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Erzbistum Paderborn
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© Fraunhofer IEM

KI in der Kirche: Predigt in Paderborn bald der Bot?

Seit Ende letzten Jahres ist Künstliche Intelligenz ein Dauerthema. Hält sie nun auch Einzug in die Seelsorge?

Kurz bevor es losgeht, liegt dann doch eine gewisse Spannung in der Luft. Erwartungsvoll schauen die Anwesenden auf die große Leinwand, die über dem Altar der Paderborner Gaukirche aufgespannt ist. Gleich geschieht’s, dann predigt zum ersten Mal der Chatbot in Paderborn! Das Video öffnet sich und es schallt durch die Kirche: „Liebe Schwestern und Brüder!“ Auf der Leinwand sieht man einen Kirchenraum, goldenes Sonnenlicht flutet durch ein Spitzbogenfenster herein. Im Vordergrund eine Person, die Dechant Benedikt Fischers Brille und seine Gesichtszüge trägt. Und die mit seiner Stimme spricht.

KI ist in aller Munde

Der Dechant auf der Leinwand spricht über die Tagesheilige Birgitta von Schweden und verbindet ihre Biografie mit Aspekten aus dem Brief des Apostels Paulus an die Galater. Theologisch einwandfrei. Dazu generiert er noch schnell ein paar Fürbitten aus den verschiedenen Anliegen der Besuchenden. Er findet passende, stimmungsvolle Worte, als er für Frieden in den Kriegsregionen der Welt betet, wenn er über Gesundheit spricht und das medizinische Personal nicht vergisst. Schließlich bittet er um eine Vision für eine hoffnungsvolle Zukunft. „Wir bitten dich, erhöre uns.“, sagt die Gemeinde. Sieht so die Seelsorge der Zukunft aus?

Seit dem Launch des Chatbots „ChatGPT“ im November 2022 ist das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ein Dauerbrenner in den Medien. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um textbasierte Programme, es gibt auch solche, die anhand von Befehlen, sogenannten „Prompts“, Bilder generieren können. Die Funktionsweise ist dabei die gleiche: Die Programme haben mithilfe von KI-Technologie große Datenmengen analysiert. Gibt man ihnen eine Frage oder einen Auftrag, erstellen sie daraus eine Antwort. Die Texte oder Bilder werden dabei aufgrund von Wahrscheinlichkeiten errechnet – nicht selbst formuliert oder gemalt.

Wie die KI den Dechanten imitiert

Er sei es nicht, der da spreche, betont der echte Dechant Fischer. Das Team hinter der Ausstellung „Künstliche Intelligenz in Kirche und Gesellschaft – Zwischen Schöpfung und Source Code“, die in der Libori-Woche in der Gaukirche zu sehen ist, habe eine KI mit Fotos von ihm und Audioaufnahmen seiner Stimme gefüttert. Daraus habe sie dann diesen Avatar erstellt. Der dient nun dazu, einen geistlichen Impuls, den ein Chatbot verfasst hat, vorzulesen. Um zu zeigen, was KI heute schon kann.

Neben den Mittagsgebeten zeigt die Ausstellung in den Seitenschiffen der Kirche Bilder, die von KI-Bilderstellungs-Programmen erstellte wurden. Wie beim Dechanten-Avatar gibt es auch hier einen technischen Zweischritt: Zuerst haben die Ausstellungsmacher einem Chatbot eine Rolle zugewiesen. Als katholischer Experte sollte er christliche Themen und Bibelstellen in ein geschriebenes Konzept für ein Bild verarbeiten, samt Bildtitel und Prompt für ein Bilderstellungs-Programm. Diesen Prompt haben dann zwei verschiedene Programme bekommen – die die Aufträge unterschiedlich interpretierten und ganz unterschiedliche Ergebnisse erzeugten. Nachzulesen ist das über QR-Codes an den Bildern oder auf der Website der Ausstellung.

Bilder für Glaubensgeheimnisse finden

Ein Mann mit Bart und langen Haaren sitzt auf einer Art Stuhl, der durch seine rote Lackierung an hölzerne Kindermöbel erinnert. Über seinem Kopf verlaufen Lichterketten, die sich – anstatt einer Dornenkrone – auch in zwei Strähnen durch sein Haar winden. Der Mann hat den Blick gesenkt. So stellt sich die KI die Kreuzigung Christi vor, „Hinrichtung“ hat sie das Bild kurz und knapp genannt. Man könnte es als Spielerei abtun. Man könnte das Fehlen vertrauter Bildelemente bemängeln. Man kann aber auch darüber nachdenken, ob der seltsame Aufbau des Sitzes mehr an einen elektrischen Stuhl oder an einen Thron erinnert. Und die Lichterketten, die auch als eine Art Gürtel um die Hüften des Mannes verlaufen, scheinen Mann und Stuhl untrennbar zu verbinden – geben ihm aber auch etwas Festliches, Leichtes. Passt das nicht auch zur christlichen Vorstellung, nach der das Kreuz vom römischen Folterwerkzeug zum Symbol der Erlösung geworden ist?

Nicht alle Bilder des KI-Kreuzwegs regen die spirituelle Fantasie derart an. Aber die, die es tun, zeigen einen sehr positiven Aspekt von KI-generierten Bildern im christlichen Kontext: Aus heiligen Worten macht die KI Bilder. Vielleicht andere oder ganz neue Bilder für uralte Glaubensgeheimnisse. In der Ausstellung gibt es auch Darstellungen des ersten Schöpfungstages, des Himmlischen Jerusalems aus der Offenbarung oder auch – ein Publikumsmagnet – den Pfau auf dem Dom, die bekannte Szene aus der Liboriuslegende. Man stelle sich nun die Firmgruppe vor, die mit einem KI-Programm ihre ganz persönlichen Glaubensvorstellungen visualisieren kann.

Predigt in Paderborn bald die KI?

Auf diese Weise könnte die KI etwa Katechese bereichern. Aber wird sie bald auch die Seelsorge übernehmen? „Ich kann es mir – nach heutigem Stand der Technik – nicht vorstellen, dass man die KI im Seelsorgegespräch einsetzt“, sagt Dechant Fischer, der echte. „In einem Seelsorgegespräch braucht es Emotionen und Einfühlungsvermögen. Das kann die KI nicht.“ Und auch predigen wird die KI in Paderborn nicht. „Der Avatar ist empathielos. Die Menschen, die einen geistlichen Impuls von mir hören möchten, möchten nicht einfach nur eine Information über Tagesheilige und Bibelstellen. Sie möchten ja auch wahrgenommen werden, möchten sich selbst in dem Impuls oder Gespräch erfahren.“ Ein Avatar aus computergenerierten Bildern und computergenerierter Stimme kann nur einseitig kommunizieren, da ist das nicht möglich.

Gibt es denn Einsatzmöglichkeiten? Ja, sagt Dechant Fischer, als Recherchewerkzeug. „Man kann die KI bei der Vorbereitung einer Predigt, eines Vortrags oder Artikels einsetzen. Die KI liefert schnell Informationen, objektiv aufbereitet und in einer Form, mit der man direkt arbeiten kann.“ Doch er wendet gleich ein: „Es ist aber wichtig, dass man den KI-generierten Text noch einmal überarbeitet. Es muss ja auch der eigene werden.“

Warum KI die menschliche Komponente braucht

Harald Anacker vom Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik (IEM) in Paderborn, das sich für die technische Umsetzung der Ausstellung verantwortlich zeigt, sieht das genauso: „Unser Ziel ist es nicht, einen möglichst perfekten Avatar zu bauen, um echte Menschen zu ersetzen.“ Und er fährt fort: „Die KI ist ein Werkzeug. Für uns Menschen ist es auf den ersten Blick erschreckend, weil es sich erstmals um ein kognitives Werkzeug handelt. Als die Menschheit den Hammer erfand, war das weniger erschreckend. Aber wie der Hammer braucht auch die KI immer die menschliche Komponente, um Ergebnisse zu überprüfen, sie zu beurteilen und darauf aufbauend weiterzuarbeiten.“

Denn nur weil die KI-generierte Lösung formal richtig sei, heiße das noch lange nicht, dass sie auf den Anwendungsfall passe. Das gilt in technischen Zusammenhängen, kann man aber auch auf die Seelsorge übertragen. „Es mag irreführend sein, wenn man zum ersten Mal den Avatar sieht und ihn sprechen hört. Aber am Ende ist die KI sehr gut darin, hochformale Aufgaben zu lösen. Am Emotionalen, am Menschlichen scheitert sie.“

Wo der KI Grenzen aufgezeigt werden müssen

In der Ausstellung finden sich zwei Darstellungen, die Krankenhäuser der Zukunft zeigen sollen. Räume in klinischem Weiß und technisch-kaltem Blau. Menschliche Ärztinnen und Ärzte versuchen, ihre Patientinnen und Patienten wieder gesund zu machen – unterstützt von menschenähnlichen Robotern. Hier hat die KI selbst einen bildlichen Ausdruck für einen wichtigen Punkt im Miteinander von Mensch und KI-Technik gefunden. Dechant Fischer erläutert ihn mit einem Beispiel: „Am Ende eines Menschenlebens kann man die KI fragen, ob ein assistierter Suizid aus medizinischen Gründen geboten erscheint. Dann stellt das Programm die verschiedenen Faktoren ganz objektiv zusammen. Die entscheidende Frage ist dann: Richte ich mich nach dem, was die KI als Ergebnis ausgibt?“

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KI kann in vielen Lebensbereichen unterstützend wirken. Wenn es aber um endgültige Fragen geht, sei immer der Mensch gefragt, meint Dechant Fischer.

Für Dechant Fischer ist klar: „Das geht nicht. Da ist die absolute Grenze. Solche Entscheidungen können wir die KI nicht selbst treffen lassen.“ Da, wo die Würde des Menschen tangiert werde, müsse auch ein Mensch in der Entscheidungskette stehen. Die KI kann Informationen generieren, kann technische Hilfestellungen geben. Aber die zentralen Entscheidungen müssen weiter beim Menschen liegen.

Was Kirche beim Thema KI zu sagen hat

Der digitale Dechant ist verstummt. Der Mittagsimpuls in der Gaukirche ist zu Ende. Künstliche Intelligenz wird ein Thema bleiben, in den Medien, im gesellschaftlichen Diskurs. Denn die Menschen müssen sich Gedanken darüber machen, wo sie KI gewinnbringend einsetzen wollen – und wo sie ihr Grenzen setzen müssen. Das christliche Menschenbild kann dabei als ethischer Kompass dienen. Umso besser, wenn auch Kirchen sich für das Thema und den Austausch darüber öffnen.

Ausstellung „Künstliche Intelligenz in Kirche und Gesellschaft“

In den Seitenschiffen der Gaukirche zeigen acht von KI-generierte Kunstwerke Szenen des Kreuzwegs Jesu auf einzigartige Weise. Im Hauptschiff der Kirche finden Besuchende Bilder, die Themen zur Arbeitswelt der Zukunft, Nachhaltigkeit, Schöpfung, Himmel und Hölle visualisieren. Besuchende erhalten auch Einblicke in die jeweiligen Arbeitsaufträge an die KI – und können die sogenannten „Prompts“ nachlesen.

Öffnungszeiten

Die Ausstellung ist von Montag bis Donnerstag von 11.30 Uhr bis 19.00 Uhr geöffnet.

Live-Demonstration von KI-Tools

Von Montag bis Donnerstag findet im südlichen Seitenschiff (Taufbecken) jeweils um 14.00 Uhr und 16.00 Uhr eine Live-Demo zu aktuellen KI-Tools statt. Ob Text, Bild, Audio oder Video: Die Besuchenden erhalten Einblicke, welche Inhalte heute schon über KI-Tools erstellt werden können.

Diskussionsrunden

Am Mittwoch und Donnerstag haben Besuchende jeweils zwischen 18.00 Uhr und 19.30 Uhr die Möglichkeit, in einer Gesprächsrunde verschiedene Perspektiven auf das Thema Künstliche Intelligenz kennenzulernen – und sich auch selbst an der Diskussion zu beteiligen. Am Mittwoch liegt der Schwerpunkt auf KI in der Kirche und am Donnerstag auf KI in der Arbeitswelt.

Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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© 2021 Photography / Shutterstock.com

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