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Erzbistum Paderborn
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Gefaltete Hände auf einer aufgeschlagenen Bibel© BRAIN2HANDS / Shutterstock.com

„Beten ist wie einen neuen Kontinent betreten, jedes Mal aufs Neue“

Dompastor und Studierendenpfarrer Dr. Nils Petrat im Interview über „spirituelle Hausmittel“ und die Königsklasse des Betens
Redaktion

Herr Petrat, was ist Ihr „spirituelles Hausmittel“, um im Alltag zur Ruhe zu kommen?

Dr. Nils Petrat

Ich gehe kurz raus, wechsle das Setting. Ich versuche die Eindrücke und Gedanken aus dem letzten Termin loszulassen. Sich ein wenig aus der Welt rauszuziehen. Das geht für mich am besten, indem ich mich auf meinen Atem konzentriere und den Namen Jesu meditiere. Beim Einatmen „Christus“ und beim Ausatmen „Jesus“. Irgendwann geht das ganz automatisch und der Kopf wird freier. Wenn das mit dem Rausgehen nicht geht, suche ich mir einen stillen Fleck im Gebäude und mache das da.

 

 

 

 

„Wenn andere Menschen den Wert der Stille für sich entdecken, muss das erst einmal nichts Schlechtes sein. Doch die Frage ist: Was ist Methode und was Inhalt? Wenn es darum geht, warum wir das machen, sind wir ganz schnell wieder bei Jesus Christus.“

Dompastor und Studierendenpfarrer Dr. Nils Petrat

 

 

 

 

Redaktion

Stille, Meditation, Atemübungen – diese Begriffe könnten so auch in einem YouTube-Video zum Thema Achtsamkeit fallen. Was können Sie aus christlicher Perspektive mit diesem Trend anfangen?

Petrat

Stille ist ja keine christliche Erfindung. Wenn andere Menschen den Wert der Stille für sich entdecken, muss das erst einmal nichts Schlechtes sein. Im Gegenteil, vielleicht ergeben sich daraus sogar Anknüpfungspunkte. Doch die Frage ist: Was ist Methode und was Inhalt? Die Methoden können sehr ähnlich sein. Aber wenn es darum geht, warum wir das machen, sind wir ganz schnell wieder bei Jesus Christus. Denn durch diesen Jesus gibt es diese Verbindung von Himmel und Erde. Das hat kein Mensch aus eigener Kraft geschafft, das kann auch keiner schaffen. Daran kranken manche anderen Versuche, wenn sie denken, der Mensch könne selbst eine Verbindung zum Göttlichen herstellen. Im Christentum würden wir sagen: Da musst du demütig sein und dir das von Gott schenken lassen. Die Verbindung ist schon da, du musst dich nur in sie hineingeben. Vielleicht steht da noch etwas auf „Standby“ und du musst es auf „On“ stellen – dabei helfen dann spirituelle Übungen.

Redaktion

Wie führt man Menschen dann an diese christliche Spiritualität heran?

Petrat

Da gibt es viele Wege. Man kann eine Ahnung von Spiritualität bekommen, wenn man sich im Alltag mal bewusst für fünf Minuten in eine Kirche setzt und den Raum auf sich wirken lässt. Oder man tauscht sich mit jemandem über Glauben und Beten aus. Sucht sich gewissermaßen einen Verbündeten, der mit dem Thema zu tun hat und dem man vertraut. Ein dritter Weg wäre: Einfach mal ausprobieren. Und dann darauf zu achten, welche Auswirkungen das auf den Alltag hat. Ändert sich etwas, wenn ich regelmäßig einen Morgenimpuls bete oder abends auf den Tag zurückschaue?

Redaktion

Das wäre der Erstkontakt, wie geht es weiter?

Petrat

Wenn man christliche Spiritualität kennenlernen will, führt kein Weg an der Bibel vorbei. Man muss eine Verbindung zum Leben Jesu aufbauen. Und wie kann ich etwas über Jesus erfahren, wenn ich nicht in den Evangelien lese?

 

 

„Man kann sich mit jemandem über Glauben und Beten austauschen. Sucht sich gewissermaßen einen Verbündeten, der mit dem Thema zu tun hat und dem man vertraut.“

Dompastor und Studierendenpfarrer Dr. Nils Petrat

 

 

Redaktion

Welches Evangelium eignet sich als Einstieg?

Petrat

Ich würde immer mit Markus anfangen, weil es sehr kompakt und auf das Wesentliche reduziert ist. Oder Lukas, weil der so schöne Geschichten erzählt. Nur bei ihm finden wir den barmherzigen Samariter, den verlorenen Sohn, die Weihnachtsgeschichte. Und einen Paulusbrief kann man zum Einstieg auch lesen. Dabei sollte man jedoch nach einem gewissen Plan vorgehen und nicht einfach querbeet in der Bibel lesen.

Redaktion

Bibellesen – machen Katholiken das überhaupt?

Petrat

Christliche Spiritualität ist aus meiner Sicht immer biblische Spiritualität. Sie kann gar nicht ohne die Bibel, denn das ist die Quelle. Ältere Menschen sagen mir oft, dass sie das nie gelernt hätten und Bibellesen protestantisch sei. Bei jüngeren Menschen ist das Interesse da. Wenn sie sich dazu entscheiden, der Sehnsucht nach Gott nachzugehen, ist für sie sehr klar, dass sie sich mit der Bibel beschäftigen müssen. Die Texte – wenn auch nicht immer gleich oder einfach zu verstehen – sind ein Schlüssel zu Jesus, um ihn kennenzulernen. Ich muss ja wissen, mit wem ich es zu tun habe. Was wollte er denn, was waren seine Ideen, was waren seine Bilder, seine Forderungen?

Redaktion

Wenn man mit dem Beten anfangen will, braucht es dann die Worte großer Theologen?

Petrat

Das Schöne bei Gebeten aus dem Traditionsschatz der Kirche ist, dass ich nicht groß was erfinden muss, sondern in etwas einstimmen kann. So funktionieren die Psalmen. Die sind 2.500 Jahre alt oder älter, aber heute immer noch gut zu adaptieren. Meine persönlichen Favoriten sind Psalm 23 und Psalm 91, weil das Vertrauenspsalmen sind. Das Vaterunser kann man auch nicht oft genug beten. Weil da – beginnend mit dem ersten Wort „Vater“ – so viel drinsteckt.

 

Buchtipp: „Eine Sache des Vertrauens“

An Gott glauben ist ganz anders, als viele denken: befreiend, behütend, beglückend – und eine sehr persönliche Angelegenheit!

In einer Zeit, in der viel und zu Recht über die Institution Kirche diskutiert wird, lädt Nils Petrat ein, sich einem anderen, zentralen Aspekt zu widmen: dem eigenen Glauben, der individuellen Beziehung zu Gott.

Sein Buch ist ein klares Statement gegen eine entkirchlichte Spiritualität, gegen Glaubensverdunstung und Vertrauensverlust. Geschrieben für Leser, die ahnen, dass da viel mehr ist als alle sagen, die deswegen ihren Glauben (wieder-)entdecken wollen und ihre Beziehung zu Gott in all ihren wunderbaren Facetten leben möchten.

(Quelle: Bonifatius Verlag, Paderborn)

 

 

Redaktion

Wie ist das, wenn ich persönlich mit Gott ins Gespräch kommen möchte?

Petrat

Teresa von Avila nennt Beten das „Verweilen bei einem Freund“. Und für das persönliche Gebet würde ich Freundschaft auch als Modell sehen. Da geht es nicht darum, wie man etwas formuliert oder was man sagen darf. Was hat Freude bereitet, was hat genervt, wo waren Zweifel? Einfach raus damit! So hat Jesus nämlich auch gebetet: In der Bibel lesen wir, dass er sehr direkt mit seinem Vater spricht und mit ihm ringt.

Redaktion

Braucht es immer Worte beim Beten?

Petrat

Die Königsdisziplin des Betens ist, wenn Worte generell weniger werden. Wenn ich in ein stilles Verweilen vor Gott finde. Der Gottesname „Ich bin da“ ist ernst gemeint und wörtlich zu verstehen. Für mich ist das schweigende Gebet, das Sein vor Gott, das intensivste. So würde ich mir auch ein Bei-Gott-Sein im Himmel vorstellen. Dass man ihn gar nicht groß zutexten muss, sondern dass es da ein stilles Einverständnis gibt.

Redaktion

Was ist abschließend das, was Sie Menschen mitgeben möchten?

Petrat

Spiritualität ist kein Ankommen, sondern ein Unterwegssein. Das eigentliche Geschenk der Spiritualität liegt im Empfangen. Es geht nicht darum, etwas zu wollen oder zu erreichen, sondern immer wieder in diese Haltung der leeren Hände zu kommen. Und sich überraschen zu lassen, vorgefertigte Ideen hinter sich zu lassen und immer wieder neu zu verstehen, dass Gott größer ist als unsere Gedanken und alles, was wir uns vorstellen können. Beten ist eigentlich wie einen neuen Kontinent betreten, jedes Mal aufs Neue. Und ich finde, das ist etwas unheimlich Reizvolles.

Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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