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Erzbistum Paderborn
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Morgenandachten
Unsere Nachrichten
18. September 2019

Morgenandachten

Morgenandachten im DLF von Annkathrin Tadday aus Detmold

Morgenandachten im Deutschlandfunk
für die Zeit vom 9. bis 14.9.2019
von Annkathrin Tadday, Detmold

Schnapszahlen

Welches Datum haben wir heute? Vielleicht wird Sie das jemand im Laufe des Tages fragen und Sie werden antworten: der neunte Neunte. Mit der Jahreszahl 2019 dahinter ist es sogar dreimal die Neun! Eine Schnapszahl. Neben dem neunten Neunten fällt mir da die biblische Siebenundsiebzig ein. „Nicht sieben, sondern siebenundsiebzig“ lautet eine Antwort Jesu. In der neuen Einheitsübersetzung heißt es sogar: „Nicht sieben, sondern siebzigmal siebenmal“. Was verbirgt sich hinter diesem merkwürdigen Zahlenspiel?

Jesus befindet sich im Gespräch mit seinen Jüngern. Die Diskussion dreht sich um Lügen und Ehrlich-sein, Beschuldigen und Entschuldigen, Versöhnen und Vergeben. Da tritt Petrus zu Jesus und spricht aus, was ihm auf dem Herzen liegt: „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt?“ Petrus muss sich schon länger mit dieser Frage beschäftigt haben, denn er bietet Jesus sogar eine konkrete Zahl an: vielleicht siebenmal? Siebenmal vergeben, das scheint doch wohl noch machbar zu sein. Als Betrachterin frage ich mich: Petrus, was willst du hier eigentlich genau wissen? Wie lange dein Geduldsfaden sein soll? Wann ist eine Obergrenze der Vergebung erreicht? Wann ist Schluss mit lustig? Jesus schaut ihn an und beginnt:

„Ich sage dir: Nicht bis zu siebenmal, sondern …“

Pause! Petrus mag denken: Gott sei Dank, siebenmal ist doch ganz schön hochgegriffen. Siebenmal Unrecht ertragen oder gar aushalten? Nein, das wird Jesus nicht von mir verlangen. Aber dann spricht Jesus ja weiter:

„… nicht bis zu siebenmal sollst du vergeben, sondern bis zu siebzigmal siebenmal.“

Diese Antwort lässt mich vermutlich ebenso wie den Petrus erschrecken: nicht siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal. Was ist das für eine Schnapsidee? So schnell kann ich gar nicht nachrechnen. Und mir dämmert: dass es ihm gar nicht ums Zählen, Kalkulieren oder Berechnen geht. Wohlgemerkt: Sieben, Sieben, Sieben … unzählige Male vergeben, und es ist noch kein Wort über die Qualität der Sünde oder die Höhe der Schuld gefallen.

Vergebung ist für Jesus ein Grundsatz, keine Rechenaufgabe und auch keine Option.

Er wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass alle Menschen auf Vergebung angewiesen sind. Zu dieser Kernaussage des Evangeliums führt mich das heutige Datum. Vergebung wird uns von Gott geschenkt, bei Gott ist Vergebung. „Würdest du, Herr, die Sünden beachten, mein Herr, wer könnte bestehn? Doch bei dir ist Vergebung“, so lese ich in Psalm 130. Somit liegt es auch an uns, anderen zu vergeben, denn wer derart unzählige sieben Male beschenkt wird, kann lernen zu vergeben und in seinem Großmut zu wachsen.

Manchmal geht das einfacher als erwartet: wenn das erfahrene Unrecht mir nur leichte Kratzer verpasst hat. Wie bei einem Kreidestrich auf der Tafel kann ich es wegwischen und „Schwamm drüber“ sagen. Aber manchmal ist es auch richtig schwer: Beschimpft oder hintergangen zu werden, von einer Gruppe ausgeschlossen oder von Familienangehörigen zurückgewiesen zu werden. All jene Ungerechtigkeiten, die tiefere innere Wunden hinterlassen, als dass das Aufkleben eines Trostpflasters sie heilen könnte.

Wo diese offenen Wunden zur Quelle der Verbitterung werden und eine Belastung, mit der ich mich durchs Leben schleppe, da weist Jesus auf die heilende Wirkung hin, die ich selbst durch das Vergeben erfahre. Vergeben meint geben. Es heißt abgeben, zurücklassen dessen, was mich beugt und drückt.

Es macht mir Mut, dass Jesus keine aufrechenbaren, kontrollierten Vergebungseinheiten fordert, die irgendwann abgelaufen sind. Und ich spüre: Das braucht Zeit. Das geht nicht in sieben Minuten oder siebenundsiebzig Stunden. Das braucht mehr als siebzigmal siebenmal Tage. Das ist ein lebenslanger Prozess.

Menschenskind

„Meine Güte, das kann doch nicht wahr sein, ist das denn möglich? Menschenskind nochmal!“, manchmal überrascht er mich und ich bin beeindruckt, freudig oder erstaunt. Aber manchmal nervt er mich, ich werde ärgerlich, sogar wütend und rufe vorwurfsvoll: „Menschenskind nochmal!“

Menschenskind, ja natürlich ist er ein Menschenkind. Dieser Jesus von Nazareth. Ein Mensch – genau wie wir alle. Wir fallen nicht vom Himmel, sondern werden als Kind unserer Eltern geboren. Die Eltern Jesu hießen Maria und Josef. Über seine Geburt und sein Auftreten als Zwölfjähriger im Tempel weiß ich Bescheid. Aber dann verliert sich seine Spur bis zu der Zeit seines öffentlichen Auftretens. Im Neuen Testament der Bibel heißt er „der Menschensohn“.

Aus der hebräischen Sprache übersetzt bedeutet dies ganz einfach „Menschenkind“. „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ – das fragte Jesus seine Freunde.

Die Antwort, die seine Jünger ihm geben, kann ich im Matthäusevangelium nachlesen. Aber vielmehr beschäftigt mich, dass ich mich hier angesprochen und mitgefragt fühle. Was halte ich von diesem Menschensohn Jesus?

In jeder anderen Religion versuchen sich die Menschen Gott zu nähern. Doch in Jesus Christus nähert sich Gott den Menschen. Gott schlägt hier eine Brücke zu uns, die wir nicht allein hätten bauen können. Gott will Mensch sein. Und das bedeutet: Ich kann mich Gott auf ganz persönliche Art nähern, und Jesus auch heute persönlich, ja, menschlich nehmen.

Die Ausstellung rückt den Menschen Jesus in neue, eher ungewöhnliche Perspektiven.
Foto: pdp/Ronald Pfaff

Die Hamburger Kommunikationsdesignerin Eva Jung hat das auf ihre Weise getan. Sie hat Fotos gemacht, die in fenstergroßem Format in einer Wanderausstellung durch das Erzbistum Paderborn reisen. Die Ausstellung heißt „Mensch Jesus“ und ich erlebe sie in diesem Monat in der Detmolder Heilig Kreuz-Kirche.

In ihren Bildern will Eva Jung den biblischen Alltag Jesu mit unserem Alltag heute in Verbindung bringen. Da gibt es zum Beispiel das Foto, auf dem ich nichts anderes als Partyhäppchen sehe. Das hat mich neugierig gemacht. Was hat das mit Jesus zu tun? Doch durch dieses Bild fühlte ich mich unweigerlich an wunderbare Momente erinnert. An einen festlichen Empfang bei einer Hochzeit. Und mitten auf dem Foto steht: „Jesus, der Partylöwe“ und unten drunter ergänzend: „Er war gern gesehener Gast auf vielen Festen, denn wenn er dabei war, war es nie langweilig.“

Dieser Gedanke ist für mich einleuchtend: Dieser Mensch Jesus, Gottes Sohn, ist mitten drin in schönen Momenten des Lebens.

Eva Jung hat noch mehr solcher persönlichen Facetten aus dem Leben Jesu, wie es die Bibel erzählt hat, aufgespürt und ins Heute übersetzt. Aus ihrer eigenen Erfahrung heraus will sie damit deutlich machen: Jesus ist nicht eine Person der Vergangenheit. So wie er damals das Leben der Menschen geteilt hat, so steht er immer noch zu uns. Jetzt. Hier. Und Heute. Die Bilder machen mich erst stutzig und dann nehmen sie mich doch auch an die Hand. Ich erkenne Handtaschen, Gießkannen, Straßenschilder, Federkissen, alles ganz vertraute Motive. Im ersten Moment bin ich verwirrt – was hat das alles bitte schön mit Jesus zu tun? – und im zweiten Moment eröffnen sie das Abenteuer, mich Jesus zu nähern.

In dieser Nähe spüre ich seine große Menschenliebe und sein Gottvertrauen. Er lebt aus der Verbundenheit mit Gott, das kann ich in vielen biblischen Zitaten lesen. Aber spüren? … das gelingt mir mit Hilfe dieser verrückten Bilder. Sie ver-rücken meine Sicht, sie verändern mein Denken und Fühlen. Für mich ist Gott durch Jesus Christus nicht unendlich fern.

Und: Da gibt es noch ein Motiv, an das ich mich erinnere. Es zeigt ein großes Haus. Es ist bewohnt, Gardinen am Fenster, Blumen auf dem Balkon. Auf diesem Foto steht: „Jesus, der Mitbewohner“.

Mit Jesus. Bei mir zuhause. Mitten in der Küche. Da, wo miteinander gegessen wird und Pläne für die Zukunft geschmiedet werden. Wo die Schulbücher der Kinder liegen, wo der Besuch mit mir Kaffee trinkt und wo nebenbei das Radio läuft.

Mit Jesus ist Gott mir nah! Im Hier und Jetzt.

Menschenskind nochmal!

Erinnerungen

Gedenken an den 11. September 2001 am Memorial in New York

Wenige Ereignisse erschütterten die ganze Welt so sehr wie der Angriff auf die USA am 11. September 2001. Durch diesen Terroranschlag starben unzählige Menschen, wurden verletzt oder standen vor den Trümmern ihres Lebens. Nine/eleven – heute vor 18 Jahren. Die schrecklichen Bilder haben sich eingebrannt ins Gedächtnis und manchmal denke ich: Ach, könnte ich das doch einfach vergessen. So wie andere Menschen vergessen, wo sie ihre Kaffeetasse abgestellt oder die Zeitung hingelegt haben.

„Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren“.
Das gilt für die schönen Erlebnisse genauso, wie für jene, die ich aus meinem Gedächtnis lieber streichen möchte. Ich glaube, das ist auch gut so, denn Erinnerungen haben nicht nur eine schmerzliche, sondern zugleich eine heilsame Wirkung.

Gleiches gilt auch für das Vergessen. Manchmal ist es ja gut, dass wir vergessen können. Es wäre belastend für unsere Beziehungen, wenn wir über Streit und Kränkungen nicht hinwegkommen und ewig alles nachtragen würden. In diesem Fall hat das Vergessen eine heilsame Seite.

Und dann gibt es noch das Vergessen im Sinne von „verdrängen“: zum Beispiel wenn ich eine Blamage nicht mehr wahrhaben will. Wenn ich Unangenehmes oder sogar Bedrohendes im Unterbewusstsein abgelegt habe. Das kann schützen. Aber die vermeintlich vergessene Erinnerung kann eines Tages mit zerstörerischer Gewalt wieder hochkommen. Also bin ich klug beraten, wenn ich konstruktiv zurückzuschaue und gut ausbalanciere, was ich festhalte und was loslasse.

Ein Wort aus der jüdischen Tradition lautet:

„Das Vergessenwollen verlängert das Exil, aber das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.“

Mir fällt eine biblische Situation ein: das Leid, die Bedrängnis und Not, die das Volk Israel in der Zeit der Sklaverei im fremden Ägypten erfahren hat. Die Erinnerung an die alte Heimat, an ein freies Leben kultivierte die Hoffnung auf Erlösung und blieb treibende Kraft, nicht aufzugeben. Der Auszug aus jenem Ägypten wurde ein Akt der Befreiung und damit ein erlösendes Wagnis in eine Zukunft, die erst noch gelebt und gestaltet werden musste. Und wieder brauchte es die bewusste Erinnerung, damit die erlangte Freiheit in den Herzen der Menschen weiterlebt.

Die „Vogel-Strauß-Taktik“, das heißt: den Kopf in den Sand zu stecken, mag beruhigen, aber sie macht blind für das Kommende. Sie hat keine Kraft, die die Zukunft gestaltet. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Das gilt bei mir zuhause wie im fernen Amerika. Die Erinnerung daran, dass ein Lebenstraum zerplatzt ist, lehrt mich, bedächtiger im Umgang mit meiner jetzigen Lebenssituation zu sein. Dem entstandenen Schmerz weicht die erlösende Erfahrung, dass sich neue Ziele auftun.

Das gilt auch für den Umgang mit dem heutigen Tag. Nine/eleven vergessen zu wollen mag mich und andere beruhigen, bewahrt uns davor, die Bilder des Schreckens anzuschauen und uns dem Leid vieler Menschen auszusetzen. Aber es zu vergessen, würde die Zukunft blockieren und bewirken, nichts aus dem Erlebten zu lernen. Wenn wir aus der Geschichte nichts lernen, sind wir verdammt, sie zu wiederholen.
Wenn ich die Geschichte als Fluss betrachte, der weiterfließt in neue unbekannte Landschaften hinein, wird das Gedenken zu einer Kraft, die Zukunft gestaltet.

Ich werde heute nicht wegschalten, wenn die alten Bilder des Terroranschlags auf dem Bildschirm erscheinen. Ich brauche auch nicht weit zu fliegen, um ein Museum und Mahnmal der Geschichte aufzusuchen, die finde ich auch in meiner Umgebung. Mir wird heute bewusst, wie wertvoll diese Orte sind.

Für das Volk Israel war in biblischer Zeit diese Kraft verbunden mit der Gegenwart Gottes. Ein lebendiger Gott, der mitgeht, der mitträgt, der durchträgt und erlöst.
Das hoffe ich und diese Kraft wünsche ich mir für heute, den 11. September 2019.

Zartbitter

Was hat die heilige Maria mit Schokolade zu tun?
Eine Scherzfrage am 1. April könnte so lauten, aber jetzt ist der 12. September. Heute ist der Festtag „Mariä Namen“ und zugleich der Tag des „Schokoladen-Milchshakes“. Der eine steht im kirchlichen Festtagskalender und bezieht sich auf die Mutter Jesu. Der andere steht im Kalender der kuriosen Feiertage.

Die Gottesmutter Maria und Schokolade – das ist eine interessante Kombination. Traditionell sind sie beide ein Geschenk und Ausdruck der Liebe. Beide tragen den Ruf, Seelentrösterin zu sein. Schokolade finde ich in unzähligen Formen und Verpackungen. Maria in Form von unzähligen Darstellungen einer Frauenfigur. Zum Beispiel als Krippenfigur zu Weihnachten oder als Königin mit einem Kind auf dem Arm in der Kirche.

Lassen Sie mich heute einen ungewöhnlichen Vergleich wagen:
Ich behaupte, wenn man Maria mit einer Schokolade vergleichen würde, dann wäre sie eine Zartbitter-Schokolade. Eine Frau, die zarte und bittere Momente des Lebens an der Seite ihres Sohnes Jesus Christus erlebt hat. Und die sowohl zart-zurückhaltend in der Bibel auftritt als auch bitter-herbe im Sinne von couragiert.

Im Lukasevangelium beginnt ihre Geschichte als junge Frau, die schwanger wurde. Nicht irgendein Kind, sondern sie würde Gottes Sohn zur Welt bringen. Für sie war das ein großes Kompliment. Obwohl sie gar nicht wusste, wie diese Schwangerschaft denn zustande kommen konnte, sagte sie „Ja“ zu diesem Kind. Sie sagte „Ja“ zum Leben, „Ja“ zu einer schöpferischen Kraft Gottes. Klar und mächtig klangen dann ihre großartigen Worte, die die Bibel überliefert und die bis heute in jedem Stundengebet an zahlreichen Orten der Welt Tag für Tag gesungen werden:

„Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“

Ich finde, so spricht eine stolze Frau ihr Glaubensbekenntnis, nicht eine sanfte Magd.
Und dann heißt es weiter:

„Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden speist er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehn.“

Hier singt eine leidenschaftliche Frau ein unerbittliches Lied. Hier steht eine entschiedene Frau zu ihrem Ja-Wort und dieses Ja-Wort hat sie durchgehalten. Die Bibel erzählt, dass sie auch mit ihrem erwachsenen Sohn in Verbindung blieb und Anteil nahm an seinem ungewöhnlichen Leben. Bis ganz zum Schluss, bis sie Jesus Christus nach Gefangenschaft und Folter am Kreuz hängen sah. Bis die Soldaten ihr den toten Leichnam ihres Sohnes in die Arme gelegt haben.
Die Haltung dieser Frau war und ist für mich heute noch „kein Zuckerschlecken“.

Ja, auch heute gibt es stolze, leidenschaftliche und entschiedene Frauen. Wir alle kennen, wie sie, die süßen und bitteren Augenblicke des Lebens. Mir ist auch manchmal zartbitter zumute, wenn ich, wie sie, vor einer Herausforderung stehe, zu etwas „Ja“ oder „Nein“ sagen zu müssen. Bei mir wird es oft nur ein „Ja, aber“.

Da kann ich mir bei Maria eine Scheibe abschneiden. Oder um im Bild der Schokolade zu bleiben, ein Stückchen von ihr abbrechen.

Ihre Botschaft für heute könnte heißen:
Wag es: Sag öfter mal „Ja“. Sei offen für das, was das Leben schenkt und auch zumutet. Prüfe, ob du mit den Entscheidungen, die andere für dich treffen, leben willst. Vertraue auf die Kraft Gottes, die alle Wege mitgeht, die zarten und die bitteren.

Maria – allen, die den Namen dieser wunderbaren Frau tragen, herzlichen Glückwunsch zum heutigen Namenstag!

Kräftehaushalt

Mein Handy hat es gut. Es hat eine Anzeige, auf der ich ablesen kann, wie viel Prozent der Akku noch aufgeladen ist. Wenn die Energie zuneige geht, nehme ich es und schließe es an eine Stromquelle zum Aufladen an. Ich hätte gern auch so eine Anzeige, anhand der ich ablesen kann, wie viel Energie mir noch am Ende einer Woche zur Verfügung steht. Und wenn nötig, dann schließt man mich an eine Kraftquelle zum Auftanken an.

Ich denke bei aller Technik, die es da heute gibt: Für meinen Kräftehaushalt muss ich schon selbst Sorge tragen. Vielleicht hilft mir dabei der Vergleich mit der Akkuladung meines Handys, um meinen Erschöpfungszustand noch etwas auszuloten.

Warum bin ich erschöpft? In was ist denn meine Energie geflossen? Bin ich mit der Arbeit der vergangenen Woche zufrieden? Wenn ja, dann ist die Erschöpfung mit einem inneren Frieden verbunden: dem Frieden des Akkus, der jetzt einfach leer ist.

Aber ich kenne auch Wochen, in denen ich mich wieder mal verausgabt habe. Zuviel gemacht und ständig etwas Neues aufgetragen bekommen, das ich auch noch erledigen soll. Dann fühle ich mich so, wie es das kleine Zeichen auf meinem Display andeutet: leer und ausgebrannt.

Das Handy kommt ans Kabel. Und ich? Was mache ich mit meinem inneren Akku,  meinem Kräftehaushalt für die kommende Woche? Wie kann ich den auffüllen? Und mit was?

Vielleicht halte ich mich erstmal an das, was mein Körper mir anzeigt, der sagt: „Ausruhen!“ Und da fällt mir ein altes Sprichwort ein: „In der Ruhe liegt die Kraft!“
Ja, stimmt. Das habe ich selbst schon gespürt.

Mit meiner Erfahrung bin ich in biblischer Gesellschaft. Bereits 700 Jahre vor Christus behauptet der Prophet Jesaja:

„So spricht Gott, der Herr: durch Umkehr und Ruhe werdet ihr gerettet, im Stillhalten und Vertrauen liegt eure Kraft.“

Und Jesus Christus selbst fordert seine Freunde nach einem arbeitsreichen Tag auf:

„Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!“

„Ein wenig ausruhen“, das hört sich gut an! Für Jesus ist es mit einem Ortswechsel verbunden. Für mich bedeutet es Abstand vom Alltagsgeschehen zu nehmen. Mich mit einer Tasse Kaffee zurückziehen, einen Spaziergang machen oder mal kurz wegfahren.

Für Jesus ist der Ortswechsel weiterhin mit „einsam und allein-sein“ verbunden. Die Bibel erzählt, dass er dazu oft in die Wüste ging, an einen Ort der Stille und Abgeschiedenheit.

Das kann ich auch hier zuhause finden. Vielleicht ist das ein eher ungewöhnlicher Gedanke, aber für mich ist ein stiller Ort mein Bett. Ausreichend zu schlafen füllt meinen Kräftehaushalt sehr gut auf.
Ein weiterer stiller Ort ist für mich eine Kirche. Wohlgemerkt: eine Kirche, in der nichts los ist, wo niemand herumläuft und wo mich das Schweigen der Mauern vor dem Lärm der Straße beschützt. In dieser Ruhe kann ich einfach nur dasitzen, nichts reden, die Gedanken laufen lassen. Hier spüre ich eine Kraftquelle. Hier spüre ich im Stillhalten ein Vertrauen wachsen. Ein Vertrauen, dass ich mit Gott nicht allein bin.

In diesem Ruhegebet bin ich nach einiger Zeit an einem Punkt angelangt, wo ich lediglich meinen Atem höre. Das bedeutet für mich: Gott betet in mir. In dieser Ruhe liegt Kraft!

Bei besonders gewichtiger Form von Erschöpfung empfahl der heilige Thomas von Aquin schon vor über 700 Jahren: gut essen, lange schlafen, beten, sich von einem Freund beweinen lassen und ein warmes Bad nehmen.

Ich finde, das ist kein schlechtes Programm für ein Wochenende. Da ist was bei, was meinen Akku auffüllt.

Pluszeichen

„Warum sind da an der Wand so kleine Pluszeichen?“, fragte mich der Junge und zeigte mit dem Finger an die Säulen. Er kam mit seiner Klasse aus der benachbarten Grundschule zur Besichtigung der Heilig-Kreuz-Kirche. An jeder Säule befindet sich dort ein Mosaik, darunter ist je ein Kreuz mit 4 gleichlangen Seiten. In den Augen des Jungens ein Pluszeichen, das kennt er aus der Schule. Ich wollte ihm schon sagen, dass es Kreuze sind, doch da fragte ich erst einmal zurück: „Hast Du eine Idee?“ Der Junge überlegte kurz und sagte:

„Weil der Gott lieber plus rechnet, als minus!“

Meistens ist es so, dass die Kinder eine Antwort in sich tragen, die mich mehr berührt, als die Worte, die ich zur Erklärung gewählt hätte. Weil Gott lieber plus rechnet. Diese Idee finde ich genial. Plus macht mehr, Plus erhöht! Wo ein Plus steht, geht es nach oben. Ein zutiefst theologischer Gedanke, der für mich gut in den heutigen Tag passt: Die Kirche feiert das Fest „Kreuzerhöhung“.

Die Ursprünge gehen auf das Jahr 326 zurück. Laut Überlieferung hat es zu tun mit der Auffindung des Kreuzes Christi und der damaligen Errichtung der Grabeskirche in Jerusalem. Jährlich am 14. September wurde das Kreuz dort hocherhoben gezeigt und das gab dem Tag schließlich seinen Namen.

Kreuzerhöhung also ganz pragmatisch.

Aber da gibt es ja noch diesen faszinierenden Gedanken des kleinen Jungen. Das Kreuz als Pluszeichen. Gibt es also noch einen „unpragmatischen“ Teil?

Ich glaube: Ja. Sonst wäre das Kreuz sicherlich nicht das stärkste Zeichen der Christenheit geworden. Das Kreuz ist für mich mehr. Es steht dafür, dass Jesus Christus an einem Kreuz gelitten hat und gestorben ist. Leiden und Sterben gehört zum Menschsein dazu, auch für Gottes Sohn. Entscheidend ist aber, dass damit nicht alles zu Ende ist. Auferstehung ist das Wort für das „plus“, mit dem es weitergeht. Erlösung von Schmerz und Leid. Aufstehen in ein neues Leben, ein Neuanfang. Das Kreuz ist damit zum Zeichen des Lebens geworden.

Ich gebe zu, dass dieser Gedanke durchaus rätselhaft erscheint: im Zeichen des Kreuzes, das doch zum grausamen Tod geführt hat, liegt ein Zeichen des Lebens?

Ja, genau dieser scheinbare Widerspruch berührt mich. Das ist kein Rätsel, das ich lösen kann. Es ist ein Geheimnis. Im Tod liegt das Leben, in einer vermeintlichen Niederlage liegt der Sieg.

Diese Erfahrung habe ich in dem kleinen französischen Ort mit der gleichnamigen ökumenischen Gemeinschaft in Taizé machen können. Dort wird jeden Freitag während des Gebetes ein Kreuz in die Mitte des Raumes gelegt. Menschen können dorthin gehen, legen einige Augenblicke ihre Hände darauf oder berühren mit der Stirn das Holz. Das alles geschieht wortlos. Mit dieser Geste vertrauen sie Gott symbolisch die eigenen Lasten an. Als ich mit fremden Menschen an diesem Kreuz saß, war es, als verbände uns eine unsichtbare Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten und darüber hinaus mit allen leidenden Menschen.

In diesem Moment habe ich das Kreuz auch so erfahren, wie es der Junge in der Kirche beschrieben hatte. Wie ein Pluszeichen. Als hätte Gott auch vor mein Leben ein Pluszeichen gesetzt. Und das gerade angesichts meines Scheiterns: bei den kleinen Dingen im Alltag, die nicht gelingen, aber auch bei den großen, die im Streit liegen oder zu scheitern drohen … und schließlich auch für das Ende meiner Tage.

Angesichts dieser Erlebnisse in Taizé vertraue ich darauf, dass es stimmt, was der Junge in der Kirche so treffend auf den Punkt gebracht hat:
„Weil Gott nicht mit Minus, sondern lieber mit einem Plus rechnet.“

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