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Erzbistum Paderborn
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Auf den Spuren des heiligen Liborius: Ein französisches Ehepaar pilgert von Le Mans nach Paderborn

Anne und Yannick pilgern über 900 Kilometer zum Libori-Fest nach Paderborn. Was für sie zählt: Menschen begegnen

Auf einer eichenbestandenen Landstraße setzt ein überwiegend in Neongelb gekleideter älterer Herr mit seinem E-Bike zum Überholen von Anne und Yannick Peruisseau an. Dann fällt sein Blick auf die beiden Jakobsmuscheln, die an den Rucksäcken der beiden baumeln. „Buen Camino!“, grüßt der E-Bike-Fahrer und hält an. Er nestelt an seiner Fahrradtasche herum und präsentiert dann stolz seine eigene Pilgermuschel. Trotz der Sprachbarriere versteht Yannick, dass der Herr in drei Etappen von Werl bis nach Santiago de Compostela gefahren ist. Nicht mit dem E-Bike, sondern mit einem „normal one“. Das sei allerdings schon ein paar Jahre her, sagt der Mann.

Eine Reise als Abfolge von Begegnungen

„Jeder Tag unserer Pilgerreise ist auf seine Art besonders“, sagt Yannick, nachdem das letzte bisschen Neongelb hinter der nächsten Biegung verschwunden ist. „Jemandem zu begegnen, den oder die man nicht kennt, und dann doch ein wenig an seinem oder ihrem Leben teilzuhaben – das ist das Schöne an unserer Reise.“ Und wenn es ein Thema für ihre Reise geben sollte, dann wäre es: Begegnung. Denn wenn das Ehepaar aus Le Mans im Nordwesten Frankreichs über seine Pilgerreise spricht, dann geht es nur nebenbei um die goldenen Kornfelder von Chartres und die Dörfchen in den Hügeln des Bergischen Landes. Es geht vor allem um die Menschen, denen sie begegnet sind.

Aus Annes grau-pinkem Rucksack ragen zwei lange Pfauenfedern in die Höhe. Darauf sei sie häufig angesprochen worden. Sie erzählt: „Im Dreiländereck haben wir Menschen getroffen, die sagten: Wir haben euch vor drei Tagen in Lüttich gesehen. Und heute haben wir euch an den Pfauenfedern wiedererkannt.“ Es entspinnen sich Gespräche, über das Reisen, das Leben – und den heiligen Liborius, dessen Wappentier der Pfau ist.

Brüderlichkeit zwischen den Völkern

In Beyenburg bei Wuppertal geraten sie am 14. Juli in die Gedenkveranstaltung für die Flutkatastrophe vor zwei Jahren. Die Katastrophe und ihre Folgen haben die Menschen zusammengeschweißt, das spüren Anne und Yannick auch jetzt noch. Die Solidarität und Verbundenheit beschreibt Yannick mit dem Wort „fraternité“ – „Brüderlichkeit“. Er könne dafür kein passenderes Wort finden, sagt er. Denn mit dem gleichen Wort beschreibt er auch die Verbindung zwischen Le Mans und Paderborn.

Und diese „fraternité“ ist der Grund dafür, dass Anne und Yannick 910 Kilometer von Le Mans nach Paderborn laufen. Denn sie gehen nicht einfach irgendeine Strecke, nein, sie bewegen sich auf der Route, auf der 836 die Gebeine des heiligen Liborius von Le Mans nach Paderborn überführt wurden. Das Ergebnis dieser Reliquientranslation war nicht nur, dass das noch junge Bistum Paderborn nun über einen eigenen Heiligen verfügte – der jedes Jahr Ende Juli mit dem Libori-Fest gefeiert wird. Die beiden Kirchen von Le Mans und Paderborn schlossen auch einen „Liebesbund ewiger Bruderschaft“ miteinander. Der bis heute besteht.

Etwas, das trägt

Pilgern an sich sei schon eine gute Sache, sagt Anne. „Es ist wichtig, von Zeit zu Zeit das eigene Zuhause hinter sich zu lassen.“ Yannick ergänzt: „Es geht darum, das Überflüssige auszusortieren und sich eine gewisse Zeit lang auf das Wesentliche zu konzentrieren.“ Zweimal seien sie bereits den Jakobsweg gegangen – daher die Pilgermuscheln an ihren Rucksäcken. Aber die Reise, die sie jetzt gerade unternehmen, habe eine andere, ganz eigene Qualität. „Il faut trouver quelque chose, qui porte“, sagt Yannick. Man muss etwas finden, das trägt. Und für die beiden ist das die uralte Verbundenheit zwischen Le Mans und Paderborn, zwischen Franken und Sachsen, später Franzosen und Deutschen. Die allen Kriegen und Feindschaften zum Trotz nie abbrach und die bis heute gelebt wird.

Und wie sie gelebt wird, haben Anne und Yannick vor einem halben Jahr selbst erlebt. Sie sprechen von „providence“, von göttlicher Vorsehung, die sie dazu geführt habe: Im Januar sitzen sie zufällig im gleichen Zugabteil wie Mitglieder der Liborius-Fraternität und hören sie händeringend nach Unterkünften für die deutschen Gäste suchen. Traditionell besuchen sich Delegationen aus Le Mans und Paderborn zu Libori beziehungsweise zum Juliansfest – und die Paderborner Teilnehmendenzahl hat sich kurzfristig verdoppelt. Anne und Yannick erklären sich sofort bereit, Paderborner Jugendliche aufzunehmen. Und seitdem spielt die „fraternité“ – in ihrem doppelten Sinne als „Brüderlichkeit“ und als Liborius-„Bruderschaft“ – zwischen Le Mans und Paderborn eine große Rolle in ihrem Leben.

Lebendiger Liebesbund

Mit ihrer Pilgerreise wollen Anne und Yannick die „fraternité“ zwischen Deutschen und Franzosen lebendig halten. Gleichzeitig ist es genau das, was sie während der Reise selbst erfahren dürfen. Sie, die Fremden, werden aufgenommen und zum Abendessen eingeladen. Bis auf ein Ehepaar in Werl hätten sie niemanden im Vorhinein gekannt, sagt Yannick. Erst vor Ort haben sich die Adressen und Telefonnummern, die ihnen die Liborius-Fraternität mitgegeben hat, als echte Menschen entpuppt. Anne erzählt von dem Fotoalbum einer 90-Jährigen, von Rummikub-Runden und von dem einen Mal, als sich kein Bett für sie fand und sie zelten mussten – die Dame, in deren Garten sie das durften, habe sich bis spät in die Nacht mit ihnen unterhalten. Man hört den beiden Pilgern die Dankbarkeit an. Für die vielen Begegnungen entlang ihrer Route. Für die gelebte „fraternité“. Und das alles im Namen des heiligen Liborius.

Gehen und Beten

„Gehen und Beten“, sagt Anne. Das passe gut zusammen. Für all die Menschen, denen sie begegnet sind und die einen Teil der Strecke mit ihnen geteilt haben, beten sie. Auch dafür ist eine Pilgerreise gut: Im Alltag fehle ihnen oft die Ruhe zum Beten. Jetzt bleibe ihnen – neben dem Gehen – oftmals gar nichts anderes übrig, als zu beten. Für die beiden ist die Pilgertour auch im spirituellen Sinne eine besondere Zeit.

Auf ihrem Pilgerpass findet sich auch ein Gebet, in dem auf die Fürsprache der heiligen Liborius und Julian darum gebeten wird, die Brüderlichkeit zu stärken.

Die Route der Reliquien

Anne und Yannick Perruisseau konnten sich bei der Planung ihrer Route auf die in den mittelalterlichen Quellen beschriebenen Stationen der Reliquienübertragung von Le Mans nach Paderborn stützen. Für das heutige Frankreich sind die Punkte recht detailliert beschrieben: Le Mans, Chartres, Lutetia (das heutige Paris), der St.-Denis-Hügel (heute besser bekannt als Montmartre), danach Bavay (hier kreuzten sich alte Römerstraßen, die auch im Mittelalter noch benutzt wurden, heute eine Kleinstadt an der französisch-belgischen Grenze).

Danach folgt: nichts. Für den kompletten, heute deutschen Streckenabschnitt ist nicht eine Station überliefert. Erst die Ankunft in Paderborn wird wieder erwähnt. Deshalb halten sich Anne und Yannick an die Theorie einiger Historiker, dass die Gesandtschaft in Deutschland den wichtigsten Handelsweg der Region, den Hellweg genommen hat – und dass das für die Menschen damals so selbstverständlich war, dass sie es nicht für erwähnenswert hielten.

Zu den Stationen und dem Hellweg haben Anne und Yannick noch Kathedralen auf ihre Route aufgenommen. Deshalb stehen auch Versailles, Namur, Aachen und Köln auf ihren Pilgerpässen. Ihre ganze Route haben sie online dokumentiert, sie kann hier eingesehen werden:

© Daniel Jenny / Shutterstock.com
© Daniel Jenny / Shutterstock.com
Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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