23.06.2022

Kontemplatives Gebet

Innere Ruhe? Gibt es das? Wie kontemplatives Beten mir hilft, diese Frage zu beantworten

von Elisabeth Strüber

Ich sitze in einem Meditationsraum und mache – gar nichts. Ich versuche es zumindest. Hier hocke ich auf dem Boden auf einem Kissen. Kontemplatives Gebet – so nennt sich dieses „gar nichts“.

Aber ist das denn wirklich „gar nichts“? Ich komme mir ein bisschen so vor wie ein buddhistischer Mönch, der meditiert. Ist das was ich hier mache überhaupt christlich?

Seit März, beziehungsweise seit Beginn der Fastenzeit, bietet die Berufungspastoral im Erzbistum Paderborn eine Einübung des kontemplativen Betens an. Jeden Dienstag ab 19:30 Uhr im Meditationsraum des Priesterseminars. Seitdem komme ich hin und wieder her. Wenn ich merke, dass mein Kopf und meine To-Do-Liste voll sind und ich mir wünsche, dass wenigstens für eine Stunde alles leer ist.

Ins Gebet hinein kommen

Kontemplatives Gebet – das heißt, sich dem eigenen Körper bewusst zu werden und mit dem Geist zu beten. Elisabeth Beckers leitet es an. Wir sitzen im Halbkreis vor dem Altarraum auf großen Sitzkissen. Zuerst gibt es einen Impuls, um in eine meditative Grundhaltung hineinzukommen. Meistens weiß ich hinterher gar nicht mehr worum es ging. Vielleicht ist in diesem Moment mein Kopf einfach noch zu voll vom Tag.

Danach schließen wir die Augen. „Wir werden uns unserem Körper bewusst. Wir konzentrieren uns zuerst auf unsere Füße“, sagt Elisabeth mit ruhiger Stimme, „und nun gehen wir mit unserem Bewusstsein langsam hoch zu den Unterschenkeln.“ Sie spricht langsam und deutlich. Sie macht zwischen jedem Satz und vor jedem „und“ eine Pause. So konzentrieren wir uns nacheinander auf unsere Füße, Unterschenkel, Oberschenkel, Oberkörper, Arme, Hände, Kopf und letztendlich auf unseren Geist, unser Bewusstsein. Dann ist auch Elisabeth still. Bestimmt für eine halbe Stunde.

Das Einzige, das wir in der Stille denken sollen, ist ein Gottesname. Ein Name Gottes, der uns besonders vertraut ist. Das kann „Gott“, „Jesus“, „Heiliger Geist“ oder beispielsweise auch „Jahwe“ oder „Ruach“ sein. Diesen Namen Gottes sollen wir durchgängig im Kopf wiederholen.

Konzentration

Den Geist von den eigenen Gedanken freizubekommen, das klingt einfacher als es ist. Immer wieder merke ich, wie ich abschweife und sich meine Gedanken doch um den Tag drehen.

„Stopp“, denke ich. Und wieder: „Gott, Gott, Gott, Gott, Gott, Gott ... Oh Gott, wann ist das hier vorbei?“ Es ist für mich eine Challenge. Konzentration, das muss ich üben. Innere Ruhe, auch das muss ich üben. Ja, ich will das. Aber warum eigentlich?

Stefan Kendzorra, der die Berufungspastoral im Erzbistum Paderborn leitet, betet jeden Morgen nach dem Aufstehen für 20 Minuten kontemplativ und das schon seit mehreren Jahren. Das erzählte er mir und anderen jungen Erwachsenen letztes Jahr auf Sommerreise der Berufungspastoral in der Schweiz. Dort leitete er uns in diese Gebetsform ein.

Seine Erfahrungen möchte er weitergeben. Stefan strahlt für mich eine innere Ausgeglichenheit aus. Etwas, das mir oft fehlt. Vielleicht kann ich mir das meditativ nach und nach aneignen. „Es ist ganz normal, dass man mit den Gedanken immer wieder abschweift und dass es schwer ist“, erklärt er. Ich bin erleichtert das zu hören. Es ist eine Herausforderung, die es wert ist, sich ihr zu stellen.

Folter oder Befreiung?

Ich denke an das erste Treffen im März zurück. Nach dem ersten Gebet, dachte ich, dass ich nicht wiederkomme. Es war zu anstrengend. Eine Stunde still sitzen, eine Stunde nicht reden, eine Stunde nichts denken und merken, dass ich das nicht schaffe. Als wir die Kissen aufräumten, sagte eine andere Teilnehmerin zu mir: „Also für mich ist das ja Folter.“ Gut zu wissen, dass es anderen ähnlich geht wie mir. Sie ist nicht wieder gekommen. Ich schon.

Eine Stunde lang mal nicht aufs Handy schauen. Eine Stunde lang nicht daran denken, was ich noch alles erledigen muss. Eine Stunde lang nicht von Reizen umgeben sein. Ist das nicht eigentlich ein Luxus? Sich eine Stunde nehmen, um einen neuen Weg zu Gott zu finden.

Eigentlich ist meine übliche „Gebetsform“ ganz anders. Wenn ich Gott irgendwie spüren möchte, dann mache ich zu Hause Worshipmusik an und singe oder summe mit. Oft ist das dann eine fünfminütige Pause, wenn ich gerade arbeite. Es ist keine bewusste Zeit für das Gebet. Vielleicht eher eine kurze Ablenkung von dem was ich gerade eigentlich mache.

In der Kontemplation nehme ich mir die Ruhe. Zeit zum Aushalten und innehalten. Ich nehme mir bewusst Zeit. Eine konkrete Zeit. Einen Termin mit Gott. Die Kontemplation hat doch etwas mit meinem eigenen Glauben zu tun. Es ist für mich ein neuer Weg meine Spiritualität weiter zu entdecken. Gott ist nicht nur in meinem fünfminütigen Worshippause da.

Gott kann und darf auch still sein. Wenn ich dann abends im Bett liege, merke ich, dass es ruhiger ist. Innere Ruhe. Ja, auch ich kann so etwas spüren. Ja, auch ich kann spüren, wie ich befreit sein kann von meinen Gedanken durch das Gebet. Alleine in die Kontemplation zu gehen, vielleicht morgens nach dem Aufstehen, das kriege ich heute noch nicht hin. Aber vielleicht bald.

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