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Erzbistum Paderborn
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Perspektiven auf die Zukunft der Orden

Die Ordenslandschaft ist im Umbruch – die Vorstandsmitglieder der Paderborner Ordensoberenkonferenz im Interview

„Äußere Sorgen dürfen die Nachfolge Christi nicht überlagern“

Die Ordenslandschaft im Erzbistum Paderborn ist im Umbruch – Anfang September 2019 werden die Franziskaner Werl verlassen, auch ihren Standort in Wiedenbrück wird der Orden aufgeben. Herausforderungen dieser Art standen vor einigen Wochen auf der Agenda der Paderborner Ordenskonferenz, bei der die Oberen der Gemeinschaften im Erzbistum Paderborn mit Weihbischof Matthias König tagten. Im Interview sprechen die Mitglieder des Vorstands der Paderborner Ordenskonferenz über Zukunftsperspektiven für die Gemeinschaften.

V. l.: Schwester M. Magdalena Krol OSF, Schwester Anna Maria Dicke OSC und Abt Aloysius Althaus OSB, es fehlt Agnes Andrea Silies.

 

Was sind in Ihren Augen aktuell die größten Herausforderungen für Ihre Gemeinschaften?

Abt Aloysius: Im Blick auf unser Erzbistum, aber auch aus Sicht der Deutschen Ordenskonferenz sind das sicher die alternden und kleiner werdenden Gemeinschaften. Viele unserer bisherigen Tätigkeiten können nicht mehr ausgeführt werden. Dadurch ergeben sich auch wirtschaftliche Schwierigkeiten. Drängend sind deshalb auch die Fragen nach unseren Aufgaben und Arbeitsschwerpunkten, aber auch der Umgang mit den Alten und Pflegebedürftigen in der jeweiligen Gemeinschaft.

Schwester Magdalena: Die Gemeinschaften müssen sich der Situation ihrer Einrichtungen stellen oder auch weitgehende Entscheidungen bezüglich ihrer Immobilien treffen. Gleichzeitig ist das individuelle Gemeinschaftsleben jeder Gemeinschaft eine bleibende Herausforderung. Das gilt auch für die Festigung der Spiritualität unter veränderten Voraussetzungen.

Schwester Anna Maria: Immobilien, Aufgaben, das Zusammenleben – alles muss in den Blick genommen werden, frühzeitig und weit blickend. Und gleichzeitig das Wesentliche, das Ursprungscharisma, die Freude am Glauben. Wir müssen unsere Grenzen, unsere Unfähigkeit hier auch zugeben. Das entlastet: Wir Christen gehen damit zu Gott, das ist unser Glaube: Du, Gott bist größer, du kennst unsere Situation. Du hast uns gerufen und gesandt. Führe uns.

Agnes Andrea Silies: Eine der Hauptaufgaben sehe ich für jede Gemeinschaft darin, ihr Charisma und ihre Gelübde authentisch zu leben. Das bedarf einer ständigen theologischen und geistlichen  Auseinandersetzung, auch gegen die kurzlebigen Strömungen der Zeit. Die äußeren Sorgen um den wirtschaftlichen und personellen Bestand der Gemeinschaften dürfen das Grundanliegen der Nachfolge Christi nicht überlagern. Für uns ist eine der wichtigsten Optionen, bei allen eigenen Sorgen den Blick für die Armen zu behalten und bei ihnen zu sein.

Die Paderborner Ordenskonferenz tagte Ende Mai in Paderborn.

Worin sehen Sie mögliche Ursachen für die genannten Probleme?

Agnes Andrea Silies: Neben dem demographischen Wandel gibt es einen starken Verlust von Vertrauen in kirchliche, aber auch allgemeine Institutionen. Hinzu kommen als Stichworte wohl auch Bindungsangst und eine Vielfalt der Möglichkeiten von beruflicher und privater Lebensgestaltung.

Abt Aloysius: Die Gesamtsituation der Kirche spielt natürlich für die Gemeinschaften und ihre spezifische Situation eine wichtige Rolle. Christliche Sozialisierung vollzieht sich heute anders oder teilweise auch gar nicht mehr.

Schwester Anna Maria: Ursache ist meines Erachtens wirklich die Zeit, in der wir leben – aber auch diese Zeit ist Gottes Zeit!

Was tun die Orden, um den Herausforderungen zu begegnen?

Schwester Anna Maria: Wir ringen im Miteinander und im Gebet um Wege, damit die alten und „sterbenden“ Gemeinschaften in Würde und Anerkennung ihrer Lebensleistung ihren Weg gut zu Ende gehen können. Gleichzeitig ringen wir darum, dass wir selbst überzeugend und zuversichtlich aus unserem Glauben heraus Zeugnis geben im Leben, in unserer Verkündigung, in unseren caritativen und sozialen Einsätzen. Und dass neue Formen geistlichen gemeinsamen Lebens gut umgesetzt werden.

Schwester Magdalena: Außerdem achten wir darauf, mit unseren Entscheidungen das Hier und Heute zu gestalten. Dabei wollen wir die Lösung der Situation weder in einer „Sehnsucht“ nach scheinbar glorreicher Vergangenheit noch nach eventuell besserer Zukunft suchen.

Abt Aloysius: Ich spüre immer deutlicher, dass durch eine gute Vernetzung der Gemeinschaften untereinander eine praktizierte Ehrlichkeit und Offenheit kommuniziert wird. Ich stelle ein Suchen nach Formen fest, wie auch immer mehr Laien als Mitarbeitende in Aufgaben und Funktionen hineinwachsen können.

Die ARD-Produktion „Um Himmels Willen“ rund um eine engagierte Ordensschwester ist eine der populärsten deutschen TV-Serien. So unattraktiv scheint das Ordensleben doch gar nicht zu sein?

Schwester Anna Maria: Ordensleben hat etwas, was den Menschen in seiner innersten Sehnsucht anrührt. Für mich selbst empfinde ich, dass wir Ordensleute in dieser Serie lediglich instrumentalisiert werden als Quotentreiber, denn inhaltlich läuft da auf das Ordensleben bezogen doch im Grunde gar nichts.

Agnes Andrea Silies: Mir fällt dazu eine Anekdote ein: Die Fernsehserie brachte uns einmal vier junge Mädchen ins Haus, die nach mehreren Staffeln wissen wollten „wie es im Kloster wirklich ist“. Sie fanden es dann spannend, dass unser Leben zum größten Teil aus ganz normalem Alltag besteht – arbeiten, essen, Haushalt besorgen, einkaufen etc. – und dass auch die Freizeitgestaltung zum großen Teil im Miteinander geschieht. Dass dabei keine Langeweile aufkam, hat die Mädchen beeindruckt. Gemeinschaftliches Leben kann man nur im Tun erfahren, aus der „Fernsehkonserve“ sieht es immer anders aus.

Meditation zu Mariendarstellungen: Die Mitglieder der POK im Austausch
Foto: pdp/Maria Aßhauer

Welches Format würden Sie sich denn wünschen, um Ihr Ordensleben vorzustellen?

Agnes Andrea Silies: Für uns als Säkularinstitut würde wohl eine sachbezogene Doku am ehesten in Frage kommen. Vielleicht mit dem Titel „Mit Christus auf den Straßen dieser Welt – leben wie alle anderen?“

Schwester Magdalena: Ich wüsste kein Format, das dem gerecht werden würde. Besser ist die Offenheit der einzelnen Gemeinschaften und Klöster für spirituell interessierte Menschen.

Abt Aloysius: Nicht umsonst hat sich in den letzten Monaten der Name „ ANDERS ORTE“  entwickelt. Viele Menschen sind auf der Suche nach Beheimatung und Annahme. Die beständige Art, wie die Gemeinschaften verlässlich da sind durch ihre Angebote von Gottesdienst und Gespräch, scheint mir eine zukunftsfördernde Entwicklung zu sein. Die unterschiedlichen Charismen der Gemeinschaften bieten eine große Vielfalt für Suchende. Ich nehme immer wahr, wie Menschen auf unser Angebot „Kloster auf Zeit“ reagieren und wie sich gerade dadurch neue Berufungen herauskristallisiert haben. Auch in der Heiligen Schrift beginnen die ersten Berufungsgeschichten alle mit der Einladung: „Komm und sieh!“

Gibt es Chancen und Aufbrüche, die Sie wahrnehmen?

Abt Aloysius: Der Apostel Paulus sagt: „Wir haben einen Grund unserer Hoffnung. Und diese Hoffnung hat einen Namen: Jesus Christus.“ Oder mit dem Wort des Heiligen Benedikt aus dem Prolog der Benediktsregel gesprochen: „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt…“ Ich bin überzeugt: Es gibt noch viele Liebende!

Schwester Magdalena: Ja, es gibt eine wachsende Zahl von Menschen, die wieder nach Gott und Spiritualität suchen. Sie sind nicht innerlich festgelegt durch nicht mehr gelebte Traditionen. Sie werden wach, dass es im Leben mehr als Alles geben kann und muss. Zu welchen Schritten dieses Suchen führt, ist offen und ungewiss. Aber vielleicht sollten wir dem Heiligen Geist vertrauen und auch mehr zutrauen.

Schwester Anna Maria: Umbrüche bieten doch in den Gemeinschaften die Chance zum kritischen Hinterfragen des alltäglich Gewordenen, zur Anfrage eines jeden Mitglieds nach seiner lebendigen Gottesbeziehung und deren Umsetzung ins Leben. Umbruchzeiten lassen Ausschau halten nach neuen sozialen oder spirituellen Brennpunkten, in denen wir Ordenschristen gefragt sind.

Agnes Andrea Silies: Ich sehe die Begeisterungsfähigkeit und das ehrliche Suchen junger Menschen, verbunden mit der Bereitschaft, sich zum Beispiel in einem sozialen Jahr oder als Missionar auf Zeit zu engagieren. Es gibt so viel ehrliches Suchen und Fragen. Die Frage ist, ob wir die suchenden Menschen „nur für uns“ gewinnen wollen, oder ob wir ihnen Räume der Begegnung mit Christus ermöglichen.

Sie alle sind aus gutem Grund Ordenschrist geworden und sind es noch heute. Was trägt Sie?

Abt Aloysius: Da muss ich nicht lange nach einer Antwort suchen: das Gebet, die innere Freude und die Fürbitte vieler Menschen.

Schwester Anna Maria: Bei mir ist es die Grundüberzeugung von Gottes Ruf und Sendung, mein Wachsen in eine innere weite Freiheit und ein erfülltes geistliches Leben in Gemeinschaft.

Schwester Magdalena: Mich trägt das Vertrauen, die richtige Lebensentscheidung getroffen zu haben. Mich hält die Gewissheit, dass ich keine andere Alternative für mich als möglich ansehe. Ich erlebe mich von Gott und Christus begleitet und auch geführt. Geführt, ohne Einengung oder „Gängelei“.

Agnes Andrea Silies: Die Liebe Christi trägt mich – zuerst seine Liebe zu mir und erst dann, als Antwort, meine Liebe zu ihm. Darüber hinaus das Gebet als Gespräch mit ihm und die Gemeinschaft.

 

Auch Weihbischof Matthias König (hinten l.) und Ordensreferentin Dr. Rosel Oehmen-Vieregge nahmen an der POK-Mitgliederversammlung teil.
Foto: pdp/Maria Aßhauer

Wenn Sie drei gute Gründe nennen müssten, um für Ihren Orden zu werben – welche wären das?

Schwester Magdalena: Wir versuchen immer neu miteinander im Gemeinschaftsleben die Spiritualität des heiligen Franziskus von Assisi lebendig werden zu lassen. Hinzu kommen ein umfassendes soziales Engagement in seiner jeweils notwendigen Form und natürlich das tägliche Gebet vor dem eucharistischen Sakrament als Kraftquelle des Lebens.

Agnes Silies: Bei mir wären das die kontemplative Dimension benediktinischer Spiritualität, verbunden mit einem aktiven Leben mitten in der Welt, die Internationalität und die Option für die Armen.

Abt Aloysius: Ich würde werben mit dem missionarischen Wirken unserer Ordensgemeinschaft, mit der Einheit von Gebet und Arbeit und nicht zuletzt mit der Weite und Herzensbildung des Heiligen Benedikt von Nursia.

Schwester Anna Maria: Ich möchte nicht für meinen Orden „werben“, ich bete vielmehr darum, dass Gott die Menschen „be-geistert“ und schickt, die er in seinen Diensten gern hätte und braucht. Aber ich will jederzeit suchende Menschen ermutigen zu einem Weg, der mich mit meinem ganzen Wesen und Sein fordert, aber auch erfüllt.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Gespräch führte Maria Aßhauer

Marketing, Kommunikation und Pressestelle im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn

Abt Aloysius Althaus OSB

Abt Aloysius Althaus OSB leitet seit 2013 die Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede. Er wurde 1966 geboren. Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger trat er 1988 in die Abtei Königsmünster ein. Im Jahr 1992 feierte er seine Profess, ein Jahr später ging er zum einem Missionsaufenthalt nach Tansania. Seine Priesterweihe empfing er im Jahr 2005. Abt Aloysius ist derzeit Vorsitzender der Paderborner Ordenskonferenz.

Schwester M. Magdalena Krol OSF

Schwester M. Magdalena Krol OSF (70) entschied sich nach verschiedenen beruflichen Etappen für ein Leben als Ordensfrau: 1974 trat sie den Franziskanerinnen bei, seit 2009 ist sie Generaloberin der Franziskanerinnen von der Ewigen Anbetung (Olpe).

Schwester Anna Maria Dicke OSC

Schwester Anna Maria Dicke OSC (66) ist gelernte Krankenschwester. Seit 35 Jahren gehört sie dem Orden der Klarissen an. Derzeit ist sie Äbtissin des Klarissenkonventes in Salzkotten.

Agnes Andrea Silies

Agnes Andrea Silies wurde 1942 geboren. Sie arbeitete als Hauswirtschaftslehrerin und war 35 Jahre als Missionarin in Guatemala. Sie gehört dem Säkularinstitut St. Bonifatius auf dem Kupferberg bei Detmold an, einer missionsbenediktinischen Gemeinschaft.

Hintergrund: Institute des geweihten Lebens

Die Ordenslandschaft im Erzbistum Paderborn sowie in Deutschland und weltweit ist groß. Ordenschristen leben in Gemeinschaften. Für das Zusammenleben gibt es Regeln, die auf die jeweiligen Ordensgründer zurückgehen. Darüber hinaus gibt es Kongregationen, Säkularinstitute und Gesellschaften des apostolischen Lebens. Allen gemeinsam ist, dass sich ihre Mitglieder der Nachfolge Jesu Christi in besonderer Weise verschrieben haben und in der Regel gemeinschaftlich leben. In einem Säkularinstitut (Weltinstitut oder Weltgemeinschaft) leben die Mitglieder überwiegend in der Welt und nicht im Kloster.

 

Paderborner Ordenskonferenz

Zur Paderborner Ordenskonferenz (POK) gehören die Ordensoberinnen und -oberen der einzelnen der im Erzbistum Paderborn ansässigen oder arbeitenden Orden und geistlichen Gemeinschaften. Einmal jährlich treffen sich die Mitglieder der POK zur Mitgliederversammlung. Als fester Bestandteil der Mitgliederversammlung findet immer auch eine thematische Arbeit statt. Im Jahr 2019 stand die Problematik des geistlichen Missbrauchs auf der Tagesordnung, um für diese Gefährdung zu sensibilisieren.

Ziele und Aufgaben

Der wichtigste Auftrag der Paderborner Ordenskonferenz ist klar definiert: sich untereinander in der Nachfolge Christi zu bestärken. Konkret will die POK – unter Wahrung der jeweiligen Selbstständigkeit, Eigenart und Spiritualität – der Gründungszweck der einzelnen Gemeinschaften unterstützen. Gleichzeitig sollen gemeinsame Angelegenheiten behandelt werden, so etwa die Abstimmung mit kirchlichen, staatlichen und zivilen Stellen. Verschiedene Aufgaben tragen zu diesen Zielen bei – von der Beratung der einzelnen Gemeinschaften im Hinblick auf ihre pädagogischen und sozial-karitativen Tätigkeiten bis hin zur Förderung des Kontakts mit neuen geistlichen Bewegungen.

Weihbischof Matthias König als Bischofsvikar für die Institute geweihten Lebens sowie Ordensreferentin Dr. Rosel Oehmen-Vieregge sind von Seiten des Erzbistums Paderborn Ansprechpartner und fördern Kommunikation und Vernetzung.

 

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