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Erzbistum Paderborn
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© Besim Mazhiqi

Die bewegte Geschichte des Klosters Wedinghausen

Vor 850 Jahren wurde das Prämonstratenserkloster Wedinghausen gegründet. Über Jahrhunderte war es Zentrum des Glaubens und des Geistes und europäisch vernetzt. Stadt- und Klosterführer Fred Risse erzählt

Im Kloster Wedinghausen blickt man auf eine 850-jährige Historie zurück. Über zwei Jahrhunderte lag das Gemäuer sozusagen brach. Verschwand mit der Säkularisation 1803 und der Aufhebung des Klosters durch den hessen-darmstädtischen Landgrafen aus der Wahrnehmung und fiel der Vergessenheit und auch dem baulichen Verfall anheim. Erst ab Mitte der 2000er Jahre geriet es wieder in den Blick. Mit Unterstützung des Erzbistums Paderborn, des Landschaftsverbandes und des Landes NRW hat man es in die Gegenwart zurückgeholt. Und jeder noch so kleine Bauabschnitt legte offen, was für eine reiche, wechselvolle, einzigartige Geschichte das Kloster zu bieten hat.

Fred Risse ist gebürtiger Arnsberger. Direkt neben den Klostermauern ist er aufgewachsen, wurde in der Klosterkirche getauft. Als Stadtführer ist er Botschafter seiner Heimat, deren Werden und Sein untrennbar mit dem Kloster verbunden sind. „Die Strahlkraft reichte weit über die Grenzen Arnsbergs und auch Westfalens hinaus, durch den Orden der Prämonstratenser war es europäisch vernetzt“, sagt er.

Die Prämonstratenser feiern Jubiläum

Der Orden der Prämonstratenser wurde 2021 nun 900 Jahre alt. Hintergründe, Besonderheiten und ein Einblick in die Geschichte des Prämonstratenserordens und das Wirken im Erzbistum Paderborn finden Sie in diesem Video.

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Licht und Schatten

Wedinghausen erlebte über die Jahrhunderte hinweg Blütezeiten und Niedergänge, Licht und Schatten, Frömmigkeit und Sünde. Reformationen, Kriege und Unglücke setzten ihm zu. Fehden, Streitigkeiten und Skandale, begründet in menschlicher Schwäche. Demgegenüber stehen Schlaglichter, die bis in die Gegenwart leuchten und auch der eine oder andere Heilige wirkte in den Mauern.

Viel ist über das Kloster Wedinghausen als religiöser, kultureller, wissenschaftlicher und weltlicher Ort, als eines der bedeutendsten Bau- und Bodendenkmäler der Region geforscht und geschrieben worden. Die Wissenschaften haben es aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Manche Geschichte über das Kloster ist aber auch allein wegen ihres Unterhaltungswertes populär. Etwa die über die Klostergründung durch den Arnsberger Grafen Heinrich I., die glatt als Stoff für einen abenteuerlichen Krimi herhalten könnte.

Heinrich I. stritt sich mit seinem jüngeren Bruder um das Erbe. Er hatte als Enkel Graf Friedrichs des Streitbaren wohl „dessen Jähzorn geerbt“, wie Risse scherzhaft bemerkt. Jedenfalls ließ er den Bruder in den Kerker werfen – was dieser nicht überlebte. „Der Bischof von Köln und Heinrich der Löwe, damals noch der große Sachsenherzog, wollten Heinrich I. daraufhin gefangen nehmen lassen. Das Arnsberger Grafenhaus konnte aber gut mit den Staufern und so fand er in Friedrich Barbarossa einen wichtigen Fürsprecher. Letztendlich stiftete Heinrich das Kloster als Sühneakt für die Schuld am Tod seines Bruders.“ Soweit die Erzählung. Ein weiterer Beweggrund für die Stiftung dürfte gewesen sein, dass Heinrich seine Machtstellung mit einem eigenen Hauskloster stärkte.

Der Prämonstratenserorden

Der Prämonstratenserorden wurde 1121 in Prémontré bei Laon durch Norbert von Xanten gegründet. 1126 folgte die Bestätigung durch Papst Honorius II. Gegenüber der ursprünglichen Bezeichnung Norbertiner setzte sich der Name Prämonstratenser in Anlehnung an den Gründungsort Prémontré durch. Die Prämonstratenser sind keine Mönche, sondern Chorherren, wobei ihre Ordensregel von der der Augustiner abgeleitet ist. Der Orden verbreitete sich in den ersten 100 Jahren schnell in ganz Europa. Das erste Kloster auf deutschem Boden entstand 1122 in Cappenberg. Prämonstratenser tragen eine weiße Tunika, ein weißes, bandartiges Zingulum und weißes Skapulier.

© David Hesse/ Erzbistum Paderborn
© David Hesse/ Erzbistum Paderborn

Die Grabkammer des Grafen eine archäologische Sensation

Was Fred Risse selbst am meisten begeistert, ist die Grabkammer des Klostergründers, die man 2018 bei Ausgrabungen im ehemaligen Kapitelsaal im Ostflügel des Klosters, dem einzigen heute noch erhaltenen Teil der mittelalterlichen Anlage, entdeckte. Ausgestattet mit figürlichen, mehrfarbigen Fresken ist sie eine archäologische Sensation. Bis zur Säkularisation hat an gleicher Stelle die Sandsteintumba des Hochgrabs von Graf Heinrich II. von Arnsberg und seiner Frau Ermengardis gestanden, die heute in der Propsteikirche aufgestellt ist.

„Heinrich I. ist nach dem Tod seiner Frau 1185 als Laienbruder in das Kloster eingetreten. Damit für sein Seelenheil immer gebetet wird und er die Auferstehung nicht verpasst, hat er sich dort auch begraben lassen. Ebenso wie sein Sohn und dessen Frau“, erzählt Risse und richtet den Blick zurück in die Vorzeit des Klosters. Erbaut wurde es auf dem Bergrücken der Arnsberger Ruhrschleife einen Kilometer südlich und in gerader Linie gegenüber der um 1100 von Friedrich dem Streitbaren errichteten Burg Arnsberg auf dem gräflichen Haupthof ‚Hof Wedinchusen‘, wo es schon eine Begräbnisstätte der Grafenfamilie – Friedrich der Streitbare soll hier begraben worden sein – mitsamt kleinem Gotteshaus gab. Ebenso wie das spätere Kloster war dieses dem heiligen Laurentius geweiht.

Shalom im Kloster

Seit Ende 2020 bewohnen die Missionare der katholischen Gemeinschaft Shalom den Ostflügel des Klosters Wedinghausen und führen dort ein geistliches Leben. Die Gemeinschaft ist vom Heiligen Stuhl als „Internationale Private Vereinigung von Gläubigen“ anerkannt. Die Mitglieder vollziehen in ihrem spirituellen, gemeinschaftlichen und apostolischen Leben eine besondere Lebensweihe. Das Hauptziel von Shalom ist die Evangelisierung: Die missionarischen Mitglieder sind dazu gerufen, in der Kirche, Jünger und Träger des Friedens zu sein, den Frieden, der Jesus selbst ist, zu leben, anzunehmen und der Welt zu verkünden.

Von der Klosterkirche zur Pfarrkirche

Nur 40 Jahre nach der Gründung widerfuhr dem noch jungen Kloster das erste Unglück. Ein Brand zerstörte die Kirche, allein Teile des romanischen Turms blieben übrig. Risse: „Es hat fast 150 Jahre gedauert, bis die gesamte Kirche, diesmal im gotischen Stil, wieder aufgebaut wurde, so wie sie sich heute darstellt. Bemerkenswert ist, dass man damals zwei Kirchen daraus gemacht hatte, die eigentliche Klosterkirche und eine Bürgerkirche. Sie waren getrennt durch eine zwei Meter dicke Mauer, die dann 1700 durch ein Eisengitter ersetzt wurde. Erst nach der Säkularisation wurde die Kirche zu einer, weil der preußische Staat den Arnsberger Bürgern die komplette Kirche geschenkt hat.“

Nur dem Papst unterstellt und mit den Menschen eng verbunden

Dass Heinrich I. die Prämonstratenser in sein Hauskloster holte, hing eng mit seinem eigentlichen Ziel, der Stärkung seiner Macht, zusammen. Der Orden nämlich war unabhängig vom Erzbischof, sodass neben Heinrich niemand sonst Einfluss auf die Niederlassungen auf seinem Besitz nehmen konnte. Zum anderen erbat er sich die Chorherren aus dem niederländischen Marienweerd, das 1129 von seinen väterlichen Vorfahren, den Edelherren von Cuijck, gestiftet worden war, statt aus dem benachbarten Cappenberg. So war Wedinghausen das einzige von Cappenberg unabhängige Prämonstratenserkloster in ganz Westfalen. Und es war das einzige, das nicht nur Adelige, sondern auch Bürger- und Bauernsöhne aufnahm. Zudem übte es die Paternität über die nah gelegenen und mit Frauen besetzten Prämonstratenserinnenklöster Rumbeck und Oelinghausen aus und damit über eine deutschlandweit einmalige Konzentration von Klöstern dieser Art.

Im Laufe der Zeit mehrten Schenkungen und Erbschaften den Reichtum des Klosters Wedinghausen. Es besaß große Ländereien, die verpachtet wurden. Im Kloster selbst waren Bürger beschäftigt. Die enge Beziehung zu der Bevölkerung rührte aber auch daher, dass die Prämonstratenser den Pfarrdienst übernahmen. Risse: „Sie beteten und arbeiteten nicht nur, sondern ihnen oblag auch die Seelsorge, was nicht immer einfach war. Beispielsweise erzählt die St. Georg-Kapelle mit dem Arnsberger Glockenturm als Wahrzeichen in der Altstadt von Streitigkeiten. Man wollte den Pastor von Hüsten, der Urpfarrei, aber von Köln wurde bestimmt, dass die Prämonstratenser das Pfarrrecht haben.“

Vielfältige Nutzung

Das Klosterensemble Wedinghausen besteht unter anderem aus der Klosterkirche St. Laurentius, dem Ostflügel in Besitz der Propsteigemeinde mit Kapitelsaal, Sakristei, Grafenkapelle und den Räumen der Gemeinschaft Shalom. Der Westflügel beherbergt seit 2004 das Stadtarchiv und Ausstellungsräume der Stadt Arnsberg. Ebenso hat der Arnsberger Heimatbund im ehemaligen Klosterbierkeller seine Heimstatt. Im Innenhof steht seit 2007 das sogenannte Lichthaus, das die Kubatur des früheren Südflügels nachzeichnet und als Ausstellungsraum genutzt wird. Das Gymnasium Laurentianum, das bereits 1643 als Klosterschule eröffnet wurde, liegt heute direkt in der Nachbarschaft.

Weltgeschichte geschrieben

In der langen Geschichte des Klosters beherbergte es verschiedene wichtige Persönlichkeiten – ab 1794 sogar gleich drei Könige: Der Kölner Erzbischof Maximilian Franz von Österreich war vor den französischen Truppen nach Wedinghausen geflohen. Er brachte sein ganzes Domkapitel und den Domschatz mit. Das machte St. Laurentius für zehn Jahre zur Bischofskirche. Und zur Herberge des Schreins mit den Reliquien der Heiligen Drei Könige.

Das Gymnasium Laurentianum, ein eigenes Skriptorium und darin eine Steinspeicherheizung, eine der ältesten bekannten mittelalterlichen Heißluftanlagen überhaupt, und eine Buchbinderei gehören ebenso zu den Schlaglichtern der langen Historie. Die wertvollsten Stücke der einst größten Klosterbibliothek im Sauerland befinden sich seit 1803 in Darmstadt sowie der Universitäts- und Landesbibliothek in Münster.

Die Schwarze Hand und das Muttermal des Königs von Österreich

Ein bedeutsamer Schreiber Anfang des 13. Jahrhunderts war Ludovicus scriptor. Er verfasste eine kostbare zweibändige Pergamenthandschrift des Alten Testamentes. Ebenfalls fleißig in der Kunst des Schreibens war einer der ersten Chorherren, der aus England stammende Richard von Arnsberg. Posthum erlangte er Berühmtheit durch die ‚Schwarze Hand‘, auch eine Geschichte mit gewissem Unterhaltungswert. Risse: „Er starb 1190, 1210 war der Klosterbrand. Bei dem dadurch notwendigen Wiederaufbau musste man sein Grab offenlegen, alles war verwest bis auf seine rechte Hand. Conrad von Heisterbach, der um 1250 lebte und wundersame Geschichten aufschrieb, berichtet davon. In den truchsessischen Wirren ging die Hand verloren. Erst 1714, als man das alte Beinhaus abriss, fand man eine solche wieder. Ob es sich jedoch um die von Richard handelt, ist nicht geklärt.“

Spannend ist auch die Geschichte des neuen Abthauses von 1666, der Prälatur. Sozusagen finanziert hat es der Konventuale Johann Richard Rahm. „Er war ein Alchemist mit großem Einfluss. Einmal war er beim König von Österreich. Zusammen versuchten die beiden Gold zu machen. Als der König den Blasebalg trat, entdeckte Rahm an dessen Hals ein großes Muttermal. Als Dank dafür, dass Rahm dieses entfernte, bekam er einen riesigen Edelstein. Als Rahm starb, hat man den zu Geld gemacht“, erzählt Risse.

Heilige und Selige im Erzbistum Paderborn

Die Heiligen von Wedinghausen sind: Reiner von Arnsberg, erster Propst des Stiftes, gestorben 1184. Christian von Wedinghausen, Abt ab 1186, unter dem Heinrich I. als Laienbruder in das Kloster eintrat, gestorben um 1200. Der Klosterstifter Heinrich I., gestorben 1200. Richard von Arnsberg, gestorben um 1190.

Jubiläumsjahr zu 850 Jahren Klostergründung

Die Ausführungen des Klosterführers zeigen: Die wechselvolle Geschichte des Klosters Wedinghausen hat viel zu bieten. Wer tiefer in die Geschichte und die klösterliche Kultur eintauchen möchte, kann dies im Rahmen des Jubiläumsjahres tun. 850 Jahre Klostergründung werden mit einem vielfältigen Programm aus Vorträgen, Führungen, Konzerten und weiteren Events gefeiert.

Und wer keine Gelegenheit hat, ins Sauerland zu fahren, kann mit dem ‚Chorherrentropfen‘ Geschichte auch zuhause genießen. Der Heimatbund, dem Risse angehört, hat diesem Stück Vergangenheit wieder Leben eingehaucht. „Die Darmstädter haben sich nicht für alle Bücher interessiert, manche sind im Kloster geblieben. In einem davon hat man drei Rezepturen gegen die Beschwerden des Alltags gefunden. Der Bruder Apotheker hatte aber nur die Zutaten, keine genaue Rezeptur aufgeschrieben. Daraus haben wir den Chorherrentropfen entwickelt.“ Das Etikett zeigt übrigens Heinrich I., in der Hand das Kloster, das er aus himmlischen wie weltlichen Gründen vor mehr als 850 Jahren gründete.

Das Programm des Jubiläumsjahres finden Sie hier:

Ein Beitrag von:
Freie Journalistin

Birgit Engel

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