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Erzbistum Paderborn
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Skyline Düsseldorfs© frantic00 / Shutterstock.com

Die Ansprache von Erzbischof Dr. Bentz in der Staatskanzlei NRW

Dr. Udo Markus Bentz bei der Ablegung des Treueides in der Staatskanzlei am 7. Februar 2024

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrter Herr Minister,

sehr geehrter Herr Staatssekretär,

sehr geehrte Vertreter der Länder Hessen und Niedersachsen,

meine Damen und Herren,

 

zunächst danke ich Ihnen, sehr geehrter, lieber Herr Ministerpräsident, für die heutige Einladung in die Staatskanzlei. Für manch einen, der das Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland kritisch sieht, mag der heutige Anlass, das Ablegen des Treueids, ein Anachronismus sein. Das kann man so sehen, natürlich. Muss man aber nicht. Denn man kann diese Tradition auch positiv fortschreiben. Es braucht eine neue Kontextualisierung mit der Gegenwart und der heutigen Beziehung von Kirche und Staat. Nicht mehr das Misstrauen des Staates der katholischen Kirche gegenüber ist heute der Anlass. Es geht darum, dass wir – Kirche und Staat – uns gegenseitig den guten Willen zu einer verlässlichen, fruchtbaren Kooperation versichern – zum Wohl der Menschen, die in diesem vielfältigen und an kultureller Prägung sehr unterschiedlichem Bundesland leben. Natürlich gilt das auch für Hessen und Niedersachsen, denn das Erzbistum Paderborn reicht ja über Nordrhein-Westfalen hinaus.  Es geht um eine gemeinsame, einander ergänzende und unterstützende Verantwortung für das Gemeinwesen.

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Freiheit, Würde, Gerechtigkeit und Zusammenhalt

Gerade in diesen Wochen bekommt ein solcher Treueid noch einmal eine besondere Bedeutung: Der Treueid ist für mich das klare Bekenntnis zum demokratischen Rechtsstaat, der die Freiheit und die Würde des Einzelnen sowie die Gerechtigkeit und den Zusammenhalt der Gesellschaft und das Gemeinwohl schützt. Ich bin sehr dankbar zu erleben, wie deutlich und klar derzeit in unserem Land die Menschen ein Bekenntnis zur Freiheit, zur Rechtsstaatlichkeit und zur Demokratie, zur Würde jedes und jeder Einzelnen und zur Verantwortung aller gemeinsam ablegen. Wir erleben aktuell einen Populismus und eine Aggressivität, die sich bis zum Hass steigern – gegen unseren Staat, unsere Gesellschaft, unsere politisch Verantwortlichen und unsere Werte. Natürlich auch gegen unsere religiösen Gemeinschaften. Das kann uns nicht gleichgültig lassen.

"Es genügt nicht, gegen etwas zu sein."

Im Gegenteil: Als Kirche bekennen wir uns uneingeschränkt zu Demokratie und Rechtsstaat. Wir stehen ein für die Würde eines jeden Menschen – gleichgültig ob er oder sie hier geboren ist oder ob er oder sie – aus welchen Gründen auch immer – zugewandert ist. Wir lehnen jede Form des Antisemitismus, der Fremdenfeindlichkeit und der Ausgrenzung ab. Daher begrüße ich es, dass viele Menschen aus dem Erzbistum Paderborn und in allen Diözesen, aus den Verbänden und Pfarreien – deutliche Zeichen gegen jede Form des Extremismus und für unsere Demokratie, für unseren Rechtsstaat und für die europäische Integration setzen. Erinnern wir uns an die Worte von Sophie Scholl: Es genügt nicht, gegen etwas zu sein. Man muss etwas dagegen tun!

Zudem haben wir großen Respekt vor allen Frauen und Männern, die aus lauteren Absichten politische Verantwortung für unseren Staat, für unser Gemeinwohl und für die Menschen übernehmen. Insofern erlauben Sie mir, dass ich Ihnen und allen Männern und Frauen, die in Regierung und Parlament und im öffentlichen Bereich ihren Dienst tun, sehr herzlich danke.

Treueid nach Art. 16 Reichskonkordat

Vor Gott

Und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, Deutschland und dem Land Nordrhein-Westfalen Treue.

Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen.

In der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte.

Düsseldorf, den 7. Februar 2024.

Ein Beitrag für die Gesellschaft

Eine Demokratie ist dann in guter Verfassung, wenn sich Männer und Frauen auch mit Leidenschaft dafür einsetzen und wenn sie auf einer guten Grundlage beruht. Unser Land ist auch deswegen in einer guten Verfassung, weil wir seit 75 Jahren ein Grundgesetz haben, das sich bewährt hat. Ich habe gelernt: Bereits 1947 haben die Erzbischöfe und Bischöfe in Nordrhein-Westfalen in einer eigenen Denkschrift deutlich gemacht, was für sie in einer neuen Verfassung unverzichtbar sein werde: Schutz der Grundrechte, eine gerechte Wirtschafts- und Sozialordnung und eine solidarische Wohlfahrtspflege. Schon damals ging es den Erzbischöfen und Bischöfen darum, dass der zukünftige Staat die Würde und die Grundrechte des Einzelnen achtet, die Freiheit so sehr schützt wie die Gerechtigkeit. Und dass er sozial ist. Wichtige Impulse der Denkschrift sind in das Grundgesetz und 1950 in die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden.

Als katholische Kirche leisten wir zu Staat und Gemeinwohl unseren, wie ich finde, profunden und durchaus nicht marginalen Beitrag – in unseren Einrichtungen und Diensten, im vielfältigen ehrenamtlichen Engagement unserer Gläubigen. Zugleich stehen wir mitten in einer großen und grundlegenden Strukturveränderung: Wir werden weniger. Damit wird sich unsere Rolle in der Gesellschaft und unser Beitrag für das Gemeinwohl verändern. Viele unserer Einrichtungen – gerade im Bildungsbereich und in der Caritas – sind für uns unverzichtbar: und zwar aus Überzeugung! Es sind pastorale und diakonische Orte, Kirchorte, an denen wir in die Gesellschaft hineinwirken und Impulse aus der Gesellschaft empfangen. Zugleich wird es für uns mittelfristig deutlich schwieriger, die Einrichtungen in ihrer großen Zahl aufrecht zu halten.

Friedliches Miteinander

Nicht die Quantität entscheidet. Durch die Qualität und ein erkennbares eigenes Profil der Arbeit an all diesen Orten wollen wir weiter in der Gesellschaft präsent sein, uns einmischen, mitwirken und unseren Beitrag zum Gelingen des Staates und der Gesellschaft, zum Gemeinwohl leisten. In einer Gesellschaft, in der der Zusammenhalt herausgefordert ist, haben – und hier spreche ich bewusst im Plural – die Kirchen, die christlichen Werte und das Evangelium ein starkes Potential zu einem friedlichen Miteinander, auch wenn wir selbst – innerkirchlich – immer wieder mit manchen schwierigen Polarisierungen zu kämpfen haben.

"Gloria in excelsis Deo et pax hominibus"

Meinen Dienst als Erzbischof von Paderborn habe ich bewusst unter einen neuen Wahlspruch gestellt: Gloria in excelsis Deo et pax hominibus – Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen. Es ist die Botschaft, die die Engel im Weihnachtsevangelium zur Geburt des Messias verkünden. Die Ehre Gottes und der Friede der Menschen werden in einen Zusammenhang gestellt – Gott durch unser Handeln so die Ehre geben, dass es den Menschen zum Frieden dient. Und wann und wodurch auch immer wir dem Frieden dienen, geben wir Gott die Ehre. Beides gehört für mich untrennbar zusammen. Das erinnert an die Präambel unseres Grundgesetzes, die von der Verantwortung vor Gott und den Menschen ausgeht.

Aufgabe der Religionen im Allgemeinen und damit auch von uns als katholischer Kirche ist es, an die Verantwortung zu erinnern, die diese Welt und die Gegenwart übersteigt, und zugleich dem Frieden zu dienen. Unsere Verfassung würdigt das, indem sie die Religionsfreiheit schützt – die des Einzelnen wie die der Institution. Mehr noch: Unsere Verfassung traut den Religionen zu, mit dem Staat zusammenzuwirken, zu kooperieren. Auch diese Freiheit, dieses Recht geht mit Verantwortung einher. Die Religionsfreiheit ist zugleich die Verpflichtung jeder Religion, einen Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu leisten und sich positiv zu den Grundlagen unseres Staates zu verhalten. Dazu gehört u. a. auch eine uneingeschränkte Akzeptanz unseres Rechtsstaates und seiner Einrichtungen. Unverzichtbar sind auch der ökumenische wie der interreligiöse Dialog. Wenn jede Religion bereit ist, ihr Bestes zur Allgemeinheit beizutragen, dann wird Gott die Ehre gegeben, und dann sind der religiöse und der gesellschaftliche Friede gewahrt.

 

 

 

Staat und Kirche haben unterschiedliche Grundlagen, doch gemeinsame Ziele. So sind beide den Menschen verpflichtet, die ihnen anvertraut sind. Ich darf Ihnen versichern, dass ich meinen Beitrag dazu gern und mit großer Freude leisten möchte – in der Zusammenarbeit mit Ihnen und im Vertrauen auf Gott. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

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