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Serie "Mutige Menschen": Krankenhausseelsorgerin Friederike Schmidt

„Ich begegne Menschen, nicht Delikten oder Krankheiten”

Serie "Mutige Menschen": Krankenhausseelsorgerin Friederike Schmidt

Serie “Mutige Menschen”: Krankenhausseelsorgerin Friederike Schmidt

„Seelsorge ist für mich die Begegnung mit den Menschen. Dabei darf ich nicht moralisch oder wertend sein, sondern offen für den Menschen, dessen Anschauungen und Gedanken“, setzt sich Friederike Schmidt selbst Maßstäbe für ihre engagierte Arbeit in der Krankenhausseelsorge. „Wenn ich Angst hätte, könnte ich hier nicht arbeiten“, geht sie vorurteilsfrei ihren Aufgaben als Seelsorgerin für das Erzbistum Paderborn im LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn und der LWL-Klinik in Lippstadt-Benninghausen nach.

Menschen waren Friederike Schmidt – selbst empathisch, offen und neugierig – schon immer eine Herzensangelegenheit. „Meist sind es Patienten, die ich begleiten und denen ich begegnen darf. Aber es kommen auch Mitarbeitende zu mir, die selbst eine große Schwere tragen müssen“, weiß Schmidt nicht nur deren Arbeit zu schätzen, sondern kennt das Gefühl, das man gedanklich oft trennen muss. „Ich bemühe mich, diese Schwere nicht mit nach Hause zu nehmen, aber es gelingt mir nicht immer. Manchmal muss ich mir auch die Frage stellen, warum beschäftigt mich das eine mehr als das andere?“

Menschen, die sich Hilfe holen, findet Friederike Schmidt generell mutig. Ein fester Stamm an Patientinnen und Patienten sucht regelmäßig den Kontakt zu ihr. Dabei wird über „Gott und die Welt“ geredet, wenngleich es unterschiedliche Gründe für Gespräche gibt. Ihr Vorteil sei es, „absichtslos für die Menschen“ da zu sein. Nicht aus therapeutischen oder medizinischen Gründen, sondern einfach nur zum Austausch über Gutes oder Probleme. „Ich bin gebunden an die Schweigepflicht, darf nichts an die Mitarbeitenden weitergeben und habe keine Akteneinsicht – das will ich auch gar nicht. Ich begegne Menschen, nicht Delikten oder Krankheiten!“

Keineswegs warten auf sie nur Alltagsgespräche oder Small-Talk aus Langeweile. Gott, Glauben, Sinn und Schuld stehen genauso im Fokus und in den Wünschen der Patientinnen und Patienten wie eine Auseinandersetzung über Gottes Menschenbild. Bibeltexte werden gemeinsam gelesen, darüber kommt die Seelsorgerin oft  ins Gespräch, das stets auf den Stationen stattfindet – in manchen Fällen auch in Begleitung eines Angestellten der Klinik.

„Ich begegne Realitäten, Lebenswirklichkeiten. Die Umstände der Begegnung sind mir daher nicht so wichtig“, so Friederike Schmidt. Natürlich dürfe man nicht leichtsinnig werden, aber oft sei es doch so, dass man eine Sache gar nicht mehr so bedrohlich empfinde, wenn man sie kenne. „Mutig finde ich Menschen, die ihre eigenen und fremden Grenzen erkennen.“

Das Interesse an Menschen hat Friederike Schmidt ein Leben lang begleitet. Beim Blick auf die heutige Arbeit profitiert sie selbst aus ihrer Zeit als Jugendreferentin, wo sie „nebenher“ noch in einem Tattoo-Studio als Beraterin gearbeitet hat. „Die Leute tragen ihr Herz auf der Haut. So kann man selbst in einem Studio Seelsorge erleben. Hinter den Menschen – einem Klientel aus allen Schichten – stecken viele und interessante Geschichten.“

Die Klinik

Vor 27 Jahren wurde das heutige LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt gegründet. Zuvor waren die psychisch kranken Straftäter im damaligen „Sonderbereich Rottland“ innerhalb des Landeskrankenhauses Eickelborn untergebracht gewesen. Grundlage dieser Neustrukturierung als eigenständiges Krankenhaus und der damit begonnene Reformprozess war das Gutachten des Forensikers Professor Wilfried Rasch aus Berlin. Er hatte wesentliche Verbesserungsvorschläge und maßgebliche Standards zur Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher ausgearbeitet.

Der Maßregelvollzug erfüllt eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe: Psychisch kranke oder suchtkranke Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung eine Straftat begangen haben, werden zum Schutz der Bevölkerung in forensischen Kliniken mit hohen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht. Dort werden sie therapiert mit dem Ziel, sie zu einem straffreien Leben zu befähigen und ihnen ein möglichst eigenständiges Leben innerhalb der Gesellschaft zu ermöglichen.

Mutig auf die Lebenswirklichkeit aufmerksam machen

In Lippstadt hat sie für alle Konfessionen ein offenes Ohr. Während das Thema Kirche weniger stark gefragt sei, so sei eine Gottesbeziehung bei vielen Patientinnen und Patienten vorhanden und man setze sich auch gern damit auseinander. „Bei einer Depression geht manchmal auch das Gott-Vertrauen verloren, bei einer psychischen Erkrankung kann das Gefühl entstehen, von Gott verlassen zu sein“, fasst Schmidt Empfindungen zusammen. Viele denken auch, dass sie sich durch ihr Verhalten gegen Gott versündigt hätten, oder sie schreiben Gott zu, was sie sich nicht erklären können. „Aber es gibt auch Fälle, in denen Gott als Stütze angesehen wird. Denn Gott ist auch nach dem Verhalten, was zur Einweisung geführt hat, noch da. Gott lässt nicht vom Menschen ab.“

Ihren Auftrag der Seelsorge möchte Friederike Schmidt in das System der forensisch-psychiatrischen Kliniken einbringen. Sie erfährt dabei große Rückendeckung durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Die wertschätzende Begegnung verknüpft mit der Frohen Botschaft ist ihr persönliches Anliegen. Neben den persönlichen Gesprächen bleiben dazu auch der regelmäßige Gottesdienst und die Gründung eines kleinen Chores. Sie kann sich in den Einrichtungen im Ethik-Komitee einbringen und sich mit anderen Seelsorgerinnen und Seelsorgern fachlich sowie theologisch austauschen. Den Ausgleich findet Schmidt in der Natur – ob Radfahren oder Gartenarbeit – und beim Stricken.

„Mutig…“, hat Friederike Schmidt auch noch ein Ziel: „Zum Mut gehört es auch, auf die Lebenswirklichkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen aufmerksam zu machen, und ein System zu schaffen, wo man sich wertschätzend begegnet.“

Vita

Friederike Schmidt stammt aus dem Sauerland und war durch das Elternhaus mit der katholischen Kirche in Verbindung. Bei den Pfadfindern und in der Jugendarbeit engagierte sie sich, bevor sie direkt nach dem Abitur für ein Jahr als Aupair nach Amerika ging. „Es war eine beeindruckende Zeit, in der ich mit der Gastfamilie aus der Freikirche viel erlebt habe, und lernen konnte, über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Es war zugleich bereichernd und einschneidend“, erinnert sich die 35-Jährige, die sich durch diese Erfahrung für das Theologie Studium in Bonn entschieden hat.

Die Begegnungen mit Menschen lagen ihr schon früh am Herzen. Denn sie arbeitete während des Studiums nicht nur in einer Kneipe, sondern war auch aktiv beim „Stammtisch zur Pforte“ (Frühstück für Obdachlose und sozial Ausgegrenzte) – veranstaltet von der Katholischen Hochschulgemeinde in Bonn. „Das war meine erste Begegnung mit den sogenannten Menschen am Rande“, so Schmidt. Wertvolle Begegnungen konnte sie während des Studiums auch als Aushilfe im sozial-psychiatrischen Zentrum der Caritas sammeln, wo sie Menschen mit psychischen Erkrankungen betreut hat.

Nach dem Studium arbeitete Friederike Schmidt in der Jugendarbeit in Köln und brachte sich dabei ebenfalls in der Präventionsarbeit ein. Schulungen und die Begleitung von Krisenfällen gehörten hier zu ihren Aufgaben. Bevor die Diplom-Theologin dann im Januar 2018 ihre Tätigkeit in Eickelborn begann, war sie drei Jahre Krankenhausseelsorgerin in einem Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Dresden.

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