Die Göttlichkeit Jesu hing an einem kleinen Buchstaben
Es ging in Nizäa um nichts weniger als die Göttlichkeit Jesu. Es gab Personen, die Jesus nicht als Gott bezeichnen wollten, weil sie so den christlichen Monotheismus in Gefahr sahen. Vor allem Arius, ein Presbyter aus Alexandria, vertrat diese Ansicht und fand damit viele Anhänger. Das Konzil von Nizäa verurteilte seine Ideen und entschied sich damit gegen das Iota. Es stellte fest: Jesus Christus als Sohn Gottes sei „wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesenseins (also homo-oúsios) mit dem Vater“. Mit dieser Klärung bekannte sich das Konzil zugleich zur Trinität (Dreifaltigkeit), denn auch für den Heiligen Geist sollte diese Wesenseinheit mit dem Vater gelten.
Doch welche Bedeutung hat es nun für uns, dass sich die Konzilsväter vor 1.700 Jahren gegen das Iota entschieden? Sind das mehr als theologische Spitzfindigkeiten aus längst vergangenen Zeiten? Durchaus, wenn man sich vor Augen führt, was hätte passieren können, wenn es das Konzil nicht gegeben hätte. Der Schluss liegt nahe, dass wir heute einen ganz anderen Glauben hätten und die Geschichte der Kirche anders verlaufen wäre.
Was, wenn es Nizäa nicht gegeben hätte?
Die folgenden Überlegungen bleiben natürlich Spekulation. Zudem sind Konzilien nach katholischer Lehre immer Werkzeuge des Heiligen Geistes, was andere Verläufe als die tatsächlich Geschehenen eigentlich ausschließt. Lässt man dies aber beiseite, liegt es durchaus im Bereich des Vorstellbaren, dass sich eine eigene Glaubensgemeinschaft gebildet hätte, wären die Ansichten von Arius nicht offiziell als „Irrtümer“ verurteilt worden. Diese Glaubensgemeinschaft hätte dann auf dem Bekenntnis beruht, dass Jesus zwar das höchste aller Geschöpfe gewesen sei, aber eben nicht Gott selbst. Auch die Vorstellung des dreifaltigen Gottes wäre von dieser Gemeinschaft abgelehnt worden.
Möglicherweise wäre es dann schon früh zu einer dramatischen Spaltung in der jungen Kirche gekommen. Vom 4. Jahrhundert an hätte es dann jene Christen gegeben, die sich zur Göttlichkeit Jesu (und des Heiligen Geistes) bekannten, und eben jene, die dies abgelehnt hätten. Es darf bezweifelt werden, dass der christliche Glaube mit diesen Voraussetzungen die gleiche prägende Kraft entfaltet hätte, wie er es dann in den folgenden Jahrhunderten getan hat. Denn die Glaubwürdigkeit hätte natürlich gelitten, wenn sich die Christen nicht einmal über das Wesen ihres Gründers einig gewesen wären. Vermutlich wäre so eine weniger zentralistische Kirche entstanden, mit vielen verschiedenen Strömungen.