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Erzbistum Paderborn
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Evangelisierung Wie geht das?

Interview mit Andrea Keinath über ein zentrales Thema des Zukunftsbildes

Themenspecial “Fünf Jahre Zukunftsbild”

„Evangelisierung – lernen aus der Taufberufung zu leben“ lautet eins der vier Handlungsfelder, die im Zukunftsbild genannt werden. Nach dessen Veröffentlichung hat sich zunächst das Teilprojekt Evangelisierung und seit 2018 das „Labor E“ damit beschäftigt, wie Evangelisierung im Erzbistum Paderborn zu verstehen ist und wie sie in der Praxis umgesetzt werden kann. Als erstes Ergebnis ist nun ein Reader erschienen, der in einem breit angelegten Dialog mit vielen Beteiligten entstanden ist. Er steht hier zum Download zur Verfügung, weitere Informationen gibt es im Wir-Portal des Erzbistums.

Im Interview äußert sich Andrea Keinath, Leiterin des „Labor E“, zur Bedeutung von Evangelisierung und zu gegenwärtigen Herausforderungen.

Redaktion

Evangelisierung zählt zu den vier Handlungsfeldern im Zukunftsbild, was bedeutet, dass dem Thema Vorrang eingeräumt werden soll. Warum ist Evangelisierung so wichtig?

Andrea Keinath

Bei Evangelisierung geht es im Sinne des Zukunftsbildes um „Christwerden, Christ sein und Christ bleiben“, also um die ganz grundlegenden Fragen, auf welchen Wegen Menschen heutzutage Christen werden und darum, was es bedeutet, in der Postmoderne Christ zu sein. Schließlich stellt sich auch die Frage, was Menschen brauchen, um Christ bleiben zu können angesichts der Herausforderungen von innen und von außen.

Bei Evangelisierung geht es also immer zugleich um die Vertiefung und Verlebendigung des schon vorhandenen Glaubens sowie um neue Wege: Wie können distanzierte Getaufte sich der Kirche und dem Glauben (wieder) annähern, und wie können Menschen, die mit Glaube und Kirche bisher gar nichts zu tun hatten, mit der Faszination und der Kraft des Glaubens in Berührung kommen?

Redaktion

Umgekehrt gefragt: Was fehlt, was kommt zu kurz, wenn Evangelisierung nachrangig behandelt wird?

Andrea Keinath

Wenn wir ehrlich sind, ist es das, was wir in der westlichen Kirche allgemein und auch in vielen unserer Gemeinden beobachten können: Wir haben zu lange darauf gesetzt, dass der Glaube durch die Zugehörigkeit zu einer gläubigen Familie und Gemeinde von Generation zu Generation weitergegeben wird, was ja auch lange Zeit so funktioniert hat. Evangelisierung beginnt damit, das zu erkennen und verstehen zu wollen, was die neue Situation ausmacht. Es bedeutet auch, sich von der vertrauten Mehrheitsposition zu verabschieden und die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen. Wir müssen uns nicht damit abfinden, immer älter und immer kleiner zu werden, aber wir werden nichts daran ändern können, wenn wir uns nicht mit den Gründen beschäftigen, die die Menschen vom Glauben und von der Kirche fernhalten. Das können Gründe sein, die mit gesellschaftlichen Trends zu tun haben, aber auch mit individuellen Lebenswegen. Faktisch konzentriert sich in unseren Gemeinden die meiste Energie auf die Kerngemeinde, während die Mehrheit der Getauften, die nur losen Kontakt halten oder auf Distanz gegangen sind, relativ wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Redaktion

Die aktuellen Einbrüche bei den Mitgliederzahlen sind sicher auf die jüngsten Skandale zurückzuführen. Einen rückläufigen Trend gibt es aber schon länger. Hat dieser auch etwas damit zu tun, dass Evangelisierung in den vergangenen Jahrzehnten zu kurz gekommen?

Andrea Keinath

Kirchenaustritte sind in der Regel das Ergebnis eines längeren Entfremdungsweges und die jüngsten Ereignisse sind da sicher ein nachvollziehbarer Auslöser. Die dadurch ausgelöste Glaubwürdigkeitskrise lässt sich aber nicht mit Evangelisierung lösen, sondern nur mit einer mutigen und ehrlichen Aufarbeitung der möglichen systemischen Ursachen für Missbrauch und die Vertuschung von Missbrauch. Diesem Ziel dient ja der „synodale Weg“, den die deutsche Kirche in den nächsten Jahren gehen will. Der schon seit Jahren rückläufige Trend hat dann eher mit einer Glaubenskrise zu tun, der wir uns nicht rechtzeitig gestellt haben. Schon 1975 hat Papst Paul VI nach einer Bischofsversammlung in Rom ein grundlegendes Papier veröffentlicht, das Evangelisierung als erste Aufgabe der Kirche bezeichnet und verdeutlicht, dass Evangelisierung mehr ist als Predigt, Katechese und Sakramentenspendung. Dass es den selbstlosen Dienst an den Mitmenschen und an der Gesellschaft genauso braucht wie viel Kreativität und Mut zu neuen Wegen, um das Evangelium in der heutigen Gesellschaft auch ausdrücklich ins Spiel zu bringen. Besonders wichtig war ihm auch die „Zustimmung des Herzens“, die jeder Mensch nur in aller Freiheit geben kann, wenn er und sie vom Evangelium angesprochen und angerührt wird. Erst dann wird Evangelisierung ja wirksam.

“Wir haben zu lange darauf gesetzt, dass der Glaube durch die Zugehörigkeit zu einer gläubigen Familie und Gemeinde von Generation zu Generation weitergegeben wird, was ja auch lange Zeit so funktioniert hat. Evangelisierung beginnt damit, das zu erkennen und verstehen zu wollen, was die neue Situation ausmacht. Es bedeutet auch, sich von der vertrauten Mehrheitsposition zu verabschieden und die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen. Wir müssen uns nicht damit abfinden, immer älter und immer kleiner zu werden, aber wir werden nichts daran ändern können, wenn wir uns nicht mit den Gründen beschäftigen, die die Menschen vom Glauben und von der Kirche fernhalten.”

Redaktion

Mit welchen Mitteln und Maßnahmen will das Erzbistum Paderborn Evangelisierung fördern?

Andrea Keinath

Zunächst geht es darum, besser zu verstehen und sich darüber zu verständigen, was mit Evangelisierung überhaupt gemeint ist. Diesem Ziel dient auch der „Reader Evangelisierung“, der nun erscheint und der den Dialogprozess der letzten Jahre noch einmal bündelt und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Mit den Begriffen „pastoraler Ort“ und „pastorale Gelegenheit“ hat ja schon das Zukunftsbild dazu ermutigt, jenseits der klassischen Gemeinde an ungewöhnlichen Orten Glauben erfahrbar zu machen und Gelegenheiten wie Stadtfeste oder Sportevents zu nutzen, um mit unterschiedlichen Menschen über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Die finanzielle Unterstützung solcher neuen Projekte macht es zudem leichter, etwas auszuprobieren, so dass inzwischen über 450 Anträge beim Fonds „Neue Projekte zur Umsetzung des Zukunftsbildes“ eingegangen sind – und die meisten sind auch bewilligt worden. Außerdem stehen verschiedene Kolleginnen und Kollegen aus dem EGV bereit, um die Entwicklung neuer Projekte auch vor Ort zu begleiten. Im Labor E kümmern wir uns um die Sammlung und Dokumentation von inspirierenden Praxisbeispielen, wir beobachten Trends und erfolgreiche Modelle im Bereich Evangelisierung und beraten Gemeinden und Gremien, wenn es um eine missionarische Neuausrichtung geht.

Redaktion

Evangelisierung gerät schon einmal in den Ruf, irgendwie übergriffig zu sein. Gibt es Wege, diesen Eindruck zu vermeiden?

Andrea Keinath

Als Kirche haben wir eine Missionsgeschichte mit viel Licht und viel Schatten und der Begriff Mission wird meist mit der Ausübung von Zwang und Gewalt in Verbindung gebracht. Der Begriff Evangelisierung ist zwar neuer und irgendwie unbelasteter, aber die Fehler der Vergangenheit können sich dennoch wiederholen. Entscheidend ist die Haltung, die hinter den Aktivitäten steckt: wenn man andere möglichst schnell von seinem eigenen Glauben überzeugen und sie irgendwie in die Kirche bekommen möchte, ist das in der Tat übergriffig. Wenn man sich allerdings aufrichtig für die persönliche Geschichte eines Menschen interessiert und diese respektiert, kann ein Dialog entstehen, in dem der Evangelisierende zuallererst der Zuhörende ist. Ein echter Dialog bereichert und verändert immer beide Gesprächspartner. In einen solchen Dialog, der dem anderen alle Freiheit lässt, kann eine persönliche Glaubensgeschichte einfließen.

Redaktion

Im Zusammenhang mit Kritik am synodalen Weg hört man oft, dass es der Kirche hauptsächlich um Evangelisierung gehen müsse und nicht um Strukturen…

Andrea Keinath

Es ist in der Sache und auch kirchenpolitisch völlig unangemessen, Evangelisierung und Strukturreformen gegeneinander auszuspielen. Evangelisierung ist der erste Auftrag der Kirche, aber die Aufarbeitung von systemischen Ursachen der Missbrauchs- und Glaubwürdigkeitskrise ist für die deutsche Kirche aktuell das Gebot der Stunde. Evangelisierung bewegt sich immer im kirchlichen Gesamtkontext und konkret auch in hinderlichen oder förderlichen Strukturen, sei es in der Gemeinde oder unter diözesanen Rahmenbedingungen. Wenn Evangelisierung wirklich das Leitkriterium sein oder werden soll, wird das auch strukturelle Auswirkungen haben – auf die Gemeinschaftsformen, auf den Ressourceneinsatz und das Miteinander von Priestern und Laien.
Um es positiv zu sagen: Der Heilige Geist liebt gute Strukturen und Evangelisierung profitiert von guten Strukturen. Welche Strukturen im Einzelnen gemeint sind und was an ihnen gut oder reformbedürftig ist, dass wird auf dem „synodalen Weg“ miteinander verhandelt werden müssen.

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