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Unsere Nachrichten
18. April 2020

Morgenandachten im WDR von Claudius Rosenthal

Der Diakon aus Wenden sprach in vom 13. bis 18. April 2020 die Morgenandachten im Westdeutschen Rundfunk

Kirche in WDR 3+5
Morgenandachten
13. – 18. April 2020
von Diakon Claudius Rosenthal, Wenden

Immer an Deiner Seite

Auf dem Küchentisch liegt eine Karte. Eine Oster-Grußkarte. Von einem guten und lieben Freund, der mir zeigen will: Ich denke an Dich. Ich wünsche Dir alles Gute. Bleib gesund. Ich gebe zu: Ich bin immer etwas peinlich berührt, wenn ich den Briefkasten aufmache und darin dann einen solchen schönen Gruß finde. Denn da hat sich ja offenbar jemand die Mühe gemacht, eine schöne Karte gesucht – und auch gefunden. Er oder sie hat auch noch ein paar wohltuende Worte gefunden. „Berührt“ bin ich schließlich und vor allem aber deshalb, weil ich selbst so gar nicht gerne Karten schreibe. Im Gegenteil. Zumindest war das lange Zeit so. Und das lag unter anderem daran, weil ich im Schreibwarenladen immer ziemlich ratlos vor dieser völlig unübersichtlichen Auswahl an Motiven gestanden habe. Wobei … was heißt „unübersichtlich“? Die Blumenbilder waren mir häufig zu aussagelos. Die Schrift nicht selten zu kitschig. Und vom Inhalt mal ganz zu schweigen. Irgendwie fand ich mich in diesen Karten nie wieder. Den Anlass, für den sie bestimmt war, auch nicht. Und von der Person, die sie bekommen sollte, möchte ich gar nicht reden … Das passte einfach nicht. Nie!

Wie gesagt: Karten schreiben war lange nicht mein Ding. Meine Freunde würden jetzt sagen: „Mein Lieber – das ist es bis heute nicht!“ Auf eine Art haben sie damit sogar Recht. Denn wenn es einmal Post von mir gibt, dann bekommen sie immer dieselbe Karte. Zumindest immer mit demselben Motiv. Ziemlich einfallslos, nicht wahr? Aber eigentlich soll es gar nicht einfallslos sein. Denn wissen Sie: Auf dieser Karte sind zwei Männer zu sehen, die unterwegs sind. Wohin, ist nicht zu erkennen. Gesichter sieht man auch nicht. Aber neben diesen beiden Männern lässt sich noch schemenhaft, schattenartig eine dritte Person ausmachen. Bei oberflächlicher Betrachtung fällt die gar nicht auf. Man ist vielleicht eher irritiert, warum hier etwas Graues, Verschwommenes im Bild ist.

Abgebildet sind jedenfalls die beiden Jünger, die sich auf den Weg nach Emmaus machen. Und auf diesem Weg werden sie von einer Person begleitet, die sie nicht erkennen. Erst später am Abend begreifen die beiden dann, dass die ganze Zeit, den ganzen langen Weg Jesus selbst mit ihnen gegangen ist. Ihnen erklärt hat, was sie da in den vergangenen Tagen erlebt haben. Und warum das so passieren musste. Für mich ist das ein wunderbares Bild für mein Leben: Weil ich da ganz oft unterwegs bin und begleitet werde – aber gar nicht sehe, dass mir Gott zur Seite gestanden hat. Dass der an meiner Seite ist. Nur eben manchmal in einer Gestalt, die ich nicht sofort erkenne.

Und weil mir das so wichtig ist und mir so viel Mut und Zuversicht gibt, gehört das für mich eben auch zu jedem Gruß dazu, den ich verschicke: Dieser Wunsch, dass Jesus mitgeht. Das Leben begleitet. Bei der Taufe oder der Hochzeit, am Geburtstag oder bei der Beerdigung, zu Weihnachten oder zu Ostern. Ich wünsche, dass Jesus dabei ist. Erklärend und erläuternd, begleitend und bestärkend, beschützend und behütend.

Dass auch Sie solch eine Begleitung erfahren – an diesem Ostermontag und an allen Tagen ihres Lebens – das wünscht Ihnen Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.

Da ist auch Licht

Es ist dunkel. Schemenhaft nur zeichnen sich die Profile von Männern und Frauen, Mädchen und Jungen ab. Es müssen viele sein. Sehen kann ich das nicht. Aber erahnen. Hören vor allem. Mal ein Räuspern. Mal ein tiefes Einatmen. Hinter mir flüstert ein Vater seiner Tochter etwas zu. Und irgendwo weiter vorne scheint jemand eine Handtasche aufzumachen. Ich bin aufgeregt. Etwas verunsichert auch. Ich spüre meine Anspannung – und wie langsam, aber sicher ein Gefühl von Beklemmung in mir hochsteigt. Ängstlich greife ich zur Seite. Mein Vater sitzt noch neben mir. Ganz entspannt und ruhig. Immerhin. Mein Puls rast.  Es ist dunkel. Fast schon gespenstisch still. Als die Türe geöffnet wird, höre ich den Verkehr der nahen Straße. Und ich spüre, wie die kalte Luft einer Nacht in den Raum zieht, die den Kampf gegen den Winter noch nicht gewonnen hat. Endlich scheint sich nun auch etwas zu tun. Von hinten höre ich leise Stimmen. Bewegung. Und aus dem Augenwinkel sehe ich ein kleines, flackerndes Licht, das näher kommt. Plötzlich dann ein kurzer, lauter Ruf in einer mir fremden Sprache. Neben mir und vor mir und hinter mir antworten die Menschen. Ebenso laut. Ebenso fremd. Und dann merke ich, wie es nach und nach heller wird – bis ich sehe, wie jemand eine riesige Kerze trägt, an der einige der Anwesenden ihre mitgebrachten, eigenen Kerzen anzünden und das Licht dann weitergeben. Aus den schemenhaften Schatten schälen sich langsam vertraute Gesichter – Nachbarn, Freunde, Bekannte aus dem Dorf. Und innerhalb kürzester Zeit erstrahlt der eben noch düstere und kalte Raum in einem hellen und warmen Licht. Ich atme auf. Die Anspannung ist vorbei. Jetzt ist alles gut. Meine erste Osternacht hat begonnen.

Mehr als 40 Jahre ist das jetzt her. Und ich gebe zu: Im Laufe der Jahre hat mich diese Symbolik immer stärker berührt und bewegt. Mittlerweile tröstet mich dieses Erleben in der Osternacht auch: Wie schnell doch das Dunkel und die Kälte überwunden werden – nur weil Menschen ein kleines Licht weitergegeben. Und in jeder Osternacht bin ich fasziniert und glücklich und hoffnungsvollfroh, weil ich mich einem Gott verdankt weiß, der mich zwar in die Dunkelheiten dieser Welt gestellt hat – aber der bei mir ist. Der mir Licht geben möchte. Und der mir auch zeigt, wie ich mit ganz wenig beitragen kann dazu, dass es auch für andere hell wird.

Wie gesagt: Mich berühren und bewegen und beeindrucken diese Osternächte. Dieses Jahr musste ich ohne dieses Erlebnis auskommen. Gottesdienste sind nicht erlaubt. Aus gutem Grund. Als mir vor einigen Wochen bewusst wurde, was das bedeutet, da dachte ich: Das ist das erste Mal seit vier Jahrzehnten, dass mir diese Quelle der Hoffnung und des Trostes verschlossen bleibt.

Aber irgendwie war das wahrscheinlich die falsche Perspektive. Denn eigentlich habe ich Ostern in diesem Jahr viel intensiver erlebt als jemals zuvor. Viel bewusster. Viel näher an der Wirklichkeit. Denn wenn ich heute wieder die Kerze anzünden werde, die ich am späten Ostersamstagabend angezündet habe, dann sagt die mir eben noch sehr viel näher am Leben, dass auf jeden Karfreitag ein Ostern folgt, auf jede Krise ein Wiederaufblühen. Dass in das Dunkel eines jeden Golgathas doch auch irgendwann wieder die Sonnenstrahlen eines neuen Tages fallen. Dass da auch in dieser Zeit mit ihrer Isolation, mit dem Getrennt sein von der Familie, den Freunden, den Nachbarn, dass in all diesem Dunkel doch auch Licht ist. Dass der liebe Gott bei mir ist. Immer. Auch jetzt. Gerade jetzt.

Und ganz gleich, ob wir – Sie und ich – uns im Glauben verbunden wissen oder nicht: Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass auch Sie in diesen Tagen eine Kerze anzünden können in einer Hoffnung, die Ihnen Zuversicht geben kann und die Ihnen sagt: In der Mitte der Nacht – da liegt der Anfang eines neuen Tages. Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.

Systemrelevant

Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte sind systemrelevant. Polizisten auch. Die Frauen und Männer bei den Strom- und Wasserversorgen sind systemrelevant. Mein Metzger ist systemrelevant. Meine Apothekerin. Und der kleine Lebensmittelladen bei uns im Ort mit seinen Beschäftigten – der ist auch systemrelevant. Wenn ich mir anschaue, was die da alle Tag für Tag leisten, kann ich das gut verstehen. Allein das Risiko, dem sie sich aussetzen. Die Frau in der Apotheke, die unzähligen Menschen begegnet. Täglich. Die macht sich bestimmt Gedanken. Aber trotzdem ist sie da. Und trotzdem ist sie freundlich. Oder die vielen Frauen und Männer im Einzelhandel. Für die gehört ein Mindestmaß an Nähe zum täglichen Geschäft. Ohne das können die gar nicht. Und trotzdem machen die das. Die Ärzte und Arzthelfer, die vielen Pfleger, die ganz nah ran müssen an die Menschen – und die ihre Frau und ihren Mann stehen. Die alle tragen dazu bei, dass zumindest die wichtigsten Dinge weiterlaufen können. Dass ich auf die wesentlichen Dinge nicht verzichten muss. Und wo ich weiß: Wenn die jetzt nicht wären, dann ginge hier bald das Licht aus. Die sind im wahrsten Sinne des Wortes „systemrelevant“.

Ich hab mich die Tage mal gefragt: Ist mein Glaube systemrelevant? Und: Bin ich das gerade – ein Diakon der Kirche? „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, hat Jesus im Verhör bei Pilatus gesagt. Übersetzt in Krisensprech: Nicht systemrelevant. Nicht von dieser Welt. Für diese Welt hier nicht bedeutsam. Weil auf eine andere Wirklichkeit hin orientiert. Auf ein anderes Reich. Ein anderes „System“. Und manchmal hatte ich in den vergangenen Wochen genau diesen Eindruck: Dass ich eigentlich nicht systemrelevant bin – zumindest nicht der „gläubige Teil“ von mir. Denn es hat ja keiner etwas davon, wenn ich glaube – oder es eben bleiben lasse. Mein „gläubiges Ich“ macht mein Haus nicht warm – dafür braucht es Arme und Beine, um das Holz aus dem Keller zu holen. Mein „gläubiges Ich“ sorgt auch nicht für Strom, damit der Kühlschrank weiterläuft. Es hilft mir nicht, wenn ich neue Tabletten brauche. Und satt werde ich davon auch nicht.  Also: Dieser Teil von mir – der ist nicht systemrelevant.

Aber vielleicht ist das zu oberflächlich gedacht. Denn was treibt eigentlich diese ganzen Menschen dazu, weiter ihren Job zu machen – und ihn gut und mit Freude zu machen? Was motiviert den Pfleger oder die Polizistin, die Verkäuferin oder den Verwaltungsmitarbeiter morgen für morgen zur Arbeit zu gehen? Nur das Geld? Das glaube ich nicht. Und was treibt die nicht-systemrelevanten Frauen und Männer an, die sich in unserem Ort zusammengetan haben, um in dieser Zeit Einkäufe für Ältere oder Kranke zu übernehmen? Was motiviert Menschen, Tüten mit Lebensmitteln dort aufzuhängen, wo früher die Tafeln geöffnet hatten? Wahrscheinlich in allen diesen Fällen das systemrelevanteste Etwas, dass es überhaupt gibt: Nämlich das Wissen darum, dass wir nicht nur für uns alleine da sind. Dass wir Verantwortung haben. Für mich heißt das „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Für mich heißt das „Christ sein“ im ursprünglichsten Sinne. Offensichtlich gibt es ziemlich viele, die sich dieser Idee verpflichtet fühlen. Die ihre Systemrelevanz nicht mit einer Bescheinigung beweisen. Sondern mit dem, was sie tun. Mögen sie offiziell systemrelevant sein oder nicht, mögen sie Christen heißen oder auch nicht. Mich beeindruckt das. Und der „gläubige Teil in mir“ fühlt sich da bestätigt. Denn für Gott ist jeder Einzelne systemrelevant. Immer. In diesem Sinne heute Morgen mal keine guten Wünsche – sondern einfach mal: Danke an alle, die das verstanden haben und danach handeln.

Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.

„Sie haben Post“

Ich gebe zu – als vor etwas mehr als vier Wochen die Schulen geschlossen wurden, da habe ich mich erst einmal dabei erwischt, wie ich mich einem Vorurteil ergeben habe. Ich dachte mir nämlich: Na super – die Mädchen und Jungen werden nach Hause geschickt. Die Mamas und Papas dürfen sich um die Betreuung kümmern. Und die Lehrerinnen und Lehrer? Naja … Dann hörte ich im Radio, dass die Schulen sich der neuen Medien bedienen wollen. Digitales Lernen. Technisch sei man dafür ja gerüstet. Und ein zweites Mal dachte ich: Naja …

Nach ein paar Tagen Schulschließung wollte ich dann meine kleine vorurteilsbeladene Welt mit der Wirklichkeit abgleichen. Mein Sohn erzählte mir aber mit breitem Grinsen, dass er mit einem super Textverarbeitungsprogramm ausgestattet worden sei. Dass er seine Aufgaben und Aufträge auf unterschiedlichen Kanälen bekomme: über die cloud, per Mail, im Chat, auf der Plattform. Und dass er die gleichen Wege bediene, um die Ergebnisse zu liefern. Ok – dachte ich mir. Dann hast Du dich an dem Punkt also geirrt. Aber der ganze Rest stimmt wahrscheinlich …

Zwei Tage später erzählte mir mein Sohn dann, dass ihm eine der gestellten Aufgaben durchgegangen sei. Dass er die noch tief in der Nacht müde und in Eile geschrieben und abgeschickt habe. Und als er das so erzählte, waren sie schnell wieder da, meine Vorurteile. Und ich dachte mir: Naja, wird wohl niemanden stören. Die nehmen wahrscheinlich eh nur zur Kenntnis, dass alle geliefert haben …

Was dann tatsächlich passierte, war: Die Lehrerin gab meinem Sohn eine lange, sehr persönliche Rückmeldung. Sie lobte ausführlich, wo es etwas zu loben gab. Sie kritisierte, wo es etwas zu kritisieren gab. Und sie gab Tipps, wie das eine oder andere für die beizeiten anstehende Klausur besser gemacht werden könne.

Nichts also mit unpersönlicher Eingangsbestätigung. Nichts mit oberflächlichem Abarbeiten. Auch nichts mit Wegducken oder Abtauchen im digitalen Off. Im Gegenteil. Die Rahmenbedingungen hatten sich zwar verschlechtert, die Möglichkeiten zum direkten Gespräch waren gleich null – doch diese Lehrerin ging mit so viel persönlichem Einsatz und so viel Zeit und Engagement vor: Das war beeindruckend. Auch für meinen Sohn – der uns diesen Brief sichtlich berührt vorlas.

Das Schöne an dieser Geschichte war: Sie blieb kein Einzelfall. Denn Freunde und Bekannte erzählen mir das Gleiche. Ganz viele Erzieher und Lehrer leisten seit Wochen Herausragendes, um ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Doch davon einmal abgesehen: Irgendwie hat mich dieser persönliche Brief und die Situation, in die herein ihn die Lehrerin geschrieben hat – irgendwie hat er mich daran erinnert, wie mein Verhältnis zum lieben Gott manchmal ist. Da habe ich auch so meine Urteile und Vorurteile. Da denke ich auch, dass er weit weg ist. Dass ich gar keine Möglichkeit habe, mal Auge in Auge mit ihm zu sprechen. Dass ich ihn gar nicht „in echt“ erleben kann. Und dass er deshalb gar nicht weiß, wie es mir geht. Dass er nicht auf mein Leben eingeht. Schlimmer noch: Dass ihm egal ist, was ich tue oder nicht. Dass er sich wegduckt. Und dann bin ich ziemlich dankbar, wenn ich höre: „Sie haben Post.“ Wenn der liebe Gott mir also eine Nachricht zukommen lässt. Auf ungewöhnlichen Kanälen. Überhaupt nicht vorhersehbar. Nicht erwartbar. Aber herzlich. Wohlwollend. Anteil nehmend. Mit viel Zeit. Viel Verständnis. Viel Wohlwollen. Viel Herz. Wie diese Rückmeldung der Lehrerin auf die schnell gemachte nächtliche Hausarbeit meines Sohnes.

Hausaufgaben machen Sie sicherlich nicht mehr. Aber dass auch Sie in diesen Tagen solche Nachrichten bekommen – das wünscht Ihnen Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.

Begleitet

Es war eine traurige Veranstaltung. Ich hatte Josef über viele Jahre hinweg besucht. Und dann kam der Tag, der kommen musste. Mit 94 Jahren. Ein gesegnetes Alter. Und Josef hatte ein gesegnetes Leben. Mit Höhen und Tiefen. Mit vielen Kindern und noch mehr Enkelkindern und Urenkeln. Mit einem Ort, seinen Menschen und Vereinen, die alle um das Viele wusste, was er geleistet und getan hatte. Nur: Josef starb während der Corona-Krise, als an eine Beerdigung in der üblichen Weise nicht mehr zu denken war. Zunächst war dem Männergesangverein das Proben verboten worden – und in der Folge musste er auch seine Zusage zur Beerdigungsfeier zurückziehen. Wenig später folgten dann die Schützen. Und zu guter Letzt wurden auch die Gottesdienste untersagt. Am Ende versammelte sich nur noch der engste Familienkreis am Grab.

Kein Thema für einen guten, einen lebensfrohen Einstieg in den Tag, ich weiß. Aber eine Realität, die manch einer in den vergangenen Wochen zu spüren bekommen haben. Denn wie viele sterben in diesen Tagen und Wochen alleine? Wie viele werden zu Grabe getragen, ohne dass Verwandte und Bekannte Abschied nehmen können? Ein Freund erzählte mir, dass er vor Kurzem alleine am Sarg gestanden habe. Weil es keine engen Verwandten gab. Und ein anderer berichtete mir, dass eine Beerdigungsfeier aufgelöst wurde. Weil da zu viele Menschen am Grab versammelt waren. So etwas erleben zu müssen, schmerzt.

Klar weiß ich, warum das so ist. Warum diese Regeln zurzeit so sein müssen. Ich hinterfrage die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen deshalb nicht. Im Gegenteil. Trotzdem bedrückt mich das.

In den vergangenen Tagen musste ich dann daran denken, dass es in meiner Ausbildung zum Diakon einen Satz gab, den ich immer und immer wieder zu hören bekommen habe. Nämlich: Dass wir an einen Gott glauben, der Mensch geworden ist und der als Mensch alle Höhen und Tiefen unseres Lebens durchschritten hat. Alle. Mir ist bei dieser Beerdigung vor ein paar Wochen noch einmal klar geworden, wie wahr das ist – dass es da wirklich nichts gibt, was Jesus nicht durchlebt hat. Nicht einmal eine Beerdigung in kleinstem Kreis. Denn als Jesus am Kreuz starb – da war er verlassen. Da fühlte er sich auch verlassen. Selbst von Gott. Und später dann war es nur eine Handvoll Menschen, die ihn ins Grab legte. Ihn beerdigte. Selbst der Sohn Gottes hat also erlebt und durchlebt, was in diesen Tagen so viele durchmachen müssen: Die sich von einem lieben Menschen verabschieden müssen und die nicht getragen werden von einer Gemeinde, die diesen letzten Weg mitgeht.

Dieses Wissen, dass auch Jesus mehr oder weniger alleine war – das macht die Situation nicht besser. Aber ich fühle mich doch ein wenig von ihm getröstet und begleitet. Ich spüre, dass er mich irgendwie verstehen kann. Dass er mitfühlt. Selbst diese Einsamkeit an den Gräbern. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben, dass sie gut und gesund durch den Tag und das Jahr kommen. Und dass Sie das in der Gewissheit tun können, dass Sie immer begleitet sind. Alle Tage. Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.

Gott fasten

Es ist Mitte-Ende März und die Landesregierung hat ein Kontaktverbot beschlossen. Mehr oder minder zumindest. Ich rufe zum Familienrat. Und ich mache deutlich: Keine sozialen Kontakte mehr. Keine Geburtstagspartys. Kein Chillen im Freundeskreis. Für die Tochter: Kein abendlicher Ausflug an die Lister. Für den Sohn: Keine Fantasy-Rollenspiele mehr mit den Kumpels. Möglichst im Haus bleiben. Ich sehe verstörte, entsetzte Blicke. Und ich frage mich: Warum jetzt diese Empörung? Dieses Unverständnis? Meine Kinder machen doch sonst auch alles mit dem Handy. Keine Minute, in der sie das Smartphone nicht entweder am Ohr haben oder darauf rumhacken – selbst dann, wenn Freunde da sind. Und meine Beiden sind da wahrscheinlich nicht anders als andere in ihrem Alter. Da wird kommuniziert – ständig. Und zwar über Whatsapp, über Instagram, über Twitter. Die schicken sich Sprachmemos, die skypen, die chatten. Warum also sollte das jetzt ein Problem sein, wenn dieser Modus des Miteinanders nun mal für ein paar Wochen verordnet wird?

Naja, vielleicht ist die Antwort, dass ich mir nie wirklich Mühe gemacht habe, diese Art der Kommunikation zu verstehen. Und dass da genauso gilt, was ich für jedes meiner Gespräche für selbstverständlich annehme: dass uns im Anderen immer auch Gott begegnet – und dass wir deshalb ein Bedürfnis nach Begegnung mit anderen haben. Ich suche Gott. Ich will die Fülle des Lebens spüren. Mir reicht es eben nicht, nur Informationen auszutauschen. Ich möchte Begegnung erleben. Ich möchte die Augen sehen, die traurig werden oder fröhlich. Ich möchte die Grübchen in den Mundwinkeln sehen – und das Runzeln auf der Stirn. Ich möchte wissen, ob der andere sich mir interessiert zuwendet – oder gelangweilt abwendet. Ich möchte die Atmosphäre sehen, riechen, schmecken, hören, in der wir uns bewegen. Ich möchte diese wunderbare und reiche und volle Schöpfung erleben, die mir im anderen gegenübersteht. Und mir fehlt etwas, wenn diese Vielzahl der sinnlichen Eindrücke reduziert wird.

Das gilt auch für jenen Teil meines Glaubens, den ich in Kirche lebe. Ich möchte keine verwaltungsmäßig saubere Sakramentenausgabe – sondern ich möchte die Liebe Gottes spüren. Mit allen Sinnen. Ich kann mich eine Weile mit Fernsehgottesdiensten über Wasser halten – aber ich brauche meine Gemeinde aus Fleisch und Blut, die Menschen mit ihren Geschichten, ihren Sorgen, ihrem Lachen. Mir ist das Gespräch mit Gott wichtig – aber richtig lebe ich erst auf, wenn dabei links und rechts jemand neben mir steht, den ich kenne und den ich mag und mit ich gemeinsam loben und danken und bitten kann. Ich bin dankbar, wenn ich dem lieben Gott im Gottesdienst begegne – aber ich spüre deutlich, dass er mir vor allem in anderen Menschen gegenübertritt. In diesen Tagen merke ich das besonders. Und es bestätigt sich deshalb für mich, dass uns Gott begegnen möchte. Im Gespräch. Im Miteinander. In seinen Geschöpfen. Irgendwie hat das momentan deshalb alles etwas von Fastenzeit: „Gott fasten“, wenn man so will – sogar nach Ostern. Nicht, dass ich ganz auf ihn verzichten muss – aber schon an einigen ganz wesentlichen Stellen. Das ist nicht schön. Nur: Wie in der normalen Fastenzeit schärft auch diese Zeit die Sinne. Und wissen Sie was: Ich freue mich schon aufs „Fastenbrechen“ – auf die Zeit, wenn ich Gott wieder in meinen Mitmenschen begegnen kann. Dann ist dieses Jahr für mich richtig Ostern! Und die Freude darauf – die lässt mich auch heute wieder frohen Mutes in den Tag gehen. Dass es auch Ihnen so geht und Sie aus dem Schönen, das uns erwartet, Hoffnung und Freude und Zuversicht schöpfen können – das wünscht Ihnen Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.

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