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Erzbistum Paderborn
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Verzweifelten Menschen Hoffnung geben

Ein Gespräch mit der Leitung der Telefonseelsorge Hagen-Mark zum Thema Suizid.

Themenspecial Hoffnung

Vor zehn Jahren nahm sich der Profi-Fußballer Robert Enke das Leben. Sein Tod sorgte damals für große Bestürzung und führte dazu, dass die Not suizid-gefährdeter Menschen große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfuhr. Birgit Knatz und Dr. Stefan Schumacher leiten gemeinsam seit mehr als zwanig Jahren die TelefonSeelsorge Hagen-Mark und begegnen in ihrer Arbeit regelmäßig Menschen, die jede Hoffnung verloren haben und ihr Leben beenden wollen. Wir sprechen mit Ihnen über die Gründe, die zu einem Suizid führen und über Möglichkeiten, gefährdeten Menschen zu helfen.

Redaktion

Vor zehn Jahren nahm sich der Profifußballer Robert Enke das Leben. Wissen Sie noch, was Ihre Gedanken waren, als Sie davon erfahren haben?

Birgit Knatz

Mein erster Gedanke galt seiner Frau. Ich dachte, wie gemein, erst stirbt die Tochter und dann bringt sich ihr Mann um. Ich habe gedacht, dass für sie jetzt eine richtige schwere Zeit anbricht und ich habe gehofft, dass sie nicht alleine ist. Mein zweiter Gedanke war: Schade, dass Herr Enke nicht angerufen hat. Vielleicht hätte ihm die TelefonSeelsorge „helfen“ können. Mein dritter Gedanke galt dem Lokführer, da wir gerade aus unserer Mailseelsorge wissen, wie sehr die Lokführer nach solchen Erlebnissen leiden.

Redaktion

Hinter jedem Suizid steckt ein ganz persönliches, individuelles Schicksal. Können Sie trotzdem allgemeine Gründe oder Faktoren nennen, die einen Menschen in ein Gefühl völliger Ausweglosigkeit führen?

Dr. Stefan Schumacher

Manche Menschen wollen nicht länger zur Last fallen oder sie können ihrem Leben keine Freude mehr abgewinnen. Andere bringen sich um, weil sie den Menschen, den sie geliebt haben, verloren haben und für sich keinen Lebenssinn mehr finden. Einsamkeit, Perspektivlosigkeit oder zu glauben, dass ich eine nicht wiedergutzumachende Schuld auf mich geladen habe, sind neben psychischen Erkrankungen Gründe für einen Suizid.

Redaktion

Sie arbeiten in der TelefonSeelsorge und haben regelmäßig mit Menschen in tiefen Krisen zu tun. Woran merken Sie, dass ein Mensch suizid-gefährdet ist?

Birgit Knatz

Dadurch, dass wir nicht nach dem Namen fragen, erreichen wir Menschen, die sich sonst nicht trauen würden, Hilfe aufzusuchen. Viele Mädchen und Jungen, Frauen und Männer, die sich sonst schämen würden, von ihren Suizidabsichten zu erzählen, öffnen sich im Gespräch und noch mehr im Chat. Hier hat TelefonSeelsorge einen Vertrauensvorschuss; wir hören und lesen auch das Un-Erhörte – das, was andere vielleicht überhören oder überlesen, weil es zu schwierig ist oder weil es Angst macht.

“Die Sehnsucht nach dem Tod ist die Sehnsucht nach dem Leben”, sagen Birgit Knatz und Dr. Stefan Schumacher, die gemeinsam die TelefonSeelsorge Hagen-Mark leiten. Gemeinsam mit 90 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind sie Tag und Nacht für Menschen in Not da.

Insgesamt gibt es im Gebiet des Erzbistums Paderborn sechs TelefonSeelsorge-Einrichtungen. Die Stellen befinden sich in Bielefeld, Dortmund, Hagen, Hamm, Paderborn und Siegen. Sie werden gemeinsam von der katholischen und der evangelischen Kirche getragen.

Die einheitlichen Nummern für Hilfe suchende Menschen lauten: 0800/111 0 111 · 0800/111 0 222. Internetseite: https://www.telefonseelsorge.de/

Redaktion

Wie gehen Sie mit Suizid-gefährdeten Menschen um?

Dr. Stefan Schumacher

Wir glauben, dass niemand sich töten würde, wenn es ihm innerlich und äußerlich gut gehen würde. Dementsprechend versuchen wir, den Lebenskonflikt zu verstehen. Wir machen deutlich, dass wir mitbekommen, dass sich unser Gegenüber in einer für ihn ausweglosen Situation befindet. Wir teilen seine Verzweiflung, und manchmal fühlt sich durch dieses gemeinsame Aushalten ohne schnelles Wegtrösten der suizidale Mensch zum ersten Mal verstanden: Da ist jemand, ich bin nicht allein.

Redaktion

Wenn ich selbst merke, dass ein Mensch in meinem Umfeld möglicherweise suizid-gefährdet ist: Was sollte ich in diesem Fall tun?

Birgit Knatz

Häufig besteht die Versuchung, eine Suizidgefährdete oder einen Suizidgefährdeten zu fragen, warum sie oder er sich das Leben nehmen möchte. Tun Sie das nicht! Bei der Frage nach dem Warum fühlt der Mensch sich aufgefordert, sich zu verteidigen und zu erklären, und fühlt sich nicht wirklich wahrgenommen. Eine Mailerin schrieb mir mal: „Ach, wissen Sie, auf Warum-Fragen habe ich als Kind schon gelogen.“ Erzählen Sie von der TelefonSeelsorge, von der Möglichkeit, zu sprechen oder zu schreiben. Viele suizidale Menschen wissen das in dem Moment nicht (mehr). Als Freundin oder Angehöriger sind Sie überfordert!

Redaktion

Die TelefonSeelsorge ist ein Hilfsangebot der Kirche für Menschen in Krisen. Welche weiteren Hilfsmöglichkeiten gibt es?

Stefan Schumacher

Es gibt immer die Möglichkeit, sich an die Hausärztin zu wenden oder bei einer akuten Krise sich auch direkt in die Psychiatrie einweisen zu lassen. Zudem gibt es Beratungsstellen, an die sie sich wenden können.

Redaktion

Menschen, die sich selbst das Leben nahmen, wurden lange geächtet – sowohl gesellschaftlich als auch kirchlich. Und heute?

Birgit Knatz

Gottseidank hat sich dies in den letzten Jahren verändert, vielleicht auch mit der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, die der Suizid von Robert Enke mit sich gebracht hat und die Arbeit seiner Frau mit der Enke-Stiftung. Heute wird mehr und mehr von Suizid gesprochen, denn Selbstmord assoziiert das Wort Mord, was mit Verwerflichkeit und niederen Beweggründen in Verbindung gebracht wird. Im Begriff „Selbstmord“ kommen das psychische Leiden und die Not, die einer Selbsttötung vorausgehen, nicht vor.

Auch die Öffentlichkeitsarbeit der TelefonSeelsorge, die größtenteils von der katholischen und evangelischen Kirche getragen wird, hat mit dazu beigetragen, dass Menschen verstehen: Die Sehnsucht nach dem Tod ist die Sehnsucht nach dem Leben.

Redaktion

Aus Ihrer Berufserfahrung heraus: Wie können verzweifelte Menschen wieder Hoffnung gewinnen?

Birgit Knatz und Dr. Stefan Schumacher

Wenn überhaupt, dann im Kontakt mit anderen Menschen! Und das ist auch das, wo wir unsere Hoffnung her nehmen: Reden hilft! Ich bin nicht alleine.

90 Ehrenamtliche der Telefonseelsorge Hagen-Mark sind Tag und Nacht für Menschen in Not da.

Themen-Special „Hoffnung”

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