Ein gelungenes Projekt mit Herzlichkeit
Ein Blick zurück ins Jahr 2015: Der Bann war schnell gebrochen. Ein herzlicher Empfang machte es den 13 jugendlichen Flüchtlingen leicht, sich im Collegium Bernardinum in Attendorn wohl zu fühlen. Freundliches Lächeln bestimmt das Kennenlernen, zufriedenes Nicken signalisiert bei der Zimmerbesichtigung: „We are happy.“ Eine Momentaufnahme der gelungenen Erstbegegnung, in der Flüchtlinge, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen waren und aus dem Notaufnahmelager Bielefeld kamen, erstmals einen Platz im Collegium Bernardinum erhielten.
„In enger Zusammenarbeit mit dem Erzbistum Paderborn hatten wir das Angebot vorbereitet. Die Notunterkunft Bielefeld hat sich als erste Stelle gemeldet“, erläuterte Michael Lütkevedder, Präses des Collegium Bernardinum in Attendorn, damals. Aus dieser ersten Momentaufnahme 2015 wurde ein gelungenes Projekt. Denn die jugendlichen Flüchtlinge spürten schnell, dass sie hier herzlich willkommen waren.
Diese gute Beziehung von Beginn hat sich weiterentwickelt. „Man hat uns hier gut aufgenommen und hilft uns überall. Wir haben die deutsche Sprache schnell gelernt“, betont Alex (19), der 2015 aus Mali geflüchtet ist. Auch er hat die Förderklasse am Berufskolleg absolviert und darf auch in seiner Ausbildung im Internat wohnen bleiben. Im naheliegenden Repetal fand er eine Ausbildungsstelle zum Koch und entwickelt dort sein Talent. 2017 und 2018 habe er sogar bei der Berlinale gekocht, werfen seine Mitbewohner Ibrahim und Abolfazl (14) aus Afghanistan stolz ein.
„Neue Strukturen waren nicht einfach“
Die Grundregeln wie Pünktlichkeit, an- und abmelden beim Verlassen des Hauses, feste Mahlzeiten und anderes mehr forderten die jungen Menschen aus den Krisengebieten heraus. Es sei nicht so einfach gewesen, um 5 Uhr in der Früh aufzustehen, um in die Berufsschule nach Siegen zu kommen, war es für Alex schon eine Herausforderung, sich dann den ganzen Tag noch für Mathe und Deutsch wach zu halten. „Aber dafür bringe ich auch Verständnis auf, wenn die neuen Strukturen zu Beginn schwer fielen. Immer waren die Jungen lange allein und auf eigenen Füßen unterwegs. Dabei waren sie völlig selbstständig“, räumt Barbara Wichmann ein und betont, dass das Internat für alle – auch ehemalige Bewohner – stets eine Anlaufstelle bleiben soll. „Die 19-Jährigen in der Ausbildung sind freiwillig geblieben und bezahlen anteilig ihre Miete aus dem Azubilohn. Ehemalige Bewohner halten gern den Kontakt und besuchen uns immer wieder.“
Nicht nur ihre Fußballleidenschaft verbindet sie mit den anderen Internatsschülern. „Wir verstehen uns sehr gut mit allen“, freut sich Ibrahim auf die vielen Kontakte im Haus. Und der „Kasten-Platz“, wie der Attendorner Volksmund gern den kleinen Sportplatz am Internat bezeichnet, ermöglicht gemeinsame Fußballspiele – manchmal sogar Träume. Fußballer wäre so zum Beispiel der Berufswunsch von Abduulaye (17), der vor acht Monaten aus Guinea gekommen ist. Beim SV 04 Attendorn spielen sie auch. „Doch ob wir hier mal entdeckt werden“, sagt Alex lachend und zieht mit seiner freundlichen Art die anderen mit in die gute Laune.
Auch eine ganz neue Sportart haben sie kennengelernt: Tchoukball – eine Ballsportart, bei der sich zwei Mannschaften gegenüberstehen und versuchen einen handballähnlichen Ball so auf eine Frame genannte Prallwand zu werfen, dass die gegnerische Mannschaft den Abpraller nicht fangen kann. „Tchoukball haben sie über die Schule gelernt und sind jetzt dem heimischen Handballverein als neue Sportmannschaft angeschlossen“, erläutert Barbara Wichmann.
„Interesse und Rücksicht auf den Glauben“
Auch ihren Glauben können die Moslems im katholischen Internat leben. Alle haben einen Gebetsteppich bekommen. Bei Ramadan wird Rücksicht genommen, und es gelten auch mal andere Regeln. Selbst die Küche stellt sich darauf ein. Gern gesellen sich die Internatsschüler dann beim Fastenbrechen oder Zuckerfest dazu.
Dass die Flüchtlinge auch gute Gastgeber sein können, beweisen sie bei der jährlichen Ferienfreizeit. „Dann werden wir Betreuer rundum von den Jungen bekocht“, blickt Barbara Wichmann gern auf die Aufenthalte in den Ferienhäusern – meist in der Nähe von großen Städten – zurück.
Alex, Abolfazd, Ibrahim und Abduulaye sind glücklich in Attendorn, dennoch mischt sich das Glück mit Gefühlen aus Hoffnung und Angst. Natürlich wolle man auch gern mal wieder in die Heimat nach Afghanistan reisen. „Da ist meine Familie, die ich vermisse“, so Ibrahim. Doch davor steht die Sorge, ob sie bleiben dürfen, und die große Hoffnung: „Wann gibt es endlich mal Frieden!“