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Unser Glaube
05. April 2021

Wenn das Herz wieder brennt

Monsignore Martin Reinert über Emmaus-Erfahrungen der Gegenwart

Monsignore Martin Reinert über Emmaus-Erfahrungen der Gegenwart

Zwei Jünger auf dem Weg nach Emmaus stehen im Mittelpunkt des Evangeliums, das in den Gottesdiensten am Ostermontag vorgetragen wird (Lk 24,13-35). Nach dem Tod Jesu am Kreuz sind die beiden am Boden zerstört. So tief ist ihre Trauer, dass sie den auferstandenen Jesus nicht erkennen, als er sich zu ihnen gesellt und mit ihnen spricht. Erst als sich Jesus mit ihnen zum Mahl niederlässt und das Brot bricht, erkennen sie ihn. „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ (Lk 24,32) sagen sie zueinander.

Wie die Emmaus-Erzählung helfen kann

Martin Reinert vom Referat Geistliche Begleitung im Generalvikariat ist sich sicher: Das sind keine Erfahrungen aus einer längst vergangenen Zeit. Die Erfahrungen der beiden Emmausjünger können auch heute Menschen helfen, die aus der Bahn geworfen wurden. Er schildert dies in seinem nachfolgenden Beitrag.

Trauern - aber wie?

Es kommt vor, dass etwas uns aus der Bahn wirft, dass uns etwas widerfährt oder Nachrichten uns erreichen, die schrecklich sind, tragisch und bestürzend. Eine schwere Krankheit, ein Todesfall, urplötzliche wirtschaftliche Not, eine gescheiterte Beziehung und anderes mehr. Einmal aus dem Gleis geraten ist es dann unendlich schwer weiterzuleben und wieder Tritt zu fassen. Und wenn die chaotische Krisenphase in eine provisorische Ordnung gefunden hat, dann bleibt doch immer eine große Leere, die nur schwer wieder ausgefüllt werden kann. Wir sprechen dann von der Notwendigkeit zu trauern – und wissen doch nicht recht, was wir damit eigentlich meinen.

In der Erzählung von den Emmausjüngern begegnen wir Bildern und Motiven, die uns tatsächlich helfen können.

So erleben wir hier gegenübergestellt zwei Varianten von Gespräch:

  • Einmal ist es ein Lamentieren, ein Klagen, ein monotones Wiederholen dessen, was sich ereignet hat, ohne das von irgendwo her Neues oder Erhellendes hinzukommt. Solches Reden ist uns vertraut – nicht nur in Trauersituationen. Es fühlt sich träge an, wie festgefahren, stagnierend, langwierig und doch ziel- und perspektivlos.
  • Und dann erleben wir ein ganz anderes Gespräch, in dem Interesse erwacht, in dem es ganz neue Sichtweisen und Deutungen gibt. Plötzlich ist es lebendig, hochinteressant, das Herz redet mit und es möchte doch bitte gar nicht enden. Was hat sich hier verändert?

Den Blick auf die eingefahrene Ernte richten

Bei Viktor Frankl (1905-1997) habe ich lernen dürfen, welchen Unterschied es macht, ob ich eine erlittene Verlusterfahrung anschaue wie ein herbstliches Stoppelfeld, auf dem es nichts mehr zu ernten gibt, oder ob ich die Perspektive verändere und die Aufmerksamkeit auf die vollen Scheunen lenke, auf all das, was ich eingefahren und geborgen habe.

Oft habe ich in seelsorglichen Gesprächen erleben dürfen, wie sehr sich die ‚Gesprächstemperatur‘ verändert, wenn man einen trauernden Menschen ermuntert, doch einmal ausführlicher zu erzählen. Lauteres Interesse ist dann wichtig und Fragen wie: Wie war das eigentlich, als …? Woher habt Ihr die Kraft genommen für …? Wie war das genau, als Ihr diese Entscheidung getroffen habt? Was bedeutet es aus heutiger Sicht für Dich, dass Du all dies drin hast in Deinem Leben?

Solche und ähnliche Fragen ermöglichen es, das Wichtige und Wertvolle noch einmal neu anzuschauen und ins Wort zu bringen und es damit ganz zu sich und ins Innerste zu nehmen. Die Erinnerung entfaltet dann eine unglaubliche Kraft und das Herzblut wird spürbar, das durch die Adern dieses Menschenlebens geflossen ist. Manche Erfahrungen lassen sich erst aus der Rückschau richtig deuten. Und manches erschließt sich – dem Bild der vollen Scheunen folgend – erst im Nachhinein als guter Vorrat, als etwas, wovon man zehren kann. Und vielleicht will noch mache neue Saat erst jetzt wieder ausgebracht und zum Keimen und Reifen gebracht werden.

Der Karfreitagsschmerz findet sein Ostern

Der sicher sehr ausführliche Austausch auf dem Weg nach Emmaus führt die Jünger gemeinsam mit dem liebgewonnenen Fremden in eine schützende Herberge und an einen gedeckten Tisch. Auch diese Bilder sagen sehr viel über das, was wir wirklich brauchen und wovon wir wirklich leben. Geborgenheit und Halt in vertrauter Gemeinschaft sind ein unerlässlicher Schutz, ohne den wir nicht leben könnten. Und das Teilen der Erfahrungen wie auch das Brechen des Brotes lässt uns lebendig sein und bleiben. Und dann wird ein Erkennen möglich, ein Tiefer-Sehen und ein neues Verstehen, das ungeahnte Kräfte freizusetzen vermag.

In diesen und anderen Bildern führt uns die Emmaus-Erzählung vor Augen, wie Trauern möglich und sinnstiftend sein kann. Hier wird keine notwendige Phase einfach übersprungen, keine Abkürzung gewählt. Der bittere Schmerz der Karfreitagserfahrung kann aber hier sein Ostern finden und die vormals zu Tode betrübten Jünger erleben, wie es ist, wenn das Herz wieder brennt.

Header- und Teaser-Foto: Dimitrina Lavchieva / Shutterstock

Der Autor

Monsignore Martin Reinert leitet das Referat Geistliche Begleitung im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn.

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