ‚Macht es selbst!‘“. Rajanayagi hatte dann diese Idee, einen kleinen Shop zu eröffnen und alltägliche Dinge zu den Menschen in ihrer Umgebung zu bringen. Kleine Snacks in bunten Tüten, Kokosnüsse, Räucherstäbchen, Streichhölzer, Milchpulver oder scharfe Gewürze.

„Ich habe mich selbstständig gemacht und mit dem Laden aus der Abhängigkeit befreit. Ich bin finanziell nicht mehr auf meinen Mann angewiesen. Wir haben genug zu essen. Ich kann auf Bücher sparen. Wenn wir nicht von hier wegkönnen, dann soll es ein glücklicher Ort für uns sein. Das ist, was ich sehe: Die Siedlung blüht auf, die Gärten und die Menschen. Wir ernten die Früchte unserer Arbeit und halten zusammen.“ Rajanayagi ist inzwischen Vizepräsidentin ihrer Ortsgruppe. Zusammen mit den anderen will sie den Wandel in ihrer Gemeinschaft weitergestalten.

Rajanayagis Traum: ein Haus auf eigenem Land

Wie stellt sich Rajanayagi die Zukunft vor? „Ich habe noch einen Traum: Ich möchte ein Haus bauen, mit genug Zimmern für alle, damit wir nicht mehr gedrängt zu viert in einem kleinen Raum leben müssen. Mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Küche und Bad. Mit einem Dach aus Beton statt Wellblech, damit ich darauf Besuch von meiner Ortsgruppe empfangen kann.“

Das Entscheidende dabei ist: „Das Haus soll auf meinem eigenen Land stehen. Ich möchte nicht, dass meine Kinder landlos sind, so wie ich es immer war. Unsere ganze Arbeit tun wir für unsere Kinder und deren Kinder. Sie sind unsere Zukunft und sollen es einmal besser haben.“

Von Susanne Kaiser

 

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