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Erzbistum Paderborn
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© FWStudio / Shutterstock.com

wir2 Hilfe für alleinerziehende Eltern

Alleinerziehend sein - das ist in finanzieller und emotionaler Hinsicht eine Herausforderung. Das "wir2"-Bindungstraining für alleinerziehende Eltern und ihre Kinder will helfen

wir2 Sichere Bindung von Kindern zu ihren alleinerzihenden Eltern fördern

Familie, das ist heute nicht mehr nur Vater-Mutter-Kind. Familie heute ist bunt, vielfältig und vielschichtig. Der Anteil an Patchwork- und Regenbogenfamilien wächst. Und auch der an Ein-Eltern-Familien. Fast jede fünfte Familie mit minderjährigen Kindern ist alleinerziehend. Gesellschaftlich ist das kaum ein Problem, die Akzeptanz ist da.

Aber da ist noch die andere Seite: Alleinerziehend sein, das bedeutet in finanzieller und mentaler Hinsicht eine enorme Belastung und erzeugt Stress. Für jedes einzelne Familienmitglied und für das Leben miteinander. Gerade die Bedürfnisse des Kindes geraten da leicht aus dem Blick.

Rita Remmert, Erzieherin, Diplom-Religionspädagogin und diplomierte Ehe-, Familien- und Lebensberaterin, hat in ihrer Tätigkeit bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) im Erzbistum Paderborn viel mit Trennungsgeschichten zu tun und weiß um vielerlei Ängste, Sorgen und Nöte. Im Bindungstraining „wir2“ sieht sie einen guten Ansatz, Alleinerziehende zu stärken, den Blick auf die inneren Zusammenhänge der konkreten Lebenswelten zu schärfen und die Bindungsbedürfnisse von Kindern zu berücksichtigen.

Redaktion

Was sind die größten Stressfaktoren für Alleinerziehende?

Rita Remmert

Alleinerziehende haben es insgesamt schwer, Mütter wie Väter. Wer auch immer der Alleinerziehende ist, hat den Löwenanteil an der wirtschaftlichen und der emotionalen Verantwortung. Das ist selbst bei sogenannten normalen Verhältnissen schwierig. Und dann gib es noch die rechtlichen Dinge. Zumeist sind es die Mütter, bei denen die Kinder nach der Trennung leben. Der Anteil liegt bei rund 90 Prozent. Sie sind auch diejenigen, die beispielsweise wegen der Erziehungsarbeit aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind oder eben Teilzeitjobs haben und dann in der Regel schnell wieder voll einsteigen müssen.

Aus meiner Sicht gibt es bei einer Trennung viele Verlierer, denn allein die wirtschaftliche Situation bedeutet ja: aus einem Budget müssen jetzt zwei Haushalte finanziert werden. Und auch die Kinder müssen dabei eine große Last tragen. Mit, durch und nach Corona hat sich zudem noch vieles verschärft, es ist eine große Erschöpfung zu spüren. Themen wie Selbstfürsorge, psychische Gesundheit und Life-Work-Balance sind noch einmal mehr aus dem Blick geraten.

Redaktion

Wie kann das „wir2“-Bindungstraining helfen? Was ist das Besondere daran?

Remmert

Das Training besteht aus mehreren aufeinander aufbauenden Modulen. Zunächst geht es um die Selbstwahrnehmung des alleinerziehenden Elternteils. Es gilt zu erkennen, wer ich bin, wie ich mit meinen Gefühlen in Kontakt komme. Es geht um meine vielen verschiedenen Rollen und die Hüte, die ich aufhabe. Da ist der Elternhut, der berufliche Hut, der Hut als Schwiegertochter oder -sohn. Sie alle stellen andere Anforderungen an mich.

Eines darf nicht vergessen werden: Wer sagt, ich gehe, hat ein anderes Standing. Die Person, die im ersten Schritt die Trennung nicht wollte, muss ganz anders mit der Situation klarkommen und steht stärker in der Gefahr, die Beziehung zu sich selbst zu verlieren. Die Stresssysteme, in denen die Person gefangen ist, zehren am Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Es gilt also, ressourcenorientiert zu schauen. Die eigene Wertschätzung ist ein großes Thema und die Betroffenen merken, dass da viel Luft nach oben ist.

Redaktion

Wenn die eigenen Stärken dann sozusagen entdeckt und gehoben sind, an welcher Stelle kommt die Bindung an die anderen Familienmitglieder – also an das Kind – ins Spiel?

Remmert

Gerade in der Trennungsphase ist das Kind im Solidaritätskonflikt. Es will beide Elternteile behalten, selbst wenn die Situation problematisch ist.  Sich in das Erleben eines Kindes hineinzufühlen, ist elementar. Wenn ein Kind weint, lautet die Reaktion oftmals: „Ist doch gar nicht so schlimm.“ Diese Reaktion nimmt aber die Realität des Kindes nicht ernst. Denn wenn das Kind weint, ist es aus seiner Sicht schlimm, es ist traurig. Wie aber sehen die Grundbedürfnisse des Kindes wirklich aus, wie drückt es seine Gefühle aus und wie können Eltern, die die Hauptbezugsperson sind, diese feinfühlig beantworten?

Redaktion

Wie sieht da der erste Schritt aus?

Remmert

Erst einmal überhaupt erkennen, dass da ein Konflikt ist. Wenn ich in der Konflikt- und Trennungsberatung den Fokus auf die Bedürfnisse der Kinder lenke, beobachte ich immer wieder die Reaktion: „Ach ja, Kinder haben ja auch ihre eigenen Bedürfnisse.“ Eltern kämpfen in und nach Trennungen ums eigene Überleben. Mit Rollenspielen beispielsweise werden die Auswirkungen auf das Kind und dessen Bedürfnisse nochmal deutlicher gemacht. Hier geht es um einfühlsames Zuhören. Und das ist gar nicht so leicht. Wenn das Kind aber spürt, da ist jemand für mich da, mir hört jemand zu, ich werde gesehen in meiner Situation, dann ist schon viel erreicht.

Eine Mutter umarmt ihre Tochter
Redaktion

Heutzutage wird alles nur Mögliche unternommen, um Kinder allumfassend zu versorgen und den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Auf der anderen Seite fehlt es an Bindung…

Remmert

Wo es finanziell machbar ist, kann man dann schon mal von Verwaltung sprechen. Tatsächlich muss man aber bei den Lebenswelten unterscheiden. Zum Beispiel bei Ganztagsschulen und -betreuung. Da ist der Alltag nochmal anders, Stichwort Fremdbetreuung. Das Kind wird erst spät abgeholt, dann aber muss noch gekocht oder sonst irgendetwas erledigt werden.

So oder so, unterm Strich bleibt wenig Zeit miteinander. Gleichwohl ist das Bedürfnis nach Bindung da. Manchmal aber fehlt das Bewusstsein, dass Bindungsbedürfnisse erfüllt und gestaltet werden müssen. Da stellt sich die Frage: Habe ich und hat mein Kind verlässliche Bindungen und Beziehungen?

Redaktion

Stichwort Helikopter-Eltern. Man will nur das Beste fürs Kind. Und trotzdem bleibt die Bindung auf der Strecke…

Remmert

Da geht es vielleicht in erster Linie um das Sicherheitsbedürfnis der Eltern selbst. Sie wollen ihren Kindern die besten Chancen für ein erfolgreiches Leben bieten…

Redaktion

Um das auseinanderzuhalten, braucht es schon viel Einsicht.

Remmert

Und vor allem Alternativen. Was bedeutet es denn, wenn montags das Kind Schwimmunterricht hat, dienstags Musikschule, mittwochs Chor… Manche Eltern haben Schwierigkeiten, mit ihrem Kind etwas anzufangen.

Gerade in Stresssituationen erleben wir vielleicht auch das Bild von dem überbetreuten Kind. Vielmehr aber wird Bindung gerade durch ganz einfache und alltägliche Sachen erfahren und nicht durch große. Ein Buch vorlesen oder zusammen eine Kissenbude im Zimmer bauen.

 

Eine Kissenbude bauen oder aus einem Buch vorlesen - auch ganz einfache Dinge können die Bindung zwischen alleinerziehenden Eltern und ihren Kindern stärken.
Redaktion

Welche Unterstützung bietet da das „wir2“-Bindungstraining?

Remmert

Elternkompetenz ist nicht automatisch da. Wenn in eine Partnerschaft ein Kind hinein geboren wird, ist das auch eine krisenhafte Erfahrung für eine Familie, weil sich die Rollen ändern. Dass ein Kind immer und nur das größte Glück bedeutet, ist eine romantische Illusion, die auch durch Medien wie Disneyfilme verbreitet wird. Da wird geheiratet und man reitet gemeinsam in den Sonnenuntergang.

Aber eigentlich fängt das wirkliche Leben mit all seinen Herausforderungen dann erst an. In einem Modul des „wir2“-Trainings geht es um aktuelle Lösungen im Alltag. Wie werden Konflikte konkret angegangen, wie kann man sich vernetzen, was braucht die Familie und jeder einzelne Teil in ihr? Die Teilnehmenden können viele praktische Dinge mitnehmen, der Austausch untereinander in den Kursen ist sehr hilfreich.

Redaktion

Das „wir2“-Training bindet Eltern über 20 Wochen. So eine Vereinbarung verbindlich einzugehen, ist für Eltern mitunter schwierig. Gibt es alternative Programme oder Tipps?

Remmert

In solchen Fällen empfehle ich die Einzelberatungen in unseren Beratungsstellen. Auch gibt es verschiedene Kurse von Kess-erziehen – die werden auch von der kefb angeboten – oder beispielsweise die App „Entspannt erziehen“, ebenfalls vom Kess-erziehen-Institut.

Das "wir2"-Bindungstraining für alleinerziehende Eltern und ihre Kinder

Entwickelt wurde das „wir2“-Bindungstraining unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Matthias Franz, Facharzt für Psychosomatische Medizin, Neurologie und Psychiatrie, und seinem Team an der Universitätsklinik Düsseldorf (anfangs PALME genannt).

Seit Anfang 2014 setzt die Walter-Blüchert-Stiftung das Programm unter dem Namen „wir2“ um. Zunächst ausschließlich für Mütter angelegt, steht „wir2“ allen Alleinerziehenden offen, die bei der Bewältigung besonderer Herausforderungen Unterstützung wünschen.

Das „wir2“-Bindungstraining wird im Erzbistum Paderborn von der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) sowie der Katholische Erwachsenen- und Familienbildung (kefb) angeboten. Das Bindungstraining umfasst 20 wöchentliche Gruppensitzungen zu je 90 Minuten, parallel findet Kinderbetreuung statt. In der Corona-Pandemie wurde das Online-Format wir2@home entwickelt und durchgeführt.

Weitere Informationen zum „wir2“-Bindungstraining finden Sie auf den Seiten der EFL und der kefb

Ansprechperson bei der EFL ist Rita Remmert (05251-26071, rita.remmert@erzbistum-paderborn.de).

© Erzbistum Paderborn
Wir zuliebe: Im Leben läuft nicht immer alles glatt. Professionelle, persönliche Hilfe erhalten Menschen bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) im Erzbistum Paderborn – online und 22 Mal vor Ort. Die Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung steht grundsätzlich allen Menschen in allen Situationen des (Erwachsenen-)Lebens offen, unabhängig von Lebenssituation, Religionszugehörigkeit und Konfession. Grundlage der Tätigkeit ist ein christliches Wertegefüge. Die Beratung ist kostenlos, finanziert werden die 22 Beratungsstellen im Bistumsgebiet und sämtliche Angebote aus Kirchensteuermitteln sowie aus öffentlichen Zuschüssen. Die Beratung erfolgt ausschließlich durch Fachkräfte. Alle Beraterinnen und Berater verfügen über einen Studienabschluss in Psychologie, Sozialer Arbeit, Theologie oder in vergleichbaren Gebieten.

Für unseren Glauben, unsere Kirche und für unser Engagement sprechen 1000 gute Gründe. Und noch viele mehr. Es ist Zeit, von ihnen zu erzählen! Ohne etwas zu verschweigen oder schön zu reden. Sondern, indem wir auch das Gute wieder zur Sprache bringen und sichtbar machen, wie lebenswert und vielfältig unser katholisches Glaubensleben ist. In einer einladenden, konstruktiven Haltung möchten wir mit Menschen ins Gespräch kommen.

Wir möchten hören, was Sie im Leben und Glauben trägt – egal, ob Sie in der Kirche arbeiten, ob sie engagiert sind oder ob Sie einfach neugierig auf unsere Themen und Angebote sind. Alle sind herzlich eingeladen, bei der Initiative „1000 gute Gründe“ mitzumachen. Denn je mehr wir sind, desto stärker ist unsere Stimme. Und umso stärker wird unsere Initiative, die in den kommenden Jahren und Monaten immer weiter wachsen wird.

Ein Beitrag von:
Freie Journalistin

Birgit Engel

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