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Erzbistum Paderborn
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© Ansgar Hoffmann / Erzbistum Paderborn

Die Liborius-Medaille für Einheit und Frieden

Ein im 4. Jahrhundert lebender Bischof aus Le Mans wird im 9. Jahrhundert zum Schutzheiligen von Stadt und Bistum Paderborn und verbindet seither die Kirchen beider Städte in grenzüberschreitender tiefer Freundschaft. Der heilige Liborius steht damit auch für das Friedensprojekt Europa.

Im Vorfeld der ersten direkten Wahlen zum Europäischen Parlament stiftete der damalige Paderborner Erzbischof Dr. Johannes Joachim Degenhardt 1977 die „St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden“. Die Auszeichnung wird an bedeutende Persönlichkeiten verliehen, die sich auf christlicher Grundlage um die friedliche Einheit Europas verdient gemacht haben.

Bisherige Preisträger

Erzbischof Hans-Josef Becker überreichte am 28.10.2007 im Rahmen eines Festaktes dem luxemburgischen Premierminister Dr. Jean-Claude Juncker die St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden. Mit der Medaille werden im Abstand von fünf Jahren bedeutende Persönlichkeiten geehrt, die sich auf christlicher Grundlage um die friedliche Einheit Europas verdient gemacht haben. „Das wichtigste an dem Kontinent Europa ist, dass es uns gelungen ist, aus dem Satz ‚Nie wieder Krieg’ ein politisches Programm zu machen“, sagte der luxemburgische Premierminister in seinen Dankesworten.

Dass es in der Geschichte niemals selbstverständlich gewesen sei, für die europäische Idee einzutreten, sagte Erzbischof Becker in seiner Laudatio. „Der Gedanke eines Europas in Frieden und Freiheit war und ist umstritten.“ Umso dankbarer könne man für Politiker und Staatsmänner sein, die sich der Idee eines geeinten Europas verschrieben hätten. Unter den aktiven Politikern sei der Luxemburgische Premierminister einer der bedeutendsten Europäer: „Das Kontinuum Europas heißt Jean-Claude Juncker“, stellte der Erzbischof fest, und würdigte dessen Verdienste um den europäischen Grundlagenvertrag, der erst vor wenigen Tagen in Lissabon verabschiedet wurde.

Am 27. Oktober 2002 überreichte Hans-Joef Becker, zu diesem Zeitpunkt Diözesanadministrator und Weihbischof im Erzbistum Paderborn, in der Kaiserpfalz zu Paderborn Seiner Kaiserlichen Hoheit Dr. Otto von Habsburg  die St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden in Anerkennung seiner Verdienste um die Einigung Europas. In seinem Dankeswort sagte der Preisträger, dass die St.-Liborius-Medaille für ihn vor allem eine Herausforderung darstelle. Denn die Idee Europa sei noch nicht vollendet.

Weihbischof Becker skizzierte in seiner Würdigung in wenigen Federstrichen das vielschichtige Leben und Wirken des Preisträgers, der manche Enttäuschung, Gewalt, Hass und Verfolgung habe durchleben müssen. „Ihren Einsatz für Europa, Ihr Bild vom Menschen, ja Ihre Vision von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden für Europa und die Welt hat dies nicht zerbrechen können. Als Mitglied im Europäischen Parlament sei sich Otto von Habsburg zwei Jahrzehnte lang der Quellen bewusst gewesen, „aus denen die Völker Europas trinken, die ihre Identität speisen“.

Die Geschichte Deutschlands ist auf das engste mit der Geschichte Europas verwoben. Deutschland hat jedoch wie kaum ein anderes Land das besonders schwere Leid der Teilung getragen. Mitten durch Deutschland, mitten durch Europa zog sich ein Eiserner Vorhang, der über fünf Jahrzehnte hinweg die Menschen voneinander trennte. Die Wunde der Teilung hat mit dazu beigetragen, dass viele, die in unserem Land politische Verantwortung getragen haben, sich verstärkt für die Einheit Deutschlands in einem zusammenwachsenden Europa eingesetzt haben. Zu dem Kreis dieser Persönlichkeiten gehört auch Bundeskanzler a. D. Dr. Helmut Kohl. Als er 1982 zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird, gehören zehn Europäische Staaten der Europäischen Gemeinschaft an. Von Anfang an setzt Kohl auf die deutsch-französische Achse, um die Einigung Europas voranzutreiben. Seiner geradlinigen Politik verdanken wir die Einheit Deutschlands und damit nicht zuletzt auch einen grossartigen Fortschritt auf die Einigung Europas hin.

Bei allem politischen Tun ließ Kohl die grundlegenden und tragenden Werte Europas nicht ausser Acht. Hierzu zählen auch die durch den christlichen Glauben grundgelegten Werte und durch die Soziallehre der Kirche entfalteten Prinzipien wie Personalität, Solidarität, Subsidiarität, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit. Hinzu kommen aber auch die durch die Menschenrechte getragenen Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit.

Als Ausdruck des Dankes für seine vielfältigen und beharrlichen Bemühungen um ein „dem Frieden und der Eintracht dienendes Europa“ erhielt Wladyslaw Bartoszewski, ehemaliger polnischer Außenminister, die Medaille. Erzbischof Degenhardt würdigte mit der Auszeichnung vor allem die Verdienste, die sich der überzeugte Katholik um die Versöhnung zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk erworben hat.

Trotz seiner Erfahrungen mit dem „bestialischen nationalsozialistischen Regime und dem kommunistischen Terror“ sei er ohne Bitterkeit geblieben. Als Opfer, Zeitzeuge und Chronist zweier Dikataturen habe Bartoszewski nicht schweigen wollen über die Unmenschlichkeit dieser Diktaturen und über das Unrecht der Vertreibung, das Millionen Deutsche und Polen erlitten hätten. Bartozewski trete ein für ein demokratisches Polen, für die traditionellen abendländischen Werte seiner Nation und für ein gemeinsames, vom christlichen Geist geprägtes Europa.

1989/1990 waren bewegende Jahre: der Eiserne Vorhang öffnete sich dank des Andranges der DDR-Flüchtlinge von Osten aus. Schon einige Jahre zuvor hatte Ungarn signalisiert, dass nun Hilfstransporte aus dem Westen möglich und willkommen seien. Kaum war das Signal angekommen, da ergriff Freifrau Csilla von Boeselager, selbst gebürtige Ungarin, die Initiative und organisierte die ersten Hilfstransporte. Ihr Einsatz mündete in die Gründung des “Ungarischen Malteser Caritas-Dienstes” – “zur Wahrung des Glaubens und zur Hilfe für Bedürftige” – zunächst in Deutschland, wenig später in Ungarn. Sie selbst wurde die erste Vorsitzende. Ihr Einsatz war so überzeugend, dass das Auswärtige Amt in Bonn und die deutsche Botschaft im August 1989 mit der Bitte an die damals schon Schwererkrankte herantraten, sich der unermeßlichen Zahl der Flüchtlinge aus der rasch zerfallenden DDR in Budapest anzunehmen. Was das an Aufopferung, Hingabe und Tatkraft erforderte, wird nur der ermessen können, der hinter den Zahlen die Gesichter der vielen einzelnen leidenden Menschen erkennt. Kaum einmal in der jüngeren Geschichte Europas ist der Dienst am Frieden so konkret gewesen. Csilla von Boeselager war die erste Persönlichkeit aus dem Erzbistum Paderborn und die erste Frau, der Erzbischof Degenhardt die Medaille überreichte.

Für die Verleihung der dritten Medaille wich der Erzbischof vom vorgesehenen Fünf-Jahres-Rhythmus ab. Der Grund dafür war der 1150. Jahrestag der Übertragung der Reliquien des heiligen Liborius von Le Mans nach Paderborn, den die Kirche von Paderborn 1986 festlich beging. In diesem Jahr wählte Erzbischof Degenhardt einen Mann aus, der aus der Heimat des heiligen Patrones stammte, den langjährigen Präsidenten der französischen Nationalversammlung und zeitweisen Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Dr. Pierre Pflimlin. Wie kaum ein anderer nach Konrad Adenauer und Robert Schumann hat er sich für die Aussöhnung und das Wachstum der Freundschaft zwischen Franzosen und Deutschland eingesetzt. Diese Freundschaft sollte Kern des wachsenden Europas sein. So galt der ganze Einsatz dieses vom christlichen Glauben tief geprägten Politikers dem Bemühen, die Repräsentanz der europäischen Bürger zu stärken, damit Europa unmittelbar erfahrbar und erlebbar wird. Damit half er, die Losung zu verwirklichen, die auf der Rückseite der Medaille eingraviert ist: “Einheit schaffen und Frieden stiften”.

Im Jahr der ersten direkten europäischen Wahlen war der Erzbischof von Krakau, Karol Kardinal Wojtyla, als erster Níchtitaliener seit vier Jahrhunderten zum Papst gewählt worden. Von Beginn seiner Amtszeit an wies Johannes Paul II. immer wieder darauf hin, daß zu Europa von ihrer Geschichte und Kultur her auch die Völker des Ostens gehören, die durch den Eisernen Vorhang vom Westen getrennt waren. Der christliche Glaube sei die gemeinsame Wurzel des Völker dieses Kontinents. Immer wieder richtete er den Blick der Menschen auf den Osten.

Derjenige, der im Bemühen um die christliche Einheit sich der Friedenssicherung widmete, war der ehemalige Erzbischof von Utrecht und damalige Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Jan Kardinal Willebrands. Er war bestimmt von dem Gedanken des II. Vatikanischen Konzils, daß das Zeugnis der Christen in der Welt um so glaubwürdiger ist, je mehr sie es gemeinsam ablegen können. Im Willen, daraufhinzu wirken, knüpfte er vertrauensvolle Kontakte zu den Kirchen des Ostens. Er war sich bewußt, daß die ökumenische Arbeit großer Geduld bedarf, aber in der Zukunft zum Erfolg führen wird. Die Zuerkennung der “St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden” an diesen unermüdlichen Ökumeniker sollte Zeichen und Ermunterung für viele sein, seinen Weg der Zielstrebigkeit, der Geduld und der unerschütterlichen Hoffnung für die Einheit der Kirche mitzugehen, die ein wichtiger Schritt auf den Frieden der Welt zu ist.

Während sich im Stiftungsjahr 1977 die nationalen Regierungen, Parteien und Bürger auf die Wahlen vorbereiteten, schien die Entwicklung der europäischen Institutionen seit einiger Zeit zu stagnieren. Schon im Dezember 1975 hatte der belgische Premierminister Leo Tindemans ein vielversprechendes Gutachten zur europäischen Entwicklung vorgelegt. Es ging von dem Grundgedanken aus: Europa muss gekennzeichnet sein von Offenheit für den Menschen und seine Personenwürde, seine Grundrechte und seine Freiheit. Es muß auch offen sein für jeden Teil der Wirklichkeit, der über das Meßbare, Konstruierbare, Erklärbare hinausreicht bis in die Tiefendimension des Kerns christlicher Botschaft. Der Autor des Gutachtens strebte für Europa eine Gesellschaftsordnung an, “die uns eigen ist und die Werte widerspiegelt, die zugleich Erbe und gemeinsame Schöpfung unserer Völker sind. Scheitern wir, so bringen wir unsere Demokratien in Gefahr und vererben unseren Kindern eine dekadente Gesellschaft”, hieß es in dem Gutachten.

Diese klare Haltung Tindemans in der Europapolitik war der Grund, weshalb der Erzbischof diesem Politiker die erste Medaille überreichte. In der Verleihungsurkunde heisst es dazu: “Ihre praktische Politik ist geprägt durch Ihre christliche Glaubensüberzeugung. Das Gutachten zeugt von Ihrer Verwurzelung in der Soziallehre der Kirche. Sie ziehen daraus konkrete Folgerungen, die den Menschen in den Mittelpunkt auch der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung stellen. Sie bekräftigen zum Wohle aller die Grundwerte, wie sie von der Kirche vertreten werden.”

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