Ich vermute stark, dass der eine oder andere westfälische Bauer die Frömmigkeit nicht allein den Mönchen überlassen wollte und deshalb eigene Glaubenszeugnisse bauen ließ.
Pastor Jürgen Bischoff
Kapelle Born, Hungerberg-Kapelle, Kapelle Bremerberg, Josephskapelle oder die hier abgebildete Hove-Kapelle, die von einem ehrenamtlichen Team gepflegt und in Schuss gehalten wird, dazu viele weitere Kirchlein, Kapellen und unzählige Bildstöcke:
Die ehemalige Abtei Marienmünster im Weserbergland ist umgeben von einem dichten Ring kleinerer Sakralbauten. Sie stammen aus vielen Jahrhunderten, sind den verschiedensten Heiligen geweiht und ihre Bauart und die künstlerische Qualität der Ausstattung könnten unterschiedlicher kaum sein. Die Errichtung der Kapellen geht ebenfalls auf unterschiedliche Motivationen zurück. Manche der Kapellen wurden von den Benediktinermönchen der Abtei Marienmünster gestiftet, andere sind als bewusster Gegenpol zum Kloster gedacht.
Ich vermute stark, dass der eine oder andere westfälische Bauer die Frömmigkeit nicht allein den Mönchen überlassen wollte und deshalb eigene Glaubenszeugnisse bauen ließ.
Pastor Jürgen Bischoff
Der in Höxter geborene und im Pastoralen Raum Steinheim-Marienmünster-Nieheim tätige Geistliche empfiehlt, bei jedem Besuch des ehemaligen Klosters Marienmünster und bei jeder Wallfahrt zum gotischen Bildnis der schmerzhaften Mutter Gottes einen Abstecher zu einer der Kapellen in der Umgebung zu machen: „Leider sind die meisten Kapellen in Privatbesitz verschlossen. Trotzdem geht von ihnen eine spirituelle Kraft aus.“
Geistliches Zentrum ist und bleibt natürlich die ehemalige Klosterkirche der Abtei Marienmünster und heutige katholische Pfarrkirche St. Jakobus d. Ä. und Christophorus. Das Westwerk, das Querschiff und der Turm über der Vierung sind herrliche Bauzeugnisse aus der Romanik. Die übrigen Bauteile und große Teile der Kirchenausstattung, darunter der beeindruckende Hochaltar und die Seitenaltäre, stammen aus der Barockzeit. Besonders imposant fällt das eiserne Gitter aus, das seit dem Jahr 1693 den Chorraum vom Kirchenschiff trennt. Ein weiteres Glanzstück der Kirche ist die 1738 vollendete Orgel des in Soest geborenen westfälischen Orgelbauers Johann Patroclus Möller.
Dass die Klosterkirche noch so gut erhalten ist, grenzt an ein Wunder. Am Anfang des Dreißigjährigen Krieges fielen Truppen des Herzogs Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel gleich zweimal in das Kloster ein und nahmen mit, was nicht niet- und nagelfest war. Was der „Tolle Christian“ übriggelassen hatte, legten in den letzten Kriegsjahren protestantische Truppen aus Hessen und Schweden weitgehend in Schutt und Asche.
Ab 1661 wurde die Kirche wieder aufgebaut. Doch 99 Jahre später, im Siebenjährigen Krieg, wurde das Kloster abermals geplündert, wobei Truppen aus Braunschweig und Hannover die Kirche diesmal sogar in einen Pferdestall umwandelten. Einen weiteren großen Einschnitt bedeutete die Säkularisation. Die Mönche mussten das Kloster, das in das Eigentum des preußischen Staates überging, verlassen. Anschließend veräußerten die Preußen nicht nur den Landbesitz des Klosters jeweils zur Hälfte an einen katholischen und einen protestantischen Landwirt, sie verkauften zudem Teile der Kirchenausstattung. Gerettet wurde die Klosterkirche nur deshalb, weil sie seit jeher auch als Pfarrkirche für die umliegenden Ortschaften diente und bis heute dient.
Ab dem Jahr 1968 versuchte eine kleinere Gruppe niederländischer Passionisten, das klösterliche Leben in Marienmünster wiederzubeleben. Die Ordensmänner übernahmen auch die seelsorgerischen Aufgaben in Marienmünster und in den umliegenden Dörfern. 2014 mussten die Passionisten jedoch aus Altersgründen aufhören und verließen Marienmünster. Die Seelsorge übernimmt seither der Pastoralverbund Marienmünster, während die Klosteranlage von der Kulturstiftung Marienmünster für musikalische Veranstaltungen und als Fortbildungsstätte genutzt wird. Als von vielen Kapellen umrahmtes „Kloster der Klänge“ hat es eine gute Zukunft vor sich.
Der diesjährige Bistumskalender nimmt uns mit auf eine Reise durch das Erzbistum Paderborn und macht jeden Monat Halt an zwei besonderen Orten: an zahlreichen Kapellen oder Kreuzwegen, die jeweils Zeugen einer interessanten Entstehungsgeschichte sind. Darüber hinaus erzählt der Kalender faszinierende Geschichten von Menschen, die mit diesen Orten verbunden sind – manchmal nicht nur über viele Jahre, sondern sogar über weite Entfernungen hinweg.
Wir stellen Ihnen hier alle zwei Wochen das neueste Kalenderblatt vor.