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© paulaphoto / shutterstock.com

Pacem in terris Friede auf Erden

Die Enzyklika „Pacem in Terris“ von Johannes XXIII. gilt bis heute als wegweisendes kirchliches Dokument zum Thema Frieden. Msgr. Dr. Michael Bredeck zur Bedeutung des Schreibens – und zur Rolle von Päpsten in Krisenzeiten.

Ostern, das ist auch ein Fest des Friedens. Denn die Auferstehung Jesu erzählt davon, wie das Leben über Tod, Hass und Gewalt siegt. Der Gruß „Friede sei mit euch“ (Joh 20,19), mit dem der auferstandene Jesus in den Kreis seiner Jünger tritt, ist keine beiläufige Formulierung, sondern Programm.

Wir nehmen das Friedensfest Ostern und die wenig friedliche Weltlage zum Anlass, um an ein wegweisendes kirchliches Dokument zu erinnern: die so genannte Friedensenzyklika „Pacem in Terris“, verfasst vom inzwischen heiliggesprochenen Papst Johannes XXIII. (1881-1963). Erschienen ist sie am 11. April 1963, an einem Gründonnerstag, unmittelbar vor Ostern. „Pacem in Terris“ gilt als Vermächtnis von Johannes XXIII. an die Menschheit. Er starb nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung an seiner schweren Erkrankung.

Wir haben mit Monsignore Dr. Michael Bredeck, Leiter des Bereichs Pastorale Dienste im Generalvikariat und Johannes XXIII.-Experte, über die Bedeutung von „Pacem in Terris“ gesprochen. Im Interview geht es auch um die Rolle von Päpsten in Kriegs- und Krisenzeiten.

Redaktion

Johannes XXIII. wird auch „papa buono“, der gute Papst genannt. Warum war Frieden für ihn ein besonderes Anliegen?

Monsignore Dr. Michael Bredeck

Angelo Roncalli beschäftigte die Sehnsucht nach Frieden schon aufgrund seiner Biografie. In seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Diplomat des Heiligen Stuhls ist ihm der Einsatz für Ausgleich, für Kooperation über Konfessionsgrenzen hinweg, für Engagement gegen die Abwertung einzelner Gruppen immer wichtiger geworden. In Bulgarien hat er sich stark gegen die Hungersnot der dortigen Bevölkerung engagiert, in Griechenland arbeitete er gegen massive Vorurteile gegen die katholischen Gläubigen an. Zuvor hatte er den Ersten Weltkrieg als Sanitäter und Lazarettgeistlicher hautnah miterlebt. Im Zweiten Weltkrieg soll er für mehrere zehntausend Jüdinnen und Juden Ausreisemöglichkeiten über die Türkei nach Palästina mit vatikanischen Garantiescheinen organisiert und somit viele Menschenleben gerettet haben.

Redaktion

Woher bezog er seine Motivation für diesen Einsatz?

Monsignore Dr. Michael Bredeck

Seit seiner Jugend prägte Angelo Roncalli eine tiefe Spiritualität, die Jesus als „Guten Hirten“ verstand und dessen Nachahmung er in den Mittelpunkt seines geistlichen Lebens stellte. Als er dann sein Programm als Papst verkündete, geschah das unter der Überschrift des „Guten Hirten“, für den er eintreten wollte. Dazu gehören Stichworte wie Güte, Sanftmut und eben das Engagement für den Frieden. Johannes XXIII. wird als Menschenfreund beschrieben. Er war sich bewusst, dass alle Menschen Kinder des einen Vaters im Himmel und damit Geschwister sind.

Redaktion

Worin sehen Sie die besondere Bedeutung von „Pacem in Terris“?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Es ist die erste päpstliche Enzyklika, die sich an alle Menschen guten Willens wendet und nicht nur an die katholische Christenheit. Das ist bei diesem Thema natürlich naheliegend, war aber Anfang der sechziger Jahre ein revolutionärer Schritt, der innerhalb der katholischen Kirche große Verwunderung hervorrief. Deshalb diskreditierten manche das Thema als nicht spirituell, als nicht geistlich oder als „weltlich“. Das ist eine ähnliche Abwehr, die man heute auch bei den großen Themen von Papst Franziskus beobachten kann, etwa wenn er sich für die Bewahrung der Schöpfung oder eine gerechtere Weltordnung einsetzt. „Pacem in terris“ ist dem Überleben der Menschheit insgesamt und dem Beitrag des Christentums zu einer gerechten und friedlichen Weltordnung gewidmet. Das Schreiben leitet das Engagement für den Frieden direkt aus dem Wesen Gottes und dem Handeln Jesu ab. Es nimmt somit auch eine Grundeinstellung des Zweiten Vatikanischen Konzils vorweg, wie sie zweieinhalb Jahre später, im Dezember 1965, bei der Verabschiedung der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ sichtbar wird.

Johannes XXIII., der "gute Papst"

Papst Johannes XXIII. (1881-1963), der mit bürgerlichem Namen Angelo Roncalli hieß, engagierte sich Zeit seines Lebens für den Frieden auf der Welt. Schon in seiner Jahrzehntelangen Tätigkeit als Diplomat des Heiligen Stuhls setzte er sich für Verständigung, Ausgleich und Kooperation ein. Im Kalten Krieg und vor allem in der Kuba-Krise 1962 trat er als Vermittler zwischen Ost und West auf.

Johannes XXIII., den man auch „papa buono“, den guten Papst nannte, war in seiner Spiritualität tief geprägt von der Vorstellung von Jesus als „Gutem Hirten“, dem er stets nacheifern wollte. Die Enzyklika „Pacem in Terris“ gilt als sein Vermächtnis für die Menschheit. Am 27. April 2014 wurde Papst Johannes XXIII. zusammen mit Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen.

Redaktion

Welche Wirkung hat die Enzyklika damals entfaltet?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Auf alle Fälle wurden durch diese Enzyklika Papst Johannes – und auf dieser Basis auch alle seine Nachfolger – zu einer moralischen Autorität, deren Engagement für Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, später auch für die Menschenrechte und den interreligiösen Dialog weltweit anerkannt wird. Der Heilige Stuhl ist seitdem vielfach als Friedensvermittler tätig geworden oder unterstützte die friedliche Lösung von bewaffneten Konflikten. Auch das Weltgebet der Religionen in Assisi 1986, das ja mehrfach wiederholt wurde, ist letztlich dem Impuls von „Pacem in terris“ zu verdanken.

Redaktion

Wie hat Johannes XXIII. in der damaligen politischen Weltlage agiert?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Anfang der 60er Jahre war die Weltlage durch den Kalten Krieg und die Angst vor einem Atomkrieg geprägt. Im Herbst 1962 stand die Welt durch die Kubakrise am Rand eines dritten Weltkriegs. Wir wissen heute, wie stark die persönliche Vermittlung durch Johannes XXIII. und den Heiligen Stuhl gerade auch den sowjetischen Staatschef Chruschtschow beeindruckt und sicherlich auch beeinflusst hat. Johannes XXIII. war der Überzeugung, dass die Bewahrung des Friedens das Gespräch mit allen – auch mit den sowjetischen Machthabern, die zugleich massive Christenverfolger waren – dringlich macht. Diese Linie lässt sich im Agieren des Heiligen Stuhls bis in den derzeitigen Krieg gegen die Ukraine erkennen: mit allen zu sprechen.

Redaktion

Welche Rolle hat Papst Johannes XXIII. grundsätzlich für die kirchliche Beurteilung von Krieg und Frieden gespielt?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Auch Pius XII. und dessen Vorgänger im 20. Jahrhundert haben sich schon zum Thema Krieg und Frieden geäußert. Bei Papst Johannes XXIII. ist eine Verschiebung erkennbar, die spirituell gegründet ist. Das Engagement für den Frieden wird nicht primär als politisches Engagement bewertet und damit auch politisch instrumentalisierbar, sondern als Fortführung des Auftrags Jesu, der für Johannes XXIII. der Friedensfürst und Friedensstifter war. Dieser Linie sind die Päpste seitdem, soweit ich das sehe, treu geblieben.

Redaktion

Auch Papst Franziskus ist in der aktuellen kritischen Weltlage als Vermittler und Anwalt des Friedens gefragt. Ist seine Rolle heute mit der von Johannes XXIII. vergleichbar?

Msgr. Dr. Michael Bredeck

Ich sehe sehr viel Ähnlichkeit zwischen Johannes XXIII. und Franziskus. Das fängt schon bei ihrer Nähe zum heiligen Franz von Assisi und dessen Schöpfungsspiritualität sowie einer spirituellen Praxis der teilweise wörtlichen Imitatio (dt. Nachahmung) Christi an. Wie schon angedeutet, geht auch Franziskus davon aus, dass jedes Gespräch, auch mit Diktatoren und Aggressoren, gerechtfertigt ist, wenn es dem Frieden dient. Das ist eine Position, die angreifbar und offen für Missverständnisse ist, aber eine klare Priorität auf das Leben setzt. Johannes sah sich als spirituelle Leitfigur für alle Menschen, nicht nur für katholische Gläubige. Das sehe ich bei Franziskus ganz ähnlich ausgeprägt.

In seiner Enzyklika „Pacem in Terris“ formuliert Papst Johannes XXIII. richtungweisende Aussagen. Einige Beispiele:

Zur allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

Johannes XXIII. bekennt sich in der Enzyklika ausdrücklich zur „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ durch die Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948. Es ist das erste Mal, dass die Kirche dies offiziell würdigt.

„(…) Ein Akt von höchster Bedeutung ist die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die am 10. Dezember 1948 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde. (…). Wir verkennen nicht, dass gegenüber einigen Kapiteln dieser Erklärung mit Recht von manchen Einwände geäußert worden sind. Nichtsdestoweniger ist diese Erklärung gleichsam als Stufe und als Zugang zu der zu schaffenden rechtlichen und politischen Ordnung aller Völker auf der Welt zu betrachten. Denn durch sie wird die Würde der Person für alle Menschen feierlich anerkannt, und es werden jedem Menschen die Rechte zugesprochen, die Wahrheit frei zu suchen, den Normen der Sittlichkeit zu folgen, die Pflichten der Gerechtigkeit auszuüben, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. (…)“ (aus der Enzyklika „Pacem in Terris“, aus Nr. 75)

Gegen Kriege:

Mit Blick auf die Schrecken eines möglichen Atomkrieges stellt Papst Johannes XXIII. die traditionelle Lehre vom gerechten Krieg in Frage:

„Darum widerstrebt es in unserem Zeitalter, das sich rühmt Atomzeitalter zu sein, der Vernunft, den Krieg noch als das geeignete Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte zu betrachten.“ (aus der Enzyklika „Pacem in Terris“, aus Nr. 67)

Einrichtung einer umfassenden Autorität:

Zur Sicherung des Friedens fordert Johannes XXIII. die Einrichtung einer umfassenden globalen Autorität.

„Da aber heute das allgemeine Wohl der Völker Fragen aufwirft, die alle Nationen der Welt betreffen, und da diese Fragen nur durch eine politische Gewalt geklärt werden können, deren Macht und Organisation und deren Mittel einen dementsprechenden Umfang haben müssen, deren Wirksamkeit sich somit über den ganzen Erdkreis erstrecken muss, so folgt um der sittlichen Ordnung willen zwingend, dass eine universale politische Gewalt eingesetzt werden muss.“ (aus der Enzyklika „Pacem in Terris“, aus Nr. 71)

Die Zeichen der Zeit

In der Enzyklika spricht Johannes XXIII. zudem von weiteren „Zeichen der Zeit“, die eine wichtige Quelle für den Glaubensinhalt der Kirche seien. Dazu zählt er „den wirtschaftlich-sozialen Aufstieg der Arbeiterklasse“, die „Tatsache, dass die Frau am öffentlichen Leben teilnimmt“ sowie den Umstand, dass „alle Völker für sich Freiheit beanspruchen oder beanspruchen werden“. (aus der Enzyklika „Pacem in Terris“, Nr. 21ff.)

Ein Beitrag von:
Redaktion

Dr. Claudia Nieser

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