logocontainer-upper
Erzbistum Paderborn
logocontainer-lower

Morgenandachten im WDR von Dr. Claudia Nieser

Morgenandachten im WDR-Rundfunk vom 18. bis 23. Januar 2021

 

Kirche in WDR 3+5

Morgenandachten
18. bis 23. Januar 2021
von Dr. Claudia Nieser, Paderborn

Die Woche im Überblick

Montag, 18. Januar 2021 –  Amadeus

Dienstag, 19. Januar 2021 – Mehr Leidenschaft!

Mittwoch, 20. Januar 2021 – Pilgern mit Beethoven

Donnerstag, 21. Januar 2021 – Eine Welt aus Musik

Freitag, 22. Januar 2021v – Ist das Kunst und kann weg?

Samstag, 23. Januar 2021 – Musik stiftet Einheit.

Amadeus

Guten Morgen!

Ich kann es kaum glauben, dass mein liebster Kinofilm schon bald 40 Jahre alt ist. Es ist und bleibt der Film „Amadeus“ von Regisseur Milos Forman – für mich kommt keiner der Blockbuster der vergangenen Jahre an dieses Kunstwerk ran. Thema des Films ist – natürlich – Wolfgang Amadeus Mozart. Doch fast noch wichtiger im Film ist Antonio Salieri, sein Zeitgenosse und Rivale.

Dieser Antonio Salieri kommt aus einfachsten Verhältnissen, hat es aber bis zum Wiener Hofkomponisten gebracht. Er ist ein strenger, frommer Mann, und weil er sein Talent und seinen Aufstieg vor allem Gottes Gnade zuschreibt, gelobt er ihm, zum Dank ein keusches Leben zu führen. Soweit – so gut. Bis Mozart auftaucht.

Im Film ist dieser Mozart das genaue Gegenteil von Salieri. Ein frivoler Kindskopf, ein Frauenheld, ein Clown. Doch das ist eben nicht alles. Mozart ist auch ein Jahrhundertgenie, das Musik von solcher Vollkommenheit erschafft, dass Salieri der Atem stockt. Mozarts Können stellt alles in den Schatten, was er selbst je zustande gebracht hat. Das junge Genie hat unzählige Werke einfach fertig im Kopf und muss sie nur noch niederschreiben. Auf den Notenblättern, auf denen er seine Werke notiert, ist keine einzige Korrektur zu entdecken. Ganze Sonaten, Konzerte, ja sogar Opern sind einfach da – als wäre es die leichteste Sache der Welt.

Salieri sieht sein eigenes Können auf bloßes Mittelmaß zusammenschrumpfen – und zerbricht an Mozarts Genialität. Eine der ergreifendsten Szenen im Film ist jene: Salieri erkennt in der Musik Mozarts die Stimme Gottes – etwas, was er doch für seine Musik erhofft hatte. Er kann es nicht verwinden, dass Gott ein solches Talent einem frivolen Kindskopf schenkt, einem disziplinlosen Lümmel, der seine göttlichen Gaben bei Trinkgelagen verschleudert. Das macht ihn zuerst zu Mozarts Feind – und dann auch zu Gottes Feind.

Während er ein Kruzifix ins Feuer wirft, schwört er Gott, Mozart zu vernichten. Tatsächlich plant er, ihn zu töten, seinen Ruhm einzuheimsen und so auch Gott zu besiegen. Doch er scheitert mit seinen Plänen. Mozart stirbt zwar früh, doch während seine Musik immer berühmter wird, muss Salieri erleben, wie er selbst noch zu Lebzeiten in Vergessenheit gerät.

Ich kann mit Salieri mitfühlen. Es ist ja auch schwer anzuerkennen, dass ein Talent oder eine Gabe, die man selbst gern hätte, einer anderen Person in den Schoß gefallen ist. Und diese Person ist einem dann vielleicht noch nicht einmal sonderlich sympathisch…

Und wenn dann noch der Glaube ins Spiel kommt und man vermuten muss, dass Gottes besondere Gunst nicht auf einem selbst ruht, sondern auf einem anderen – dann wird es noch schwieriger.

Neid und Missgunst sind nichts Neues. Eine der ersten Geschichten im Alten Testament zum Beispiel ist die von Kain und Abel, den beiden Söhnen von Adam und Eva (Gen 4,1-16). Kain erlebt, wie Gott wohlwollend auf das Opfer seines Bruders Abel schaut und ihn selbst ignoriert. Voller Neid tötet er deshalb seinen Bruder Abel – der erste Mord aus Eifersucht.

Auch wenn unklar bleibt, warum Gott das eine Opfer einem andern vorzieht oder warum einer mehr Talente hat als ein anderer. Mir scheint eine Erkenntnis wichtig: Es bringt nichts, sich an anderen zu orientieren – ob am Bruder oder am Gegenspieler, egal, was bei den anderen vermeintlich oder tatsächlich besser ist.

Vielmehr glaube ich der Zusage, dass alle Menschen von Gott geliebt sind. Niemand muss ein Jahrhundertgenie sein, um diese Liebe zu erfahren. Um dies wirklich zu glauben und zu erfahren, genügt es, die Person zu sein, die man ist.

Dann fällt es auch leichter, anderen ihre Gaben zu gönnen – auch wenn man sie nicht unbedingt mögen muss.

Einen guten, gelassenen Einstieg in die Woche wünscht Ihnen Claudia Nieser aus Paderborn.

Mehr Leidenschaft!

Guten Morgen!

Von dem großen Komponisten Ludwig van Beethoven ist folgendes Zitat überliefert:

Eine falsche Note zu spielen ist unwichtig. Aber ohne Leidenschaft zu spielen ist unverzeihlich.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Was Beethoven damit meint, wird mir sofort klar, wenn ich seine neunte Sinfonie höre: ein einzigartiges musikalisches Feuerwerk, bei dem ich mich kaum auf dem Sitz halten kann. Da interessiert es mich tatsächlich überhaupt nicht, ob eine Note falsch gespielt wird. Ich würde es noch nicht einmal bemerken – so reißt mich die Musik mit.

Ich finde das Zitat auch ein wenig beruhigend – für mich als – naja, sagen wir, normal begabte – Klavierspielerin. Je anspruchsvoller die Klavierstücke werden, umso wahrscheinlicher ist es, dass ich hin und wieder daneben greife. Da ist es gut, wenn mir ein Meister wie Beethoven persönlich zusichert, dass man auch mal daneben liegen darf – und dass es in der Musik eigentlich auf andere Dinge ankommt.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich sind die Noten auf dem Notenblatt wichtig. Und doch – für mich ist „Korrektheit“ nicht die entscheidende Kategorie, wenn es um Musik geht. Damit Musik zur Musik wird, braucht es mehr, einen persönlichen Zugang, Individualität – oder eben mit Beethovens Worten: Leidenschaft.

Die Weisheit, die Beethoven in seinem Zitat äußert, gilt allerdings nicht nur für die Musik, sondern meiner Meinung nach für das ganze Leben. Leicht umformuliert hieße es dann: Es ist absolut entschuldbar, wenn du Fehler machst – das ist nur menschlich. Viel weniger entschuldbar ist es aber, wenn du im Leben keine Leidenschaft für etwas entwickelst, wenn du niemals für etwas brennst, wenn du dich für nichts begeistern kannst.

Wieviel Leidenschaft ist wohl schon erstickt worden und durfte nicht zum Ausdruck kommen – weil es wichtiger erschien, keinen Fehler zu machen und möglichst perfekt zu sein. Ich schließe mich da selbst übrigens nicht aus.

„Mach bloß keinen Fehler“ ist bestimmt einer der wirkmächtigsten Sätze in der Erziehung, auch wenn er meist gut gemeint ist. Aber wenn der Druck zu groß wird, keinen Fehler zu machen, erzeugt er Angst, Angst vor dem Leben, Angst, den eigenen Sehnsüchten und Leidenschaften nachzugehen. Und so traut man sich kaum, richtig hineinzugreifen in die Klaviatur des Lebens und das zum Klingen zu bringen, was in einem steckt und brennt und doch eigentlich hinauswill. Vielleicht nicht perfekt und fehlerlos, aber dafür umso erfüllender, überzeugender und mitreißender.

Und auch für das Glaubensleben und die Beziehung zu Gott gilt dieses Zitat. Bis heute gibt es diese Vorstellung von Gott als Richter, der in erster Linie dazu da ist, die Menschen zu überprüfen und zu bestrafen, wenn sie Fehler machen und Regeln übertreten. Aber geht es im Glauben vorrangig wirklich darum – keinen Fehler zu machen? Auch da meine ich: Wenn die Angst, Fehler zu machen, übermächtig wird, dann wirkt sich das eher blockierend aus auf einen lebendigen und auch frohen Glauben.

In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst

, hat der hl. Augustinus einmal gesagt. Aber wie soll etwas brennen, wenn jeder Funke von der Angst, etwas falsch zu machen, erstickt wird?

Natürlich gibt es im Glauben etwas Vorgegebenes, das einfach dazugehört, damit der Glaube Glaube bleibt. Im Christentum ist das die Heilige Schrift und in der katholischen Kirche die Tradition. Aber diese Vorgaben treffen immer auf individuelle Personen, die sie aufnehmen und sie auf ihre Art zum Klingen bringen – am besten mit Leidenschaft und ohne Angst vor Fehlern. Denn erst dann überzeugen sie, erst dann bleibt der Glaube lebendig.

Einen virtuosen Einstieg in den Tag wünscht Ihnen Claudia Nieser aus Paderborn.

Pilgern mit Beethoven

Guten Morgen!

Die besten Ideen sind manchmal die einfachsten. Das habe ich bei einer Wanderung durchs Sauerland erlebt, an der ich im vergangenen Herbst teilgenommen habe. Sie stand unter der Überschrift „Pilgern mit Beethoven“. Das Einfache und doch so Besondere bestand darin, dass die Wanderleitung einen guten Lautsprecher mit im Gepäck hatte.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

An besonders schönen Stellen hielt die Gruppe inne, um Stücken aus Ludwig van Beethovens sechster Sinfonie zu lauschen. Diese trägt auch den Beinamen „Pastorale“ und Beethoven hat mit ihr seine Eindrücke, die er in der freien Natur auf dem Land gewonnen hat, in Musik übersetzt. Das sieht man schon an den Namen der einzelnen Sätze. Sie heißen „Szene am Bach“, „Gewitter, Sturm“ oder „Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm.“

Was mir beim Zuhören inmitten der schönen Natur des Sauerlandes neu bewusst geworden ist: Musik hat eine Sprache, die ohne Worte auskommt. Und trotzdem verstehe ich sofort, was sie ausdrückt. Während Worte zunächst einmal mein Gehirn erreichen und dort verstanden und verarbeitet werden wollen, erreicht Musik sofort den ganzen Menschen mit Leib und Seele.

Was für mich persönlich bei meiner Erfahrung von Beethovens Musik im Sauerland noch hinzukam: Das Zusammenspiel von Natur und Musik wurde in meinen Ohren zu einem Lob von Gottes Schöpfung. Für mich kann nichts die Schönheit der von Gott erschaffenen Welt besser unterstreichen als die Schönheit und Leidenschaftlichkeit der Musik. Sie hat das Potential dabei zu helfen, über das Selbstverständliche hinwegzublicken und das Außerordentliche in der Welt zu entdecken, ja das Wunderbare in ihr zu sehen.

Ich muss daran denken, was ein schwedischer Bischof einmal über Johann Sebastian Bachs Musik gesagt hat: Seine Musik könne man als das fünfte Evangelium bezeichnen. Der Theologe und Arzt Albert Schweitzer hat das noch weitergeführt und gesagt, dass Johann Sebastian Bach der fünfte Evangelist sei. Ich kann das gut verstehen, dass man ihn und seine Musik so auffasst. Ich würde diese Eigenschaft aber nicht ausschließlich der Musik Bachs zuschreiben. Es gibt so viele Komponisten und Musiken, die erheben und über den Alltag hinausführen und zum Evangelium werden können.

Evangelium heißt ja „Frohe Botschaft“, und damit wird die Botschaft Jesu Christi angesprochen. Ich glaube tatsächlich, dass Musik dabei helfen kann, diese Botschaft Christi, ja die Botschaften des Glaubens weiterzugeben. Da Musik den ganzen Mensch mit Leib und Seele anspricht, erreicht sie ihn viel unmittelbarer als jedes Wort es kann. Muss man noch wortreich erklären, was es bedeutet Gott zu loben, wenn man zum Beispiel gerade das „Halleluja“ aus Händels Messias gehört hat? Ich glaube nicht, ich bekomme dabei immer schon eine Gänsehaut.

Sicher erschließt sich dadurch nicht das ganze Universum des Glaubens. Aber es ist ein Zugang gelegt, der es vielen Menschen einfacher machen dürfte nachzuempfinden, welche Faszination darin liegen kann zu glauben.

Gerade in einer Zeit, in der der Glaube immer weniger selbstverständlich und auch verständlich ist, ist es wichtig, andere Zugänge zu finden – und sei es über ein Gefühl der Gänsehaut. Musik kann das Sprechen über den Glauben sicher nicht vollständig ersetzen. Aber sie kann Türen öffnen und den Raum des Glaubens weit machen.

Dass Sie diese weiten Räume entdecken, wünscht Ihnen Claudia Nieser aus Paderborn.

Eine Welt aus Musik

Guten Morgen!

Eine Welt, die aus Musik entsteht, ist das nicht eine schöne Vorstellung? Tatsächlich gibt es eine solche Welt, wenn auch nur in der Fiktion eines Romans. Niemand geringeres als der englische Autor J.R.R. Tolkien hat dies beschrieben. Ja, genau, ich meine jenen Tolkien, der mit dem „Kleinen Hobbit“ und „Dem Herrn der Ringe“ Weltbestseller geschrieben hat. Und ja, genau, ich meine Mittelerde, den Schauplatz dieser berühmten Geschichten, wenn ich von einer Welt spreche, die aus Musik entstanden ist.

Wer nun befürchtet, dies im „Herrn der Ringe“ irgendwie überlesen zu haben: Keine Sorge, das ist nicht der Fall. Der Text, den ich meine, befindet sich in einem andern Werk von Tolkien, das nicht ganz so bekannt ist. Es heißt „Das Silmarillion“ und wurde von seinem Sohn Christopher posthum herausgegeben. Das Werk enthält die Vorgeschichte des „Kleinen Hobbit“ und des „Herrn der Ringe“ und erzählt von der Erschaffung seiner fiktiven Welt. Gottähnliche Wesen lassen sie entstehen, indem sie singen.

Nun kommt bei der Schöpfung der Welt aus Musik alles darauf an, dass dieser Gesang harmonisch ist und alle Sängerinnen und Sänger ein gemeinsames Thema verfolgen – genau dies geht leider nicht lange gut. Eines der gottähnlichen Wesen namens Melkor möchte mehr sein als die anderen. Er hat eigene Gedanken und Ideen, die er in das Thema einflechten möchte. Doch als er das tut, verwirrt sich die anfänglich harmonische Melodie. Es entstehen Missklänge, die immer weiter um sich greifen, bis sich der anfangs harmonische Gesang aufgelöst hat.

In dieser Schöpfungsgeschichte kann man die Wurzel des Dramas sehen, das sich im „Herrn der Ringe“ abspielt: der ewige Kampf zwischen Gut und Böse. Letztlich geht auf diesen Missklang von Melkor alles Böse zurück. Der Missklang, das Böse hat sich eingewoben in eine Welt, die eigentlich als vollständig gut und schön gedacht war.

Für mich ist das eine faszinierende Vorstellung – allerdings führt es mich zu dem, woran ich mich beim Lesen des „Herrn der Ringe“ auch reibe. In Tolkiens Welt sind das Gute und das Böse nämlich klar voneinander getrennt. Eine Vermittlung zwischen beiden Welten ist nicht möglich. Die Guten können die Bösen nur bekämpfen und vernichten, sonst gehen sie selbst unter. Es gibt keine Alternative zum Kampf.

Und noch etwas kommt hinzu: Die Welt des Guten ist hell, schön, rein und wohlklingend-harmonisch, die Welt des Bösen dagegen dunkel, hässlich, schmutzig und disharmonisch. Dazwischen gibt es nichts. Auch wenn ich weiß, dass Tolkien sein Werk nicht als Parabel für die wirkliche Welt versteht: Ich frage mich, ob eine solch polarisierende Welt nicht allzu leicht dazu verleitet, alles Störende als „schlecht“ zu brandmarken: alles, was nicht ganz so schön ist, alles, was nicht ganz so vollkommen ist, alles, was einfach unpassend erscheint oder eine wie auch immer geartete Harmonie stört.

Die wirkliche Welt ist doch komplizierter und vielfältiger – zum Glück.

Was in Fantasy-Romanen funktioniert und ein aufregendes Spektakel bietet, geht in der Wirklichkeit eben nicht: Disharmonien einfach ins „Reich des Bösen“ abzuschieben. Allein wenn Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zusammentreffen, führt es zu nichts, wenn man die einen verteufelt und die anderen anhimmelt. Es geht doch darum, sich mit Disharmonien, mit Misstönen auseinanderzusetzen und sie nicht zu bekriegen. Solche Umgangsformen sind Teil einer zivilisierten Welt. Und in solch einer Welt hat es nichts, aber auch gar nichts mit Heldentum zu tun, alles als Böse zu bekämpfen, was einen stört. Viel heldenhafter ist es, einander zuzuhören, Brücken zu bauen, Frieden zu stiften.

Mit einem großen Applaus für die wahren Helden dieser Welt verabschiedet sich Claudia Nieser aus Paderborn.

Ist das Kunst und kann weg?

Guten Morgen!

„Ist das Kunst, oder kann das weg?“

Als ich auf einer Postkarte zum ersten Mal diesen Spruch gelesen habe, hat mich das ziemlich amüsiert. In den zurückliegenden Monaten habe ich mich allerdings manchmal gefragt, ob der Spruch nicht anders lauten müsste:

„Ist das Kunst – dann kann´s ja weg!“

Als Corona im Frühjahr uns allen den Lockdown brachte, wurden schnell diverse Hilfsprogramme für die Wirtschaft auf die Beine gestellt. Und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Jeder durch diese Maßnahmen gerettete Arbeitsplatz ist eine gute Nachricht. Eine Branche blieb dabei aber sehr lange außen vor: die Kunst- und Kulturbranche. Und es schien irgendwie klar zu sein – zumindest kam mir das so vor: Auf Kultur – also Theater, Konzerte, Kino- und Museumsbesuche – kann man auch einmal verzichten, wenn die Zeiten hart sind. Wichtig ist zunächst einmal etwas anderes.

Es geht mir nicht darum, die wirtschaftlichen Hilfsprogramme des Landes zu diskutieren. Mich beschäftigt vielmehr die Frage: Welche Meinung über die Bedeutung von Kunst und Kultur herrscht in unserer Gesellschaft eigentlich vor? Die Corona-Krise hat da etwas sichtbar gemacht.

Ich glaube zwar, dass kaum jemand sagen würde, dass Kultur nicht wichtig ist. Aber sie ist für viele vermutlich nicht überlebenswichtig. Sie ist ein Extra, das man sich gönnen kann oder eben nicht. Und wenn es um das wirtschaftliche Überleben in Krisenzeiten geht, dann fallen Theater, Orchester, Kinos eben hinten runter.

Ich kenne das noch aus meiner Schulzeit. Damals dachte man doch: Naja, wenn Musik oder Kunst oder auch Religion mal ausfallen, dann ist das nicht ganz so schlimm. Die Kernfächer, die einen im Leben voranbringen, sind andere: Fremdsprachen, Mathe, Naturwissenschaften. Das sind die Fähigkeiten, die in der globalisierten Welt zählen – nicht zuletzt, um erfolgreich zu sein und Geld zu verdienen.

Es ist ja auch tatsächlich gut und wichtig, wenn man Fremdsprachen beherrscht und rechnen kann (wobei ich letzteres nie wirklich gelernt habe). Ich frage mich nur: Gehören nicht auch Kunst und Musik zu einer umfassenden Bildung, die einem wirklich hilft, ein gutes, erfüllendes Leben zu führen? Und ich würde ergänzen: Gehört nicht auch das Fach Religion dazu?

Die große evangelische Theologin Dorothee Sölle hat jedenfalls Religion einmal so definiert: Religion ist nichts anderes als „Aufstand gegen die Banalität“. Und mit dem Begriff Banalität beschrieb sie ein Leben, dessen Wünsche und Sehnsüchte sich allein im Geldverdienen und Konsum erschöpfen, ein Leben, in dem Religion keine Rolle spielt und in dem ein tieferer Sinn gar nicht erst in den Blick gerät.

Ich glaube, dass Religion in diesem Punkt der Kunst ähnelt. Auch Kunst kann einen Aufstand gegen die Banalität des Lebens anzetteln, indem sie den Menschen ganz andere Wirklichkeiten vor Augen führt.

Indem sie neue Welten schafft. Indem sie das Gespür dafür offen hält, dass die Dinge nicht so sein müssen, wie sie sind. Es kommt deshalb ja auch nicht von ungefähr, dass in Diktaturen die Kunstschaffenden oft zu den ersten gehören, die mundtot gemacht werden sollen.

Allein wegen dieser Eigenschaft ist alle Kunst für mich nichts Sekundäres und damit eben auch etwas Überlebenswichtiges – genauso wie Religion –, gerade in Corona-Zeiten. Sie ist ein entscheidendes Element in einer freien, vielfältigen Gesellschaft. Weniger Kultur oder sogar sterbende Kultur ist ein Schritt zu mehr Banalität. Und damit auch ein Schritt hin zu mehr Gleichgültigkeit, zu mehr Resignation, zu mehr Einförmigkeit. Deswegen kann Kunst nicht weg.

Dass wir auch künftig ein vielfältiges kulturelles Angebot genießen können, das wünsche ich Ihnen und mir. Ihre Claudia Nieser aus Paderborn.

 

Musik stiftet Einheit.

Guten Morgen!

Morgen findet in Hamburg, in der Evangelisch-Lutherischen Hauptkirche St. Petri, der zentrale Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen statt. Damit endet eine ganze Woche, in der Christinnen und Christen aller Konfessionen intensiv dafür gebetet haben, dass sie wieder zusammenfinden und es irgendwann nur noch eine Kirche gibt.

„Wenn Christen miteinander beten, erscheint das Ziel der Einheit näher“, hat bereits Papst Johannes Paul II. gesagt. Ich würde noch einen weiteren Gedanken ergänzen:

Wenn Christen miteinander singen und Musik machen, erscheint das Ziel der Einheit näher. Denn es ist ja klar: Wenn man singt und miteinander musiziert, dann stimmt man miteinander in ein gemeinsames Thema ein und ist über dieses Thema miteinander verbunden.

Es war übrigens der Reformator Martin Luther, der sich große Verdienste ums Singen im Christentum erworben hat. Er war nicht nur Theologe, sondern auch ein begabter Musiker und schrieb mehrere deutschsprachige Kirchenlieder.

„Musik verjagt den Teufel und macht die Menschen fröhlich“, sagte er einmal. Und in der Vorrede zu seinen Gesangbüchern schrieb er, sie sei ein wirksames Mittel gegen „Zorn, Zank, Hass, Neid, Geiz, Sorge, Traurigkeit und Mord“.

Ich glaube Luther hat Recht! Und man sollte die Musik viel mehr einsetzen, auch an anderen Orten. Es gibt so viele Spaltungen auf der Welt, die besorgniserregend sind. Bei allzu vielen davon stehen sich Menschen oder Gruppen einander feindlich und voller Hass gegenüber, bekämpfen einander, töten einander. Würde man für jeden dieser Konflikte eine Gebetswoche etablieren – die 52 Wochen eines Jahres würden nicht ausreichen.

Aber kann Musik tatsächlich etwas ausrichten gegen den Hass, der vielerorts herrscht und zu Gewalt und Krieg führt? Nun, es gibt zumindest Versuche.

Einer der bekanntesten ist das West-Eastern Divan Orchestra (Orchester des West-östlichen Divans). Es wurde 1999 in Weimar gegründet und besteht zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikerinnen und Musikern. Es gastiert weltweit, vor allem in den Herkunftsländern der Orchestermitglieder. Die Initiatoren des Orchesters sind dabei sehr realistisch, was ihr musikalisches Projekt im Nahostkonflikt ausrichten kann. In einem Programmheft zu einem der Auftritte heißt es:

„Musik allein kann selbstverständlich nicht den arabisch-israelischen Konflikt lösen. Jedoch gibt sie dem Einzelnen das Recht und die Verpflichtung, sich vollständig auszudrücken und dabei dem Nachbarn Gehör zu schenken.“

Das mag wenig aufsehenerregend klingen, doch es ist so wichtig, auch in unserem Miteinander. Wie häufig wird nicht nur in den Sozialen Medien einander das Recht abgesprochen, eine gegenteilige Meinung äußern zu dürfen? Wie oft bleibt das Zuhören auf der Strecke? Wie oft bleibt man lieber in seiner eigenen Blase und hält sich alle anderen Meinungen lieber vom Hals?

Anders dagegen das West-Eastern Divan Orchestra: Es schafft einen Raum, in dem ein friedliches Miteinander, ein friedliches Zusammenarbeiten möglich ist, weil Musik verbindet. Alleine die gemeinsame Begeisterung, die Probleme und Konflikte für eine Weile vergessen lässt – zumindest für den Zeitraum des gemeinsamen Musizierens. Ich glaube, dass solche Erfahrungen ungeheuer viel wert sind, so unscheinbar sie auch auf den ersten Blick erscheinen mögen. Und wie das wohl erst auf die Zuhörerschaft wirkt – ob da nicht ein Funke überspringt?

Ich glaube, in solchen Situationen wird spürbar, dass die Schönheit der Musik Menschen berührt und auch verbindet. Man erhält dann vielleicht eine Ahnung davon, dass es etwas gibt, das größer ist als alle Konflikte und Streitigkeiten.

Dass Sie die einheitsstiftende Kraft der Musik erfahren, wünscht Ihnen Claudia Nieser aus Paderborn.

Weitere Einträge

Unsere Nachrichten Pastor Bronislaw Chrascina verstorben

Das Erzbistum Paderborn trauert um Pastor i. R. Bronislaw Chrascina. Er starb am Montag, dem 22. April 2024.
© BDKJ-DV-Paderborn

Unsere Nachrichten Mit 294.480 Stunden Engagement die Welt verbessern

Jungen Menschen trotzen während Sozialaktion „Euch schickte der Himmel“ im Erzbistum Paderborn dem Regen
© BDKJ-DV Paderborn / Sarah Kaiser
Der BDKJ Diözesanverband Paderborn freut sich auf den Start der 72-Stunden-Aktion 2024. (v.l.n.r Diözesanvorstand Lena Topp, Diözesanvorstand Jan Hilkenbach, Diözesanseelsorgerin Helena Schmidt und Projektreferentin für die 72-Stunden-Aktion Rebecca Rediger)

Unsere Nachrichten „Nur noch kurz die Welt retten“

Kinder und Jugendliche setzen sich bei der 72-Stunden-Aktion für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Demokratie ein
Kontakt
| |
generalvikariat@erzbistum-paderborn.de
+49 (0)5251 125-0
Barrierefreiheit