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Erzbistum Paderborn
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230824_PM_Schwangerschaftsabbrüche_Regelung_Schallenberg_1_Foto© Benjamin Krysmann / Erzbistum Paderborn

„Wir streiten für das Recht der Frau und das Recht des Kindes“

Moraltheologe Peter Schallenberg zur Diskussion über die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen

Die Frage nach Schwangerschaftsabbrüchen regelt in Deutschland Paragraf 218 des Strafgesetzbuches. Ob es eine Regelung zukünftig auch außerhalb des Strafrechts geben kann, prüft derzeit eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission. Hintergrund ist die wiederholte Forderung, den Paragrafen 218 abzuschaffen und die bisherige Regelung zu reformieren. Sollten Frauen in Deutschland eine Schwangerschaft zukünftig selbstbestimmt und frei abbrechen dürfen? Der Paderborner Moraltheologe Professor Dr. Peter Schallenberg ist skeptisch. Er sieht gleich mehrere Gefahren sowie rechtliche und ethische Grenzen.

Herr Professor Schallenberg, was sagen Sie zu der Forderung, Paragraf 218 des Strafgesetzbuches abzuschaffen und die bisherige Regelung zu reformieren?

Professor Schallenberg

Diese Forderung ist erklärtermaßen Teil einer radikal feministischen Deutung von Paragraf 218 des Strafgesetzbuches. Sie stellt mutwillig und wohlfeil den mühsam errungenen Kompromiss über die strafrechtliche Behandlung der Tötung eines unschuldigen Menschen in Frage.

Warum halten Sie die wiederholte Forderung für den falschen Weg?

Professor Schallenberg

Die geforderte Abschaffung der geltenden Regelung halte ich aus zwei Gründen für vollkommen falsch: Erstens widerspricht die beabsichtigte Streichung der Erklärung von Rechtswidrigkeit der Tötung eines ungeborenen Menschen und die Strafandrohung in einigen Fällen fundamental der Rechtsordnung, die in Deutschland auf Grundlage des Naturrechtes als Personenrecht beruht und zwar konkret auf Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dies gilt unbedingt, unter Absehung jeder Bedingung von Schuld eines Menschen – weswegen auch die Todesstrafe für einen schuldigen Menschen verboten ist – oder Umständen der Tat, etwa im Fall der Vergewaltigung.

Allenfalls ist, wie es der derzeitige Kompromiss im geltenden Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches korrekt vorsieht, eine Differenzierung von Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit möglich, in sehr schweren Fällen, in denen eine Zumutbarkeit der Schwangerschaft für die Frau vom Gesetzgeber nicht durchführbar und durchsetzbar erscheint. Daher eben die straffreie Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs nach vorheriger Beratung trotz bestehender Rechtswidrigkeit, wie es Paragraf 218 im Strafgesetzbuch vorsieht. Das bedeutet aber auch: Es gibt kein Recht auf Abtreibung, es bleibt ein Unrecht gegenüber dem ungeborenen Kind, auch wenn der schwangeren Frau himmelschreiendes Unrecht zuvor angetan wurde. Abtreibung bleibt als direkte Tötung eines Menschen Bestandteil des Strafrechts.

Nicht betroffen hiervon ist der vitale oder medizinische Konflikt: Wenn nur das Leben der Mutter oder das Leben des Kindes gerettet werden kann, ist der Arzt zur Rettung der Mutter auch um den Preis der in Kauf genommenen Tötung des Kindes – als Nebenfolge der medizinischen Handlung – berechtigt, da es sich dann um – moraltheologisch gesehen – eine Handlung mit Doppeleffekt und nicht um eine direkt gewollte und angestrebte Tötung des Kindes handelt.

Und das ist dann auch mein zweiter Grund, warum ich das Vorhaben für falsch halte: Wir würden hinter diese wichtige Differenzierung und den Kompromiss zwischen den Gütern des Selbstbestimmungsrechts der Frau und des Lebensrechts des Kindes zurückfallen in die graue Vorzeit grausiger rechtsfreier Räume. Denn: Das Strafrecht und überhaupt der Gesetzgeber betrachten mit besonderer Sorgfalt den je schwächeren Teil der Rechtsordnung, in diesem Fall also das ungeborene Kind, das selbst seine Stimme zur Selbstbestimmung nicht erheben kann.

Was sollte aus Sicht der katholischen Kirche ethisch unbedingt berücksichtigt werden?

Professor Schallenberg

Aus Sicht der katholischen Kirche geht es überhaupt nicht um eine Durchsetzung katholischer, oder päpstlicher oder vatikanischer Ansprüche oder Ideen; es geht schlicht und einfach um das unbedingt zu schützende Lebensrecht des Kindes. Ethisch unbedingt muss daher dessen größtmöglicher Rechtsschutz verbürgt sein, Hand in Hand freilich mit der Sorge um gute Beratung mit dem Ziel der Geburt des Kindes, mit dem Ziel der Unterstützung der schwangeren Frau und ihres Umfeldes um jeden Preis, ganz wörtlich gemeint, mit dem Ziel der Verankerung im öffentlichen Rechtsbewusstsein: Abtreibung ist Tötung und muss in jedem Fall aus Sicht des Gesetzgebers vermieden werden, auch wenn in begründeter Resignation und aus Respekt vor der Konfliktlage der Mutter der Gesetzgeber keine Strafmittel anwendet.

Das Thema Abtreibung führt häufig zu hitzigen Debatten bis hin zu Zerreißproben auch innerhalb der katholischen Kirche. Wie will sie in dem Ringen klaren Kurs für das ungeborene Leben halten?

Professor Schallenberg

Die katholische Kirche hält Kurs im Kampf für das ungeborene Leben in doppelter Hinsicht: politisch im Kampf um eine präzise Rechtsordnung und Einordnung der Abtreibung als Unrecht, auch im Fall der Straffreiheit, was in Europa ein einzigartiger und durchaus gelungener Gesetzesfall ist. Und zweitens begnügt sich die katholische Kirche nicht mit diesem Kompromiss, sondern kämpft in der Öffentlichkeit immer für das unbedingte Lebensrecht des ungeborenen Kindes und macht deutlich: Aus katholischer Sicht ist die straffreie Möglichkeit der rechtswidrigen Abtreibung kein guter Endzustand, sondern bestenfalls ein politischer Kompromiss, der trotzdem das unbedingte Lebensrecht des Kindes in vielen Fällen missachtet und daher kein Ideal ist. Am besten wäre es, überhaupt keine einzige Abtreibung geschähe.

 

„Inzwischen gilt der Lebensschutz als typisch katholisches Thema, dadurch wächst in sehr säkularer und auch antikirchlicher Gesellschaft die Polemik und Polarisierung. Hier wäre es wichtig, aus katholischer Sicht deutlich zu machen: Wir streiten für das Recht der Frau und das Recht des Kindes.“

Professor Dr. Peter Schallenberg

 

 

Warum fällt das Thema Lebensschutz oft so schwer, dass es sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche nicht selten zu Polarisierung und Polemik führt?

Professor Peter Schallenberg

Das Thema Lebensschutz an sich führt wohl nicht zu Polemik und Polarisierung, eher schon das ethische Dilemma der Selbstbestimmung der Frau gegen das Lebensrecht des Kindes; dann kommt es schnell zu harten und auch ideologischen Fronten. Dann kommt es auf Sachlichkeit an. Wer dieses ernste Thema zu instrumentalisieren versucht, disqualifiziert sich selbst. Zugleich gilt der Lebensschutz inzwischen als typisch katholisches Thema, dadurch wächst in sehr säkularer und auch antikirchlicher Gesellschaft die Polemik und Polarisierung. Hier wäre es wichtig, aus katholischer Sicht deutlich zu machen: Wir streiten für das Recht der Frau und das Recht des Kindes. Freilich gehört zum Recht und zur Selbstbestimmung der Frau auch das Bewusstsein, dass es keine vollkommen sichere Verhütung beim Geschlechtsakt gibt und daher jeder sexuelle Akt – und das betrifft ebenso den Mann und seine Verantwortung – grundsätzlich mit der Bereitschaft einher gehen müsste, entstandenes menschliches Leben, ein Kind also, zur Welt und zum Leben zu bringen.

Was meinen Sie mit dem „Recht der Frau“ für das die Kirche einsteht?

Professor Schallenberg

Das Recht der Frau kann definiert werden als Recht jedes Menschen, mit Würde und Respekt behandelt zu werden, in diesem Fall also nicht missbraucht oder vergewaltigt zu werden, nicht sexuelles Objekt zu sein und im Fall erlittener sexueller Gewalt jede nur mögliche Hilfe und Unterstützung zu erfahren. Wobei zu dieser Hilfe und Unterstützung – aus genannten Gründen – natürlich nicht die Tötung eines Kindes zählen kann. Ein entsetzliches Unrecht kann niemals geheilt oder gelöst werden durch ein anderes Unrecht, was auch dann ein Unrecht bliebe, wenn kein böser Wille oder eine psychische Zwangslage vorliegt.

Welche Hilfs- und Beratungsangebote macht die Kirche den Frauen, die Hilfe suchen?

Professor Schallenberg

Institutionell wird das katholischerseits vor allem über die Caritas organisiert. Es gibt viele Hilfsangebote, die sicher auch noch ausgebaut werden können und in Teilen auch ausgebaut werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel Hilfen für alleingelassene Frauen mit Säuglingen oder in einer noch früheren Phase die Beratungsdienste für schwangere Frauen. Daneben gibt es auch einige privat organisierte Initiativen wie beispielsweise „1000plus“ oder die „Stiftung Ja zum Leben“. Da passiert schon viel.

Wie kann die Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland möglichst geringgehalten werden?

Professor Schallenberg

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche wird nur einigermaßen geringgehalten werden können, wenn beides vorhanden ist: das feste Bewusstsein von der grundsätzlichen Rechtswidrigkeit und Unerlaubtheit der Abtreibung, die eben nicht eine Form verlängerter Verhütung ist, und die Förderung eines kinderfreundlichen Umfeldes und der entsprechenden Beratung von Frauen in Not mit der Bereitstellung jeder Art von Hilfe.

Wie kann die Diskussion versachlicht werden, damit gute Gespräche und schließlich Lösungen auf breiter Basis gefunden werden können?

Professor Schallenberg

Die Debatte versachlichen wird man nur durch ruhige Argumentation und den Hinweis, dass wir hier eigentlich nicht an katholischer Front, sondern an der Front des Humanismus und des Personenrechts kämpfen, nicht gegen, sondern für: für das unbedingte Recht des ungeborenen Kindes, zur Welt kommen zu dürfen.

Ein Beitrag von:
© ThF-PB

Benjamin Krysmann

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