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Erzbistum Paderborn
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Unser Glaube
23. Juli 2021

Nah dran an den Betroffenen

„Not sehen und handeln“, der Leitslogan des Deutschen Caritasverbandes, erhielt angesichts der Flutkatastrophe höchste Aktualität. Esther van Bebber, Diözesan-Caritasdirektorin im Erzbistum Paderborn, berichtet im Interview, wie die Caritas-Einrichtungen und mit ihnen viele Ehrenamtliche in den vergangenen Tagen geholfen haben.

Redaktion

Wie haben Sie persönlich die Flutkatastrophe verfolgt?

Esther van Bebber

Mich haben am frühen Donnerstagmorgen die ersten Bilder und Nachrichten erreicht. Da mein Wohnort und auch Paderborn glücklicherweise nicht vom Starkregen betroffen waren, war die Katastrophe in den ersten Momenten abstrakt und das Ausmaß nicht zu erahnen. Je mehr Gespräche geführt und Eindrücke bzw. Informationen dann im Laufe des Tages gebündelt wurden, desto „fühlbarer“ und zugleich aber auch unvorstellbarer wurde das Geschehen. Die vielen Todesopfer, Verletzten und völlig zerstörten Gegenden sind immer noch unbegreiflich.

Redaktion

Wie sind die Abläufe in einem Verband wie der Caritas, wenn quasi vor der eigenen Haustür eine solche Katastrophe passiert?

Esther van Bebber

Abläufe auf solch seltene, außergewöhnliche Katastrophen können in unserem Verband nicht auf erprobten Prozessen basieren. Wir sind als verbandliche Caritas ja bekanntlich nicht im professionellen Katastrophenschutz aktiv. Aber unser Leitslogan „Not sehen und handeln“ ist ein stückweit prägende und hilfreiche Caritas-DNA, auch für derartige Situationen. Die große Trägervielfalt und die unterschiedlichen Professionen stützen und stärken sich gegenseitig. So können auch im Krisenmodus schnell die notwendigen Ressourcen gebündelt und passgenaue Unterstützung organisiert werden.

Redaktion

Wie läuft das Zusammenspiel zwischen dem Diözesan-Caritasverband und den Ortsverbänden?

Esther van Bebber

In den allerersten Krisenstunden war das Zusammenspiel geprägt von kurzfristigen Informations- und Lageaustauschen. Wer ist wie stark betroffen? Gibt es akuten Soforthilfebedarf? Wie geht es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den betroffenen Regionen? Welche Kontakte haben die Verbände, Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen zu Familien vor Ort?

Nachdem nunmehr das Ausmaß vor Ort besser einschätzbar ist, können erste konkrete Unterstützungsmaßnahmen gebündelt und umgesetzt werden. Wir haben jetzt einen Kollegen im Diözesan-Caritasverband als „Fluthilfekoordinator“ benannt, bei dem die Fäden zusammenlaufen und der einen guten, tagesaktuellen Überblick hat.

“Das ehrenamtliche Engagement ist riesig. Ganz besonders freut es mich, dass unsere Caritaskonferenzen sofort aktiv geworden sind. Sie sind nah an den Familien und Betroffenen, kennen viele Menschen persönlich und wissen, wer welchen Unterstützungsbedarf hat.”

Esther van Bebber, Diözesan-Caritasdirektorin

Redaktion

Was hören Sie von den Ortsverbänden? Wie ist jetzt die Situation in den betroffenen Gebieten?

Esther van Bebber

Aktuell ist es eine Mammutaufgabe, Hilfebedarfe und -angebote zusammen zu bringen. Das ist in der Tat nicht immer ganz einfach, weil viele Hilfsangebote kommen, die in der momentanen Situation einfach noch nicht passen. Wo noch Keller oder gar Erdgeschosse vom Schlamm befreit und getrocknet werden müssen, können die Betroffenen noch keine neuen Einrichtungsgegenstände gebrauchen. Manche Betroffene, vor allem Ältere, die als Kind noch den Krieg erlebt haben, hat die Katastrophe zudem traumatisiert, die haben den Kopf überhaupt nicht frei und auch aktuell keine Energie, um jetzt die Renovierung und Einrichtung ihres Zuhauses zu organisieren. Diese Menschen brauchen jetzt eine behutsame Begleitung. Hier sehe ich auch die Kirchengemeinden in der Verantwortung zu helfen. Wir sind dankbar, dass wir immer noch ein funktionierendes Netz von ehrenamtlichen Caritas-Gruppen in den Gemeinden haben, die auch diesen Menschen persönlich zur Seite stehen, wenn in einigen Wochen das öffentliche Interesse an dieser Katastrophe nachlassen wird.

Redaktion

Es war zu lesen, dass auch Caritas-Einrichtungen selbst betroffen sind?

Esther van Bebber

Ja, es gibt auch Caritas-Einrichtungen, die selbst von den Wassermassen überrascht worden sind. So ist u.a. eine Kleiderkammer der Caritaskonferenzen in Hagen-Hohenlimburg betroffen. Dies ist natürlich tragisch, weil gerade dieser Hilfebedarf an kurzfristiger Ersatzbekleidung in der Not ganz oben steht und die Akteure vor Ort aktuell nicht diese gewohnte Unterstützung leisten können. Zum Glück ist es auch sonst in den meisten Einrichtungen „nur“ bei Sachschäden durch vollgelaufene Keller und überschwemmte Erdgeschosse geblieben. Es musste keine Caritas-Einrichtung evakuiert werden, niemand ist hier an Leib und Leben zu Schaden gekommen.

Redaktion

Was hören Sie von dem Engagement vor Ort? Es sind vermutlich viele Ehrenamtliche im Einsatz?

Esther van Bebber

Das ehrenamtliche Engagement ist riesig. Ganz besonders freut es mich, dass unsere Caritaskonferenzen sofort aktiv geworden sind. Sie sind nah an den Familien und Betroffenen, kennen viele Menschen persönlich und wissen, wer welchen Unterstützungsbedarf hat. Beispielhaft möchte ich die Caritaskonferenz im sauerländischen Balve nennen. Dort konnten die Ehrenamtlichen im Rahmen der Soforthilfe 20 betroffene Haushalte mit den vom Erzbistum Paderborn zur Verfügung gestellten Mitteln unter die Arme greifen. Die Kirche war hier als erste Institution zur Stelle, um Betroffenen konkrete finanzielle Hilfe anzubieten, zum Beispiel für die Wiederbeschaffung von Waschmaschinen oder Küchengeräten. Diese finanzielle Hilfe wird sehr dankbar angenommen.

Im sauerländischen Balve hat die dortige ehrenamtliche Caritas-Konferenz bereits kurz nach der Unwetter-Katastrophe die ersten Auszahlungen aus Mitteln des Erzbistums Paderborn auf den Weg gebracht. Ehrenamtlichen griffen im Rahmen der Soforthilfe 20 betroffene Haushalte  unter die Arme. Die Kirche war hier als erste Institution zur Stelle, um Betroffenen konkrete finanzielle Hilfe anzubieten, zum Beispiel für die Wiederbeschaffung von Waschmaschinen oder Küchengeräten.

Redaktion

Wie erleben Sie die aktuelle Hilfsbereitschaft – in Deutschland und bei uns im Erzbistum?

Esther van Bebber

Die Hilfsbereitschaft ist richtig groß – im Kleinen, wie im Großen. Viele Menschen und Firmen fragen auch uns an, wo und was an Unterstützung benötigt wird. Auf der anderen Seite gibt es auch kollegiale Hilferufe aus anderen Teilen in NRW und darüber hinaus, dort wo teilweise die Lage noch dramatischer ist. Ganz aktuell gab es z.B. einen Hilferuf der ambulanten Pflege aus der Region Eifel. Hier bedarf es katastrophenbedingt dringend personeller Verstärkung und auch Ersatzfahrzeuge, um die Menschen weiterhin versorgen zu können. Wir versuchen dann zu unterstützen und Suchende und Engagierte innerhalb der Caritas möglichst schnell zusammenzubringen.

Redaktion

Wir haben die Corona-Pandemie, jetzt kommt eine solche Katastrophe, die viele Menschen in Not stürzt. Was bedeute das für unser Land?

Esther van Bebber

Sowohl die Corona-Pandemie als auch die jetzige Naturkatastrophe hat viele Menschen existenziell, teilweise dramatisch bedroht – im tatsächlichen, nackten Überleben, wie im Materiellen. Jeder einzelne, aber auch die Gesellschaft insgesamt hatte und hat einen Kraftakt zu bewältigen. Ich hoffe und baue darauf, dass dieser Kraftakt nicht spaltet, sondern zusammenschweißt. Gleichwohl ist dies meines Erachtens auch ein Auftrag an uns alle, an die Politik, aber insbesondere auch an Kirche und Caritas, Solidaritätsstifter zu sein, Perspektiven aufzuzeigen und Hoffnungswege aktiv mit zu gestalten.

Redaktion

Und was bedeutet das für die Rolle der Hilfswerke?

Esther van Bebber

Die Hilfswerke waren in den letzten Monaten ganz besonders gefordert und sind es auch gerade wieder. In diesem besonderen „Gefordert-Sein“ liegt aber auch eine große Chance. Wir können nicht nur Wegbegleiter, Armutsbekämpfer und Notlinderer sein – alles Grundanliegen christlichen Handelns. Wir sind vor allem auch gesellschaftliche Mitgestalter, wir legen den Finger in die Wunden gesellschaftlicher Verwerfungen, wir sind „unbequem“ und laut, wo immer es im Sinne unseres Wertekonsenses erforderlich ist.

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