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Erzbistum Paderborn
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Frei von Sklaverei und Tod

Interview mit Dr. Michael Menke-Peitzmeyer über die enge Beziehung zwischen Ostern und Pessach

Interview mit Regens Dr. Michael Menke-Peitzmeyer über die enge Beziehung zwischen Ostern und dem jüdischen Pessach-Fest

Das christliche Osterfest und das jüdische Pessach- oder Pascha-Fest sind eng miteinander verwoben. Darauf macht in diesem Jahr die Kampagne „#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst“ in besonderer Weise aufmerksam. Katholische und evangelische Kirche in Deutschland haben diese Kampagne anlässlich des Festjahrs „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gemeinsam gestartet.

Das aktuelle Monatsthema der Kampagne lautet: „Frei von Sklaverei und Tod: Pessach beziehungsweise Ostern“. Was sind die Hintergründe dieser engen „Beziehung“? Fragen an Regens Dr. Michael Menke-Peitzmeyer, Ansprechpartner für den jüdisch-christlichen Dialog im Geistlichen Rat des Erzbischofs von Paderborn.

Redaktion

Was feiern Jüdinnen und Juden am Pessach-Fest?

Dr. Michael Menke-Peitzmeyer

An Pessach feiern Jüdinnen und Juden die Befreiung Israels aus der Sklaverei Ägyptens. Der Gott Israels sendet dem Pharao Israels eindeutige Zeichen, damit er die Israeliten aus Ägypten in ihre Heimat ziehen lasse. In der letzten der so genannten zehn Plagen zieht Gottes Todesengel durch Ägypten und tötet alle Erstgeburten. Nur die Kinder Israels verschont er, denn diese hatten zuvor in Ägypten erstmals das Pessachfest gefeiert und ihrem Gott dabei auch ein Lamm geschlachtet. Auf Gottes Geheiß hin hatten sie die beiden Pfosten an ihrer Haustür und an der oberen Schwelle mit dem Blut des Lammes bestrichen. Dieses Lammblut sollte Gottes Todesengel ein Zeichen sein: Die Häuser, deren Türrahmen mit Lammblut bestrichen waren, wurden verschont. Daher rührt auch der Name des Pessachfestes, heißt Pessach doch so viel wie „Verschonung“ oder „Vorübergang“. Das Volk Israel flüchtet dann nach der zehnten Plage aus Ägypten und weiß Gott bei diesem so genannten „Exodus“ (= Auszug) an seiner Seite.

Redaktion

In den Anfängen des Christentums wurde die Feier der Auferstehung Jesu zeitgleich mit dem jüdischen Pessach-Fest gefeiert, bis heute besteht eine zeitliche Nähe zwischen den beiden Festen. Was ist der Grund dafür?

Dr. Michael Menke-Peitzmeyer

Es spricht historisch einiges dafür, dass Jesus, der ja selber Jude war, mit seinen Jüngern ein Pessachmahl gefeiert hat und dabei auch das ungesäuerte Brot, das zum Symbol für den schnellen Aufbruch zur Flucht der Israeliten aus Ägypten wurde, im Kreis seiner Jünger gebrochen hat. Zudem hat Jesus sein letztes Abendmahl am Vorabend des Pessachfestes gefeiert. Und im Lukasevangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu feiern.“ (22,15) Nach dem Pessachmahl wurde Jesus dann ja gefangen genommen, zeitnah zum Tode verurteilt und nach biblischer Tradition drei Tage nach seinem Tod am Kreuz von Gott zum Leben auferweckt. Hier zeigt sich also offensichtlich eine besondere zeitliche Nähe zwischen dem Pessachfest und dem christlichen Osterfest.

“Bei beiden Festen geht es um das befreiende Handeln Gottes an den Menschen. Während am Pessachfest die Befreiung der versklavten Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens erinnert wird, begehen Christen im Ereigniszusammenhang von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi das Gedenken an die Befreiung Jesu Christi aus den Fesseln des Todes – und zwar durch seine Auferweckung an Ostern. Hierin sehen wir Christen den Befreiungsakt Gottes schlechthin, gilt er doch nicht nur für seinen Sohn Jesus, sondern für alle Menschen, die an ihn glauben.”

Regens Dr. Michael Menke-Peitzmeyer

Redaktion

Gibt es auch eine inhaltliche Nähe zwischen den beiden Festen? Das aktuelle Monatsthema der Kampagne „#beziehungsweise: jüdisch und christlich“ legt das ja nahe…

Dr. Michael Menke-Peitzmeyer

Ja, bei beiden Festen geht es um das befreiende Handeln Gottes an den Menschen. Während am Pessachfest die Befreiung der versklavten Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens erinnert wird, begehen Christen im Ereigniszusammenhang von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi das Gedenken an die Befreiung Jesu Christi aus den Fesseln des Todes – und zwar durch seine Auferweckung an Ostern. Hierin sehen wir Christen den Befreiungsakt Gottes schlechthin, gilt er doch nicht nur für seinen Sohn Jesus, sondern für alle Menschen, die an ihn glauben. Von daher ist das Motto der gemeinsamen Kampagne von Juden und Christen anlässlich des Jubiläums der 1.700jährigen Präsenz des Judentums in Deutschland sehr treffend: „Näher als du denkst“. Und zwar aus zeitlichen wie inhaltlichen Gründen!

Redaktion

Gibt es in der Liturgie des österlichen Triduums Elemente, an denen die Nähe zum Pessach-Fest erfahrbar wird?

Dr. Michael Menke-Peitzmeyer

Die christliche Osterliturgie erinnert auch an die große Befreiungstat Gottes an den Israeliten, wenn zum Beispiel die Exodus-Geschichte im Wortgottesdienst der Osternacht vorgetragen wird und beim Lobgesang des „Exsultet“ auf die Osterkerze sowohl an Israels Auszug aus Ägypten als auch an den befreienden Sieg Jesu über den Tod erinnert wird. Dort heißt es unter anderem: „Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten befreit hat. Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg.“ Beim festlichen Gesang des Exsultet ist dieser inhaltliche Brückenschlag für mich stets ein bewegender Moment der Verbundenheit mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern.

“Frei von Sklaverei und Tod: Pessach beziehungsweise Ostern” lautet das aktuelle Monatsthema der Kampagne „#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst“. Katholische und evangelische Kirche in Deutschland haben diese Kampagne anlässlich des Festjahrs „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gemeinsam gestartet.

Redaktion

Auch bekannte Ostersymbole wie das „Osterlamm“ haben ihren Ursprung im jüdischen Pessachfest…

Dr. Michael Menke-Peitzmeyer

Genau! Denn auf welchem christlichen Ostertisch steht kein gebackenes Lamm, mit süßem Puderzucker geflockt oder mit Schokolade glasiert? Allein an diesem „sympathischen“ Zeichen ist deutlich zu sehen: Jüdinnen und Juden sind unsere älteren Geschwister im Glauben an Gottes befreiendes Handeln an uns Menschen. Und deshalb beziehen wir uns bewusst und ausdrücklich auf ein Ereignis, das für die jüdische Identität von enormer Bedeutung ist.

Redaktion

Wieso ist es wichtig, dass sich Christinnen und Christen an ihrem höchsten Fest auch an ihre jüdischen Wurzeln erinnern?

Dr. Michael Menke-Peitzmeyer

Zunächst einmal ist es, unabhängig von der speziellen Beziehung zwischen Juden und Christen, eine Frage des Respekts, sich seiner geschichtlichen Wurzeln zu erinnern. Das Christentum ist eben „nicht vom Himmel gefallen“, sondern verdankt sich dem Wirken Gottes zu allen Zeiten. Daher greift es wichtige Motive der Vor-Geschichte der jüdischen Religion auf und steht damit in einem großen heilsgeschichtlichen Zusammenhang mit dem gläubigen Volk Israel. Darüber hinaus ist das Thema „Befreiung“ bzw. „Erlösung“ eine gewissermaßen übergreifende Größe im Verständnis des Handelns Gottes an uns Menschen – mit aktuellen Bezügen auch zu uns heute: Denn welcher gläubige Mensch sehnt sich nicht nach der Befreiung aus den Lebenszusammenhängen, die ihn oder sie bedrängen und belasten, etwa im Kontext der mit vielen Nöten und Ängsten einher gehenden Corona-Krise?

Header-Foto: StunningArt / Shutterstock
Teaser-Foto: Copyright 2019, KNA GmbH, www.kna.de, All Rights Reserved

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